Home, Journal, Kunst, Literatur, Musik, Astronomie, Pforr-Material, Links

Journal 2024, 2023, 2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 2002


Journal 2024

Karl May - "Old Surehand I"

(14.06.2024) Dies ist der Band 25 der "Züricher Ausgabe" in 33 Bänden, hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Gelesen habe ich die erste abgeschlossene Geschichte namens "Old Wabble" (S.9 bis S.134). Karl May stellt hier eine Ansammlung reichlich skurriler Gestalten vor, im Zentrum der Namensgeber der Geschichte, nämlich der 90-jährige "Old Wabble". Mit einigem Recht kann man zu diesen skurrilen Gestalten aber auch die Hauptfigur, den "Old Shatterhand", rechnen.

Karl May, Old Surehand I

Old Shatterhand hat sich inkognito einer Reisegruppe angeschlossen, um so in Gesellschaft zu einem Treffpunkt mit Winnetou zu kommen - in Gesellschaft deswegen, weil der Indianerstamm der Comantschen gerade kriegerisch unterwegs ist. Old Shatterhand spielt die Rolle eines Greenhorns, eines im Wilden Westen noch unerfahrenen Reisenden, und stapelt dabei tief, sehr tief.

Ein Mitglied der kleinen Reisegesellschaft erzählt von seiner gelungenen Flucht vor den Comantschen, doch sein Begleiter, der berühmte Old Surehand, sei dabei gefangen genommen worden. Jetzt geht es natürlich darum, diesen aus der Hand der Comantschen zu befreien. Während die Gruppe der "erfahrenen" Westmänner abends am Lagerfeuer Pläne für die Befreiung schmiedet, doch ohne eine Wache aufzustellen, hält sich Old Shatterhand abseits und bemerkt bald als einziger, dass sich jemand angeschlichen hat: Old Wabble nämlich, der sich aber bald zu erkennen gibt. Aber er weiß auch, dass die Indianer einem Entflohenen immer zwei oder drei Männer nachschicken, die ihn fangen sollen. Also geht er wie zufällig etwas vom Lager weg, und - natürlich - hört er, dass zwei Verfolger kommen und vom Pferd steigen, und - natürlich - versteht er, was sie reden und bekommt wichtige Informationen, und - natürlich - schlägt er beide mit jeweils einem Fausschlag bewußtlos und fesselt sie, und irgendwann wieder am Lagerfeuer kommt halt raus, wer er ist. Was für ein Tausendsassa dieser Old Shatterhand doch ist! Sowohl seine Körperkraft als auch seinen Scharfsinn und sein Wissen wird der Text nicht müde zu betonen, und natürlich ist er derjenige, der schließlich und endlich Old Surehand befreit, bei der anschließenden Verfolgungsjagd im Wasser (wo er beim Schwimmen den noch entkräfteten Old Surehand unterstützen muss) den Häuptling der Comantschen gefangen nimmt, und - natürlich - geht alles gut aus. Und da Old Shatterhand den Old Surehand befreit hat, ist die Rangfolge der beiden sofort klar: Shatterhand ist das Alpha-Männchen. Ein einziges Bramarbasieren von und über "Charly"!

Als Kind habe ich viel Karl May gelesen, auch Old Surehand, aber an absolut NICHTS von der Geschichte habe ich mich erinnert.

Anna-Lisa Dieter - "Susan Sontag"

(29.05.2024) Warum sollte man für 10 Euro ein 100-Seiten-Büchlein über Susan Sontag kaufen, wenn der umfangreiche und als "exzellent" klassifizierte Artikel in der Wikipedia über diese Autorin auf fast die Hälfte dieser Seitenanzahl kommt?

Anna-Lisa Dieter

Das kann man sich natürlich fragen, aber nach der Lektüre des ausgezeichneten Bändchens von Anna-Lisa Dieter aus der Reihe Reclam 100 Seiten wird der Unterschied doch schnell klar: Der Wikipedia-Artikel spricht die wichtigen Themen alle kurz an, ist sachlich und in aller gebotenen Kürze auf Vollständigkeit bedacht (samt langer Werkliste, Filmographie und Sekundärliteratur). Anna-Lisa Dieter greift sich die wichtigsten und interessantesten Themen gezielt heraus, interpretiert diese Werke, arbeitet heraus, warum manche Essays so berühmt wurden und so revolutionär wirkten, warum sie aber als Autorin belletristischer Arbeiten eher uninteressant wirkt, und wie wichtig zuguterletzt auch das Privatleben und die Selbstinszenierung von Susan Sontag für deren Einordnung ist. Mir hat dieses Reclam-Buch sehr gut gefallen, und - was ganz wichtig ist - es hat Appetit auf die Originaltexte von Susan Sontag gemacht, von denen ich inzwischen einige besorgt habe.

Haruki Murakami - "Tanz mit dem Schafsmann"

(27.05.2024) Nach dem trostlosen Ende von "Wilde Schafsjagd" (vgl. mein Journal vom 16.01.2021) hat Murakami dankenswerterweise ein Sequel geschrieben, in welchem sich dem namens- und (lebens-)glücklosen Protagonisten doch noch Lebens-Perspektiven auftun: Man kann das Ende sogar als Happy-End bezeichnen.

Haruki Murakami, Tanz mit dem Schafsmann

Ich muss gestehen, dass mir zu Anfang die Lektüre - wie oft bei Murakami - etwas lang wurde und ich kurz davor war, sie abzubrechen. Nur die Erfahrung, dass sich der Charakter eines Murakami-Textes nach einem zähen Anfang ganz plötzlich ändern kann, hielt mich bei der Stange. Und tatsächlich: Nach etwa 30 Seiten (von 464) begann die Lektüre spannender zu werden, ab Seite 45 war ich gefesselt.

Der Roman spielt 4 Jahre nach "Wilde Schafsjagd", der "Held" hat sich in dieser Zeit wieder im Alltag eingerichtet, er funktioniert sozusagen, allerdings auf Sparflamme. Freunde hat er keine, nur einen beruflichen Kompagnon, er betont, immer mal wieder mit Frauen zu schlafen, das scheinen aber unverbindliche Kurzbeziehungen zu sein, vielleicht auch One-Night-Stands. "Liebe" hat er allerdings doch zu bieten, laut eigener Aussage kocht er mit ebendieser, und den vielen Szenen nach, wo er fürs Essen einkauft und kocht, glaubt man das sofort.

Murakami behandelt wieder seine Lieblingsthemen, fast könnte man sie schon als Obsessionen bezeichnen: Es gibt tolle und geheimnisvolle Frauen, es gibt eine Parallelwelt mit parapsychologischen Drumherum, es gibt Sex, es gibt etwas Zivilisationskritik und so weiter und so fort (vgl. meine Einträge zu Wilde Schafsjagd). Für mich hätte der Roman auch funktioniert und wäre auch spannend gewesen, wenn die geheimnisvollen Orts- oder Weltwechsel nicht vorkommen würden und der Schafsmann in der Versenkung verschwunden wäre, wo er hingehört.

Die spannendste Person für mich war die dreizehnjährige Yuki, die der Protagonist auf Wunsch seiner späteren Happy-End-Frau von Sapporo nach Tokio begleitet, weil sie von ihrer Mutter im Hotel vergessen worden ist, als diese zu einem neuen Fotoprojekt aufbricht. Die Mutter ist eine sehr egoistische und ausgeflippte, aber weltbekannte Fotografin, der Vater (dessen Name Hiraki Makimura ein schönes Anagramm zu Haruki Murakami ist) ist ein allmählich uninteressant gewordener Schriftsteller, der aber noch in Geld schwimmt. Mit links finanziert er einen beliebig langen Hawaii-Aufenthalt des Protagonisten mit Yuki und bezahlt diesem ein Abo für drei Nächte mit einer Edel-Prostituierten, damit er nicht auf Yuki los geht.

Durch die Begegnung mit Yuki kommt er in eine gewisse Beziehung zu den Eltern, wird in die Rolle eines Mentors für die Tochter gedrängt, was er aber gar nicht will, und wegen seiner Suche nach Kiki (vgl. Wilde Schafsjagd) kommt er wieder in Kontakt mit dem ehemaligen Schulfreund Gotanda, einem bekannten Schauspieler, dem die Frauen nachlaufen und das Geld zufliegt, der aber nicht glücklich ist. Alle sind von ihm angetan, sie suchen das Gespräch mit ihm, und man spürt, wie er beim Umgang mit diesen unterschiedlichen Figuren innerlich wächst und Verantwortung übernimmt. Deswegen ist das Happy-End mit Yumiyoshi verdient.

Der Name des Buches "Tanz mit dem Schafsmann" erklärt sich daraus, dass beim Schafsmann (in der "anderen Realität"...) alle Schicksalsfäden für den Helden zusammenlaufen, und dieser Schafsmann dem Protagonisten in bester Alexis-Sorbas-Manier den Rat gibt, "Tanzen. Weitertanzen. Und nicht darüber nachdenken, warum du tanzt. Versuche nicht, einen Sinn darin zu finden. Es gibt nämlich keinen. Sobald du anfängst zu denken, versagen dir die Beine. Und dann kann ich nichts mehr für dich tun." Nun ja...

Unterm Strich ist dies ein sehr schönes und spannendes Buch, dessen etwas lahmer Anfang nicht überbewertet werden sollte.

Museumsführer "Los Ancestros de Rapa Nui"

(23.05.2024) Vollständiger Titel: "Los Ancestros de Rapa Nui. Formación y Desarrollo de una Cultura Única. La Guía del Museo Antropológico Padre Sebastián Englert". Also der Museumsführer des modernen und hochinteressanten Museums Museo Antropológico Padre Sebastián Englert (kurz: MAPSE) der Osterinsel.

Museumskatalog MAPSE

Der Museumsführer, der an der Kasse für umgerechnet etwa 10 € erworben werden kann, ist ausgesprochen informativ: Auf 92 dicht beschriebenen und illustrierten Seiten wird zweisprachig ein kompakter aber doch umfassender Überblick über Kultur und Geschichte der Osterinsel gegeben. Schön wäre es gewesen, den Führer vor dem Besuch schon gehabt zu haben, zukünftige Besucher sollten sich also den Führer kurz nach der Ankunft schon mal besorgen, ihn lesen, und dann so präpariert das Museum besuchen - man kann die Exponate dann besser verstehen und würdigen. Zwar sind die Informationstafeln im Museum auch sehr inhaltsreich, aber man geht ja nicht ins Museum, um lange Texte zu lesen.

Beispielseite aus dem MAPSE-Katalog
Eine Beispiel-Doppelseite aus dem Katalog

Ich habe den Führer lange und gründlich gelesen, mit meinem "Aku-Aku"-Buch von Thor Heyerdahl abgeglichen, sowie die einschlägigen Internetstellen offen gehabt. Das wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn der Katalog ist so informativ, so nüchtern und umfassend, dass man fast nichts anderes zur Vorbereitung braucht. Ein vorbildlicher Museumsführer!

Thor Heyerdahl - Aku-Aku

(18.05.2024) Zum zweitenmal ausgelesen. Mein Urteil fällt wie nach der ersten Lektüre aus (vgl. mein Journal von 2016): Ein tolles, anregendes Buch. Toll geschrieben, toller Inhalt. Diesmal begann ich die Lektüre auf der Reise zur Osterinsel, las natürlich während des Aufenthalts, und dann in den Wochen danach. Immer nur wenig, aber mit Genuss.

Heyerdahl, Aku-Aku
Thor Heyerdahl, "Aku-Aku".
Eines meiner Lieblingsbücher.

Die Insel hat sich seit Heyerdahls Besuch vollkommen verändert:

Moais der Osterinsel
Das dürften die bekanntesten Moais der Osterinsel sein

Unsere drei Tage auf der Insel waren voller Führungen. Ein Thema, was im Heyerdahl-Buch eine große Rolle spielt, kommt bei den Führungen aber gar nicht vor: Die Höhlen. Ich fragte explizit danach, bekam zwar versprochen, dass wir auch kurz bei einer Höhle halten würden, aber dazu kam es leider doch nicht. Den Beschreibungen bei Heyerdahl nach zu urteilen wären typische Touristen wohl auch gar nicht in der Lage, durch die engen Einstiegsöffnungen zu kommen. Den Fotos im Buch nach zu urteilen hatten damals alle Expeditionsmitglieder und natürlich auch die Bewohner der Osterinsel einen BMI, den heute nur die wenigsten haben. Auch Heyerdahl sieht auf den Fotos wie ein Handtuch aus - und hat trotzdem große Probleme beim Reinkriechen in die Öffnungen gehabt.

Osterinsel, Rano Kao
Der Krater Rano Kao auf der Osterinsel.
Schon auf Abbildungen hat er mich immer fasziniert.
Schade, dass man nicht runter darf.

Ein Dreitagesbesuch (der trotzdem teurer ist als vier Wochen Kanaren) reicht nicht! Wenn man auch auf eigene Faust sich rumtreiben will, sich vielleicht auch anhand der Beschreibungen bei Heyerdahl auf die Suche nach Höhlen machen will, dann sollte man mindestens zwei Wochen investieren. Und man sollte unbedingt versuchen, sich mit den Einheimischen zu verständigen: Unsere Führerin zum Beispiel war eine extrem kompetente Frau, die uns viele wertvolle Informationen geben konnte. Im Museum der Insel ist ihr Urururgroßvater Tepano auf einem beeindruckenden Porträtfoto von 1899 zu sehen, über und über tätowiert.

Albrecht Adam - "Aus dem Leben eines Schlachtenmalers"

(22.04.2024) Ich weiß nicht, warum ich dieses Buch gelesen habe - es fand sich jedenfalls in meiner Sammlung von Biografien, insbesondere von Künstlern des 19. Jahrhunderts, das ist immerhin ein Grund. Auch war Adam ein Zeitgenosse von Franz Pforr, dem Maler, über den ich vor fast 45 Jahren meine Magisterarbeit geschrieben habe, und kurze Zeit waren sie sich ganz nahe, der arrivierte Schlachtenmaler Adam und der Möchtegern-Schlachtenmaler Pforr. Jedenfalls habe ich das Buch angefangen und auch fertig gelesen.

Albrecht Adam, Selbstbiografie

Bereut habe ich die Lektüre nicht: Adam kann lebendig und interessant schreiben, und er war im wahrsten Sinne des Wortes oft mittendrin, in Schlachten oder in Zusammenkünften wichtiger Männer seiner Zeit. Am packendsten war die lange Schilderung von Napoleons Rußlandfeldzug, wo Adam als beauftragter Schlachtenmaler immer in unmittelbarer Nähe der Entscheider (u.a. von Napoleon) war, und wie früh sich schon abzeichnete, dass für die große Armee nichts zu gewinnen war, dass hunderttausende "to do the will of one" sterben mussten. Im Vergleich zu Adams Schilderungen von Schlachten in seiner Autobiografie sind seine gemalten Bilder regelrecht harmlos, das Grauen der Schlachten, das Leid von Menschen und Tieren (auch hunderttausende von Pferden kamen elendlich um) wird schriftlich derart drastisch geschildert, dass es mir letztlich ein Rätsel ist, wieso Adam mit so viel Begeisterung vor Ort sein will.

Sein finanzieller Erfolg speist sich zur Hauptsache aber aus der Darstellung der fast ausschließlich adligen Offiziere, also gar nicht mal aus der Darstellung der Schlachten, eher aus Porträts vor dem Hintergrund von Schlachten, womit die Dargestellten (die zahlende Kundschaft) möglichst schmeichelhaft und in perfekter Haltung auf schön gemalten Pferden den zuhause gebliebenen gezeigt werden konnten. Aus einfachen Verhältnisse stammend hat es Adam damit geschafft, eine große Familie ohne materielle Probleme zu gründen und mit historisch wichtigen Persönlichkeiten ganz selbstverständlich zu verkehren. Schon eine Leistung! In die Wikipedia hat er es auch geschafft, wenn dort auch nur von sieben Kindern gesprochen wird; laut seiner Lebensbeschreibung hatte er aber zehn Kinder. Erstaunlich, wie das seine Frau weggesteckt hat.

Auf der Webseite von Christian von Holst findet man Bildmaterial in sehr guter Qualität mit wichtigen Hintergrundinformationen.

Wer ganz tief ins Thema eindringen will: Adams Veröffentlichung "Voyage pittoresque et militaire de Willenberg en Prusse jusqu’à Moscou fait en 1812" wurde 2014 in zwei Bänden von Thomas Hemmann, Rolf Eckstein und Eckhard M. Theewen neu herausgegeben (Rezension von Markus Stein, dort auch Links auf die beiden Bände). Der Voransicht bei amazon nach zu urteilen ist die Qualität der Abbildungen und der beigefügten Texte sehr hoch, aber 100 Euro für beide Bände zusammen war mir denn doch zu teuer.

"Kafka verstehen" - Vorlesungsreihe an der Uni Heidelberg, 1. Dieter Lamping

(18.04.2024) Das Germanistische Seminar der Universität Heidelberg veranstaltet von April bis Juli 2024 eine Reihe von zwölf Vorlesungen zum großen Thema "Kafka verstehen". Bekannte und weniger bekannte Namen stellen wöchentlich einen Aspekt vor, organisiert wird die Reihe von Marcel Krings und dem rührigen Roland Reuß.

Kafka-Vortrag von Dieter Lamping

Es war seltsam, über 40 Jahre nach dem Studium mal wieder in einem Hörsaal zu sitzen, und nur im ersten Moment war es überraschend, dass es immer noch die ollen Möbel sind, die ich noch von damals kenne: Man sitzt also auf hartem Holz. Die Luft war zum Schneiden, die Ausdünstungen der etwa 140 Menschen im überfüllten Saal schon etwas belastend. Probleme mit dem Mikrophon deuteten darauf hin, dass es keine Generalprobe zur Saaltechnik gab, man musste also über eine Stunde lang die Ohren spitzen und sich stark auf das Gesprochene konzentrieren - nun, dafür war man ja auch da.

Roland Reuß führte gewohnt souverän ein, und Dieter Lamping hielt dann auf sehr sympathische Weise einen guten und informativen Vortrag über das Thema "Was bleibt von Kafka?" (Spoiler: Es bleibt, dass wir Kafka weiterhin lesen müssen). Kafka hat viele Deutungsphasen hinter sich, mal galt er als Heiliger, dann wurde er als Patient gesehen, dann als Philosoph, dann als Prophet (im Politischen und Soziologischen). Inzwischen ist er in der Populärkultur angekommen, und auch das passt. Lamping hat zur monumentalen Biographie von Dieter Stach einige Vorbehalte, zum Beispiel würde es Stach immer mal wieder an Empathie fehlen, und überhaupt würde er das "Elend" Kafkas zu arg pointieren. Man muss aber immer wieder betonen, dass Kafka auch sehr humorvoll schreibt und oft lustig zu lesen ist. Ganz generell: Die Literatur zu Kafka kann sich nicht mit der Literatur von Kafka messen, also: Originaltexte lesen!

Ich werde versuchen, möglichst viele der wöchentlichen Vorträge zu besuchen.

Christian von Holst - "Georg Dehio. Leben und Bilder" (2011)

(17.04.2024) Beim Rumstöbern auf der sehr informativen und gleichzeitig schönen Webseite von Christian von Holst zum Thema Albrecht Adam bin ich auf eine wunderschöne Präsentation (satte 78 MB!) zum Leben und zur Kunst des berühmten Kunsthistorikers Georg Dehio, dem Bruder des Urgroßvaters von Christian von Holst, gestoßen. Zum einen habe ich dabei gemerkt, dass ich in Tallin (ehemals Reval) in Estland vor dem Geburtshaus von Dehio stand, ohne es zu wissen, auch den Herrensitz und Park der Familie von Fock (Vorfahren Dehios?) östlich von Tallin gesehen habe. Aber was mich packte, waren die teilweise wunderschönen kleinen Landschafts- und Gebäudebilder von Dehio. Viele habe ich mir abgespeichert, um sie in Ruhe anzuschauen. Hier ein Beispiel.

Georg Dehio, Italienische Landschaft, 1879
Georg Dehio - "Italienische Landschaft", 1879

Auf ein seltsames Bild bin ich gestoßen, das mich von der Komposition her total an das wunderschöne Bild "Sommertag" (1881, heute Staatliche Kunstsammlungen Dresden) von Arnold Böcklin erinnerte, aber, wenn man der Jahresangabe glauben kann, erst von 1902 oder 1903 ist. Man vergleiche selbst:

Boecklin versus Dehio
Links: Arnold Böcklin, "Sommertag" (1881)
Rechts: Georg Dehio, "Rheinebene zwischen Kehl und Appenweier", 1902-1903

Andy Weir - "Der Astronaut"

(16.04.2024) In meiner Jugend habe ich eine Unmenge an Science Fiction gelesen: Perry Rhodan, Atlan, Terra, Terra Extra, Utopia, Goldmanns Weltraum Taschenbücher und so weiter, sicher deutlich über 500 Titel. Mit 17 oder 18 war dann diese Science-Fiction-Phase vorbei und ich habe nur noch vereinzelt etwas von Herbert W. Franke oder Stanislaw Lem gelesen. Nachdem ich die ausnehmend guten Besprechungen zu den Romanen von Andy Weir zur Kenntnis genommen habe, wollte ich wissen, wie sich moderne Science Fiction liest und anfühlt. Ausgewählt habe ich seinen aktuellen Roman "Der Astronaut" (2021), in der sehr gelungenen Übersetzung von Jürgen Langowski.

Andy Weir, Der Astronaut

Im Original lautet der Titel "Project Hail Mary", und dieser Titel hätte mir deutlich besser gefallen als das nichtssagende "Der Astronaut", was wie ein Platzhalter für einen noch zu findenden "richtigen" Titel klingt. Sicher ist das eine Marketingentscheidung gewesen und keine Entscheidung des Übersetzers.

In SF-Romanen ist es immer mal wieder eine Einzelperson, die die Erde, das Sonnensystem oder meinetwegen die ganze Milchstraße rettet - Western-Romane oder Krimis sind da deutlich bescheidener, solche Helden gibt's da nicht. Der Held in "Der Astronaut", nämlich Ryland Grace, rettet die bewohnten Planeten in zwei Sonnensystemen. Natürlich sind nicht die Planeten als solche, sondern "nur" jegliches Leben auf diesen Planeten gemeint. Aber immerhin: Ein typischer SF-Held vor einer typischen SF-Aufgabe. Was aber Weir aus diesem Setting macht, ist große Klasse, ich bin vor lauter Spannung und aus lauter Neugier kaum von der Lektüre losgekommen. Klar ist natürlich auch, dass diese Spannungserzeugung auch zum Genre Unterhaltungsliteratur gehört: Problem, Lösung, neues Problem, neue Lösung usw usf.

Gefallen hat mir, dass Weir sehr aufwändig sich bemüht hat, all das Phantastische im Roman so wissenschaftlich zu unterfüttern, dass es immerhin denkbar ist, was da so alles abläuft. Auch wenn sich etwas viele Zufälle zusammenfinden, zum Beispiel, dass der Held mit einem Vertreter einer außerirdischen Existenz zusammentrifft und zusammenarbeitet, dessen Heimatplanet gleichzeitig vor dem gleichen Problem steht wie die Erde. Und auch dieser steht allein und muss seinen Heimatplaneten allein retten, hätte es aber ohne die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit Ryland Grace nicht geschafft. Aber alles geht gut aus, natürlich mit vielen überraschenden Wendungen.

Ich werde sicherlich auch die anderen beiden Romane von Andy Weir lesen.


Journal 2024, 2023, 2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 2002

Home, Journal, Kunst, Literatur, Musik, Astronomie, Pforr-Material, Links
Erstellt von: Béla Hassforther