Home, what's new, Kunst, Pforr-Material, Literatur, Musik, Astronomie

Zum Lektüre-Tagebuch 2006

Lektüre- und Kultur-Tagebuch 2005

31.12.2005
Die AAVSO stellt ihr AAVSO-Journal online, gelesen habe ich aus der aktuellen Ausgabe Vol 33 No. 1 mehrere Artikel, die allerdings inhaltlich fast alle etwas schmalbrüstig ausfielen.

30.12.2005
Ambroise Thomas: "Mignon". Wiederaufnahme der Neuinszenierung dieser Oper in Heidelberg, in französischer Sprache mit deutschen Dialogen und Übertiteln. Regie: Wolfram Mehring, Ausstattung: Wolf Münzer, Musikalische Leitung: Michael Klubertanz.

Sehr wenig hatte die Aufführung mit meinem Bild von Mignon und Wilhelm Meister zu tun, welches ich mir aus der Lektüre von "Wilhelm Meisters Theatralische Sendung" (einem meiner Lieblingsbücher) und "Wilhelm Meisters Lehrjahre" zusammenphantasiert hatte: Mignon dachte ich mir - wie von Goethe beschrieben - als 12- bis 13-jähriges Mädchen in Knabenkleidern ("kurzes Westchen mit geschlitzten spanischen Ärmeln und weiten Beinkleidern") und langen, schwarzen Haaren, die in Locken und Zöpfen um den Kopf gewunden sind. Die Mignon-Darstellerin Kirsten Obelgönner hat dagegen sehr kurze dunkelblonde Haare und sieht - ohne ihr nahe treten zu wollen - manchmal wie eine Lehrerin oder Referendarin in einem langweiligen Fach aus - keine Spur eines Geheimnisses, welches von Goethe immer wieder mit Mignon assoziiert wird. Auch war ihre Kleidung zu schmuddelig: Im Text wird betont, dass Mignon sich oft wäscht und sehr reinlich gekleidet ist, obwohl "fast alles doppelt und dreifach an ihr geflickt war".

Die Liebe Mignons zu Wilhelm Meister wird in der Oper (oder der Inszenierung?) verwandelt in die Liebe einer erwachsenen Frau zu einem erwachsenen Mann (der eine andere liebt), das ganze unbestimmte / geheimnisvolle / ambivalente / androgyne von Mignon (Wilhelm Meister konnte sich im Original zunächst nicht klarwerden, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist) und damit auch das ganze unbestimmte der Gefühle, die Wilhelm Meister zu Mignon zieht (Vater-Tochter, Herr-Dienerin, Mann-Frau), ist damit einer platten Eifersuchtskiste gewichen. Eine wunderbare Einführung in die Bedeutung Mignons gibt Stefanie Bach ("Musical gypsies and anti-classical aesthetics: The Romantic reception of Goethe's Mignon character in Brentano's 'Die Mehreren Wehmüller und Ungarische Nationalgesichter'"), mickrig ist dagegen der Wikipedia-Artikel

Eine lächerliche Nummer spielt der Wilhelm Meister: Was er in der Oper eigentlich "ist", wird nicht klar, seine einzige Aufgabe scheint es zu sein, mit Körperstellungen aus der (Opern-)Mottenkiste die Schauspielerin Philine anzuschmachten und letztlich Schuld daran zu sein, dass Mignon stirbt, weil er nicht mit ihr "geht". Eine Ähnlichkeit zu der ernsten, teils naiven, teils mutigen, teils revolutionären Figur bei Goethe besteht nicht. Grandios natürlich sein in Italien dahingeworfener kurzer Satz, dass er morgen für Mignon und sich ein Schloß kauft - einfach mal so...

Letztlich ist in dieser Operninszenierung die ganze Konstruktion der Herkunft Mignons fast unnötig, zu unmotiviert: Den tiefen und lauten Brummbass von Lothario (Wilfried Staber) wünscht man sich deswegen manchmal weit weg. Warum Friedrich (der auch hinter Philine her ist) von einer auf Jüngling getrimmtem Frau (Jana Krauße) gespielt werden mußte, mag ein Geheimnis der Regie bleiben.

Auf der Homepage des Heidelberger Theaters klingt das natürlich alles etwas anders: "Ambroise Thomas' 1866 in Paris uraufgeführte Opéra comique MIGNON ist ein Stück der Sehnsüchte, zum einen nach einem utopischen Ort allumfassender Harmonie, zum andern der Sehnsucht nach romantisch anmutenden Identitäten: Das Mädchen Mignon sehnt sich nach der großen Liebe in einem traumvisionären Italien; die Schauspielerin Philine hingegen sucht als Elfenkönigin Titania Vergessen in rauschhaften Liebesgelagen. Die Sehnsucht Mignons nach Transzendenz kleidet Thomas in lyrisch blühende Melodien, während er Titanias eher komödiantisches Rollenspiel mit brillanten Koloraturen charakterisiert. Und zwischen beiden Frauen steht der junge Wilhelm Meister, der sich anfangs nur zu gerne von Philines Sinnlichkeit verführen lässt..."

29.12.2005
Heidelberger Weihnachtscircus - jedes Jahr ein Genuss. Höhepunkt das Akrobatenpaar Camilla Tessi und Simone Fassari.

Dezember 2005
Fortsetzung der Lektüre von Kafka, Briefe Band 3. Wichtige Themen:

28.12.2005
Die zwei langen Textauszüge der neuen Kafka-Biographie von Peter-André Alt gelesen, die auf der Homepage des Beck-Verlages zur Verfügung gestellt werden: Das Vorwort und der Beginn des achten Kapitels "Eine Schrift-Geliebte: Felice Bauer (1912-1913)". Die Texte haben mich stark beeindruckt. Nicht so geschwätzig wie Stach, komprimierter, mit durchaus eigenständigen Beobachtungen und Wertungen. Das Buch werde ich mir besorgen.

Eine Menge weiterer Buchbesprechungen gelesen.

Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" (Fernsehen).
Ich habe mich zunächst nur unter (innerlichen) Protest vor die Röhre gesetzt, denn seit Jahrzehnten lehne ich das Fernsehen ab, wurde dann aber doch schnell versöhnt, denn der Film ist gut (und lustig). Eine ganz neue Erfahrung waren für mich die langen Werbeblöcke mitten im Film - furchtbar!
Der TV-Wetteransager Phil Connors (Bill Murray), ein zynischer Kotzbrocken, muß jedes Jahr im Winter in das Provinzkaff Punxutawney fahren, um dort vom "Groundhog Day", dem Murmeltiertag, zu berichten. Das erledigt er auch dieses Jahr gewohnt kühl und schnoddrig. Als er am Tag danach erwacht, beginnt der 2.Februar (Groundhog Day) einfach von neuen. Aber er hat die Chance, vom Zyniker zum Menschenfreund zu werden, indem er sich immer mehr in die Personen des Ortes hineinfühlt, mit denen er eine unbestimmte Zahl von Wiederholungen - wohl meherer hundert - zusammen durchlebt, in immer unterschiedlichen Situationen, in denen er wie unter Laborbedingungen mit der Reaktion der anderen (und zwar oft derselben Person) auf sein Verhalten konfrontiert wird und daran allmählich reift. Und en passent lernt er Klavierspielen und studiert die französische Literatur. Und natürlich gibt es ein Happyend, indem die Filmproduzentin Rita (Andie MacDowell), die ihm anfangs als Widerling erfuhr und ihm anfangs mit Begeisterung eine von ihm gewünschte Ohrfeige gab, von seiner wachsenden menschlichen Reife überrascht ist und sie sich ineinander verlieben. USA 1993, Regisseur: Harold Ramis, Buch: Danny Rubin, Harold Ramis

20.-27.12. 2005
Immer mal wieder Skyweek gelesen (mein Abonnement läuft seit 1987), und zwar die Nummern 8-17/2005. Interessante Schwerpunkte:

Eine etwas gekürzte online-Fassung von Skyweek gibt es auch: http://www.astro.uni-bonn.de/~dfischer/news/

06.12.2005
Markus Orths: Der Wal im Stichkanal. Einblicke in die Karlsruher Rheinhäfen, in: Allmende No 74, S. 45-59
Die lesenswerte Erzählung zeigt, dass selbst die Binnenschifffahrt ihre spannenden Seiten hat und reichlich Originale zu finden sind. Stilistisch hat Markus Orths mehrere Erzählstränge zum Thema miteinander verzahnt, und durch diese nichtlineare Beschreibung aus einer eher simplen Binnenhafenrundfahrt samt einigen Gesprächsberichten etwas spannendes gestaltet. Rührend, dass selbst die Rettung einer Meise eine Gruppe von hartgesottenen Typen beschäftigen kann.
Die Karlsruher Rheinhäfen haben eine eigene Zeitschrift, die eine erweiterte Fassung des Allmende-Textes in vier Folgen abgedruckt hat. Hier der letzte Teil: http://www.rheinhafen.de/pdf/2005-02.pdf.

26./27.11.2005 (Bd. 1) und 03./04.12.2005 (Bd. 2) Jules Verne - Reisen unter dem Meer.
Band 1: Die Entstehung von 20000 Meilen unter dem Meer.
Band 2: Die geheimnisvolle Insel.
Szenario: Francois Rivière, Zeichnung: Serge Micheli, Farben: Sébastien Ferran.
Die erste und zweite Lektüre ließ mich etwas ratlos zurück - die Geschichte erschließt sich nicht leicht. Wer ehrlich ist könnte auch sagen: Die Geschichte erschließt sich nicht. Die Rahmenhandlung setzt den zweiten Band voraus, aber auch dieser bringt selbst nach ebenfalls zweimaliger Lektüre nicht den wahren Durchblick. Jenseits von Gemeinplätzen (der Comic beschreibt die Entstehung von Jules Vernes berühmtesten Roman als Ergebnis von Träumen, Alltagsbegegnungen und so weiter) finde ich keinen Zugang. Das kommt selten so deutlich vor. Wer ist diese Prinzessin Mikah? In Biographien zu Verne finde ich sie nicht. Auch nicht Lafargue, Wragg und andere Protagonisten. Offenbar geht der Comic also über das rein Biographische hinaus. Da er wiederum aber biographische Kenntnisse voraussetzt, die Grenze zwischen Realität und Fiktion also weich zieht, hat man als nur oberflächlicher Kenner der Biographie Vernes verloren. Möglich, dass es einige Leser gibt, die die Anspielungen (wenn es welche gibt) entschlüsseln können - ich kann es nicht. Da das auch so ziemlich die vorherrschende Meinung im Web ist, scheint das Problem aber beim Comic und nicht an den Rezipienten zu liegen. Beruhigend.
Die Zeichnungen werden vom Verlag und von einigen Web-Nachplapperern als "barock" bezeichnet, das sind sie allerdings keineswegs, sondern sind im besten Fall expressionistisch. Unterm Strich ist die graphische Qualität der anprechend gestalteten Bände hoch und tröstet etwas über die wirre Story und den Anschaffungspreis von 2 x 16 Euro hinweg.

28.11.2005
Die neuen Texte auf der Webseite von Hans-F. Tölke komplett gelesen (vgl. meine Lektüretagebuch von 2002: die dort gelobten und in den Folgejahren von Tölke noch erweiterten Texte sind inzwischen (gottlob) in Druck und sollten Ende 2005 oder Anfang 2006 endlich auf den Markt kommen). Tölke hat weitergemacht, und immer noch beschäftigen sich seine auf höchsten (Humor-)Niveau angesiedelten Texte mit Arno Schmidt: vorwiegend mit dessen "Schule der Atheisten", mit Zahlengeheimnissen und Dominosteinen. Man muß kein Arno-Schmidt-Fan sein, um zumindest die launigen Außenrumtexte Tölkes mit Hochgenuß genießen zu können (super zum Beispiel der Bericht von einer Beerdigung in Rotenburg). Ich bin nach der Lektüre der neuen Texte jedenfalls sehr gespannt auf das bald erscheinende Buch.

24./25.11.2005
Nehberg "Rüdiger Nehberg" von H.D. Schütt - Berlin 1994, Elefantenpress, Reihe "Querköpfe".
Das Buch fasst zwei längere Interviews (durch H.D. Schütt), Nehberg-Sprüche von A bis Z, Auszüge aus Originalbüchern Nehbergs und eine kleine etwas oberflächliche Einleitung zusammen. Die Fragen von Schütt hätte man sich allerdings mit mehr Biss gewünscht. Nehberg hat nicht das bemüht bzw gewollt Denkerische/Philosophische von Reinhold Messner, aber eben - mit der Yanomami-Indianer-Kiste - auch seinen speziellen Tick. Ohne moralisches Mäntelchen scheint es uns Mitteleuropäern schwer zu fallen, Reisen zu machen, die man gemeinhin "Abenteuer-Reisen" nennt, weil sie etwas riskanter sind als ein Badeurlaub an der Ostsee. Da lobe ich mir Corto Maltese. Dennoch: Ich habe schon einige Bücher von Nehberg gelesen und finde ihn gut. Ein Mensch, der es packt, aus seinem Alltagstrott auszubrechen und in seiner neuen Rolle weltbekannt zu werden: der HAT etwas zu sagen. Und wenn es nur die Resultate einer guten Beobachtungsgabe sind.

Kommentierte Zitate aus dem Buch:

19.11.2005
blacksad "Blacksad. Irgendwo zwischen den Schatten", von Juan Díaz Canales (Szenario) und Juanjo Guarnido (Zeichnung und Farben).
Dieser Comic besticht auf den ersten Blick durch seine graphische Gestaltung. Als er 2001 erschien (nach einer Produktionszeit von angeblich sechs Jahren), machte er in kürzester Zeit Furore und wurde ob seiner formalen Qualitäten zum Comic des Jahres 2001 gewählt. Ausnahmslos alle Kritiker zeigten sich von der Graphik beeindruckt, und die ist wirklich vom Feinsten: den Band MUSS man gesehen haben. Bemängelt wurde aber verschiedentlich (und besonders von Stefan Dinter) die zugrundeliegende Story. Diese Kritik kann ich nicht ganz nachvollziehen: Eine verzwickte Detektivgeschichte kann in einem so textarmen Medium wie dem Comic nicht adäquat transportiert werden, und spannend ist deswegen nicht die Erfüllung der "Regeln einer Detektivstory", sondern die "graphische Selbstreferentialität" bzw die Binnenzitate - um's mal so zu nennen: Wo spielt eine Darstellung auf eine andere Darstellung an, wo weichen in Darstellungen gleicher Personen oder Handlungsorte Details voneinander ab und unterstützen damit die Charakterisierung des bzw der Dargestellten? Beispiel: Als Natalia Wilford erschossen wird, ist sie bekleidet; ihre Leiche wird aber mit entblößten Brüsten gefunden - ergo hat der Täter es sich nicht nehmen lassen, an der Brust der Leiche rumzumachen und ist damit einmal mehr charakterisiert. Solche Details erschließen sich allerdings erst nach wiederholter Lektüre und häufigen Vergleichen.

In seiner umfangreichen Besprechung und Kritik (die sich NUR an dem Szenario stört: seiner Einschätzung der Graphik ist nichts hinzuzufügen: "Die Zeichnungen sind brillant und bestechend, in exakt zwischen Detailverliebtheit und lockerer Abstraktion ausbalancierten Aquarellmalereien, deren aussergewöhnliche Lichtgestaltung nicht genug hervorgehoben werden kann.") wirft Stefan Dinter der Story vor, nicht die Regeln einer Detektivstory zu beherzigen. Dagegen könnte man einwenden,

15.11.2005
Bei der fortgesetzten Lektüre der Kafka-Briefe (vgl. Eintrag beim 05.11.2005) stößt man immer wieder auf Texte, die man - aus unterschiedlichen Gründen - mehrfach liest. Am 18.7.1916 - Kafka ist in Marienbad - beschreibt er in einen Brief an Max Brod den Aufenthalt des Belzer Rabbi in Marienbad. Obwohl Kafka anmerkt:
ist sein Text weit davon entfernt, nur beschreibend zu sein: Die liebevolle Ironie zwischen den Zeilen, der Humor, die Spitzen - alles ist nur sparsam angedeutet. Und dennoch spricht hier eindeutig ein Subjekt über ein anderes Subjekt. Man kann bis ins Einzelne beschreiben, auch mit der Absicht, objektiv zu sein. Aber keine Beschreibung kann vollständig sein, immer ist eine Beschreibung auch ein Auswählen. Und Kafka wählt sehr bewußt und gezielt aus... Die online-Version dieses lesenswerten Briefes enthält einige (Scan-)Fehler, aber keine wesentlichen.

November 2005
Urban-Survival-Guide: Elbe-Hochwasser und News-Orleans-Überschwemmung, plötzliche Massenevakuierungen oder -fluchten, Schneechaos, mehrtägige Stromausfälle - nicht nur in der Wildnis wird Survival zur aktuellen Realität, auch der Stadtbewohner kann von jetzt auf nachher mit Survival-Situationen konfrontiert sein und plötzlich ohne Strom, Essen, Wasser, Wohnung, Geld usw dastehen. Es ist im ureigensten Interesse, darauf vorbereitet zu sein.
Eine umfangreiche und anregende erste Einführung findet man von George A. Ure. Auch wenn es sich um ein WORD-Dokument handelt (was man nicht so gerne lädt) - die Lektüre lohnt sich. Zum Thema Überleben in der Zivilisation habe ich im Lauf des Oktober und November sicherlich einige Dutzend Webseiten geprüft.

Zitat von George A. Ure: "UrbanSurvival is about a sufficiency-oriented lifestyle. If you check out our lifestyle companion site, we're about learning to enjoy what we have, rather than spend a lot of time lusting after imagery promoted by mainstream media. In short, it's about running your own game. And what is your own game? As I've tried to articulate before, it's about spending your waking moments actively building your net asset value as a human. On the physical side, this means work hard, save money, and turn your head around so that your hobbies become sources of independence or make an economic contribution to your well-being. Taking up gardening, and then growing some of your own food, for example, makes sense."

12.11.2005
Horus: "Schiller" - Eine Comic-Novelle. Ehapa Comic Collection, 2005.
Handelt ein Comic vom einem deutschen Klassiker und wird von illustren Institutionen wie dem Deutschen Literaturarchiv Marbach unterstützt und von der Kulturstiftung des Bundes gefördert, dann ist die Besprechung in deutschen Feuilletons garantiert. Herausgekommen ist ein mittelmäßiger Comic und ein Armutszeugnis des deutschen Feuilletons: Comics überfordern ganz klar den durchschnittlichen Zeitungs-Lohnschreiber.

Zunächst zum Comic...
Der Ehapa-Verlag hatte vor sechs Jahren schon einmal einen deutschen Klassiker im Medium des Comic vorgestellt: Goethe (zum 250. Geburtstag), damals in Kooperation mit dem Goethe-Institut. Das Ergebnis war durchwachsen: Der erste Band der zweibändigen Edition war in einem Kinderbuch-Illustrationsstil (Zeichner: Christoph Kirsch) gehalten, der das ganze Thema Goethe verniedlichte. Der zweite Band war dagegen gut gezeichnet (von Thomas von Kummant) und koloriert (von Benjamin von Eckartsberg) und brachte auch inhaltlich abgründiges angemessen zur Darstellung.
Zum 200. Todestag Schillers entschloß sich der Ehapa-Verlag, an den Erfolg des Goethe-Comic anzuknüpfen. Da die Planung offenbar etwas kurzfristig war, wurde nur ein Band konzipiert. Eine vollständige Schiller-Biographie auf 56 Seiten abzuhandeln verbot sich allerdings von selbst, so konstruierte der Zeichner Horus (Wolfgang Odenthal) um eine Schlüsselszene der Schillerschen Biografie herum mit vielen - teils geschachtelten - Rückblenden einen an sich gelungenen Plot, der auch beim zweiten Lesen noch gefallen kann (eindimensionalen Lesern aber wohl eher langweilig vorkommen mag).
Der inhaltlichen Stärke entspricht aber keinesfalls die graphische Umsetzung: Die Zeichnung ist hözern, die Gesichter der Personen ein Graus, die Kolorierung (von Martin Schlierkamp) furchtbar. Entweder war die Zeit zu knapp ("Seit Juni sitzt Horus nun mit gespitzter Feder und einem Fässchen Tusche Tag für Tag von morgens bis abends an seinem Schreibtisch, um den zeichnerischen Großauftrag wie vorgesehen bis Februar 2005 zu erledigen" weiß Eckhard Hoog zu berichten) oder die Motivation war im Keller.
Zu kritisieren ist auch die Unmenge von Text, die Horus aufbietet. Es ist ein Vorurteil, dass man innere Monologe, Ängste, Zerrissenheit usw NICHT mit graphischen Mitteln darstellen kann - Hugo Pratt hat dies meisterhaft vorgeführt und kommt oft seitenlang ohne jeglichen Text aus. Auch sei ein Seitenblick auf die Dramentheorie empfohlen: Richtige Schauspiele müssen alles aus der Handlung entwickeln, nicht nur aus stundenlangen Monologen und Erklärungen. Und graphische Novellen sollten Mut beweisen, mit IHREM Instrumentarium auszukommen.
Lesenswert ist das Nachwort zur Selbstidealisierung Schillers von Jan Bürger, Frank Druffner und Martin Schalhorn. Schiller wird als einer der ersten bezeichnet, "denen bewußt wurde, das eine literarische Karriere nicht allein durch das Werk bestimmt wird, sondern in erheblichen Maße auch durch das Bild des Schriftstellers in der Öffentlichkeit. Dieser Erkenntnis trug er Rechnung. Er verfolgte eine Strategie der Selbstinszenierung, die so perfekt aufging, dass schließlich sogar die Bildnisse Schillers auf dem Totenbett Kultstatus gewannen."

...und dann zu den Rezensenten.
Kann man im Jahr 2005 wirklich so etwas schreiben: "Vorweg könnte man durchaus räsonieren, ob es überhaupt gestattet sei, einen Würdenträger deutscher Hochkultur in dürren Strichen zu zeichnen, wie es im Metier der Bildergeschichten gang und gäbe ist." (Thomas Schneider in der Stuttgarter Zeitung) Achtung: Das war durchaus nicht als Ironie gemeint. Welche Bildergeschichten kennt denn dieser Herr, dass er so platt von "dürren Strichen" als den Bildergeschichten immanent faseln kann? Kennt er Pratt, Tardi, Manara, Möbius?
Dass sich manche Rezensenten mangels Kriterien im Umgang mit graphischen Novellen daran aufgeilen, dass der Zeichner "recherchiert" hat (ist das nicht eine Selbstverständlichkeit?) und beispielsweise alle Stadtansichten anhand zeitgenössischer Abbildungen gezeichnet wurden ("Noch für den kleinsten Winkel einer Stadtansicht hat Horus nach zeitgenössischen Quellen gesucht"(Andreas Platthaus in der FAZ) - wow!) ist schon richtiggehend rührend. Dass sich die meisten Rezensenten daran erfreuen, dass Horus ein ungeschöntes, nicht idealisiertes Gesicht von Schiller gezeichnet hat, verkennt, dass auch dies nur eine (andere Art von) Idealisierung ist: Man kann nicht in einem Atemzug behaupten, dass man keine richtige Kenntnis von Schillers Zügen hat und im nächsten behaupten, dass Horus' Lösung besser ist wie die anderen. Und ob es wirklich so toll ist, immer diese Flecken in Schillers sowieso schon unschön gezeichneten Gesicht zu sehen, ohne dass ein mit Schiller unvertrauter Leser nun wissen könnte, was damit gemeint ist, kann ich jedenfalls nicht sagen. Dass ganze Thema "historische Korrektheit" erinnert mich an den Anfang des Deutsch-Rocks, als manche Gruppen (an "Ihre Kinder" kann ich mich erinnern) gelobt wurden, weil sie sprachlich korrektes Englisch sangen - als ob das den Rock ausmacht. Als ob historische Korrektheit in den Stadtansichten und Uniformen einen guten Schiller-Comic ausmacht...
Und klingt folgende Formulierung aus dem Bericht von einem Atelierbesuch bei Horus wirklich nach intimer Schillerkennerschaft? "Über Schiller hat er wochenlang alles gelesen, was ihm in die Finger fiel, und Horus ist seither fasziniert von dieser Persönlichkeit."(nochmal Eckhard Hoog). Aha. Was fällt einem denn einfach so in die Finger? Und wieviel ist "alles"? Besteht "recherchieren" nicht etwa aus gezielter Lektüre grundlegender und vertrauenswürdiger Informationsquellen statt aus ziellosem Herumschmökern? Aber immerhin, Horus hat Schiller gelesen, und nun heißt es unisono: "ein Kenner von Schillers Werken" - und so schreiben es viele der Einfachheit halber voneinander ab.
Ärgerlich wird es, wenn das Gedächtnis mancher Kritiker nicht einmal so weit reicht, den sechs Jahre älteren Goethe-Comic als Vorläufer zu erkennen und beim Schiller-Comic wiederum von "unkonventionellem Zugang" und "Schillerbiografie der besonderen Art" zu sprechen.
Am ärgerlichsten finde ich solch krampfhaft witzig gemeinte aber einfach nur dumme und falsche Formulierungen wie "Marbacher Manga" - -was für ein Quatsch, o nein, o nein! Es läßt sich kinderleicht recherchieren, was ein "Manga" ist. Hat man diese Hausaufabe erledigt, darf man nochmal einen Blick in Horus' Comic werfen und diesen Stuss verschämt löschen.

11.11.2005
Das Beiheft zu "Fauser O-Ton" ist umfangreich und enthält einige interessante autobiographische Aussagen von Jörg Fauser. Abgetippt und als eigene Datei abgespeichert.

06./07.11.2005
Für einen Aufsatz über den Symbiotischen Veränderlichen BX Mon, den ich für das Magazin "Interstellarum" schreibe, die einschlägige Literatur gesichtet. Hier meine modifizierte online-Fassung des Beitrags.

06.11.2005
William Shakespeare - Der Sturm, Schauspiel im Heidelberger Theater. Ich habe im Vorfeld einige Kritik gehört, aber gefallen hat mir die Inszenierung durch den 25-jährigen Regisseur Ole Georg Graf doch. Vor der Vorstellung gab es eine interessante und lebendig gegebene Einführung durch die Dramaturgin Johanna Wall. Das Bühnenbild blieb die ganze Aufführung über gleich: eine wüstenhafte wellige Landschaft - fast hat sie mich an Aufnahmen der Marsrover von der Oberfläche des Mars erinnert. Die Figuren sind sehr zwiespältig - kein Held, keine Figur, die ohne Tadel wäre, auch Prospero durchaus ambivalent. Johanna Wall betonte in ihrer Einführung den Märchencharakter des Stücks, aber ein glückliches Märchen ist es nicht. Graf: "...jede Figur im Stück vertritt ihre eigene "Politik", in der sie aber ausschließlich die eigenen Interessen formuliert. Und jede Figur im Stück rechtfertigt "ihre Politik" in einer Weise, die die der anderen kritisiert." Der Ureinwohner der öden Insel, Caliban, wird von allen Personen des Stücks mehr oder weniger brutal malträtiert. Eine interessante Darbietung: Das Heidelberger Theater macht Freude.

Sturm

Linke Abbildung: Prospero in seinem Zaubermantel - keine Heldenpose... Rechte Abbildung: Im Zentrum der gar nicht so "luftgeistige" Ariel (allerdings ein quicklebendiges Dickerchen), links von ihm im Vordergrund Caliban, dahinter die Hofgesellschaft und Prospero, ganz rechts der größenwahnsinnige Maat Stephano.

05.11.2005
Fast den ganzen Tag Kafka-Briefe (vgl. 26.10.05) weitergelesen - hat gut getan. Packend vor allem der Brief Nr. 783 (an Felice, 1/2.11.1914, hier eine online-Version) mit der Rechtfertigung seines Verhaltens, welches zum Bruch der Verlobung führte, und der Darstellung seines Zwiespalts zwischen "Leben" und "Werk" - und er fühlt sich seinem Werk verpflichtet.

04.11.2005
Wenn ein Schriftsteller im Gefängnis landet, überdies in einem amerikanischen, dann kann er was erzählen. Charles Shaw wurde wegen Drogenbesitz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, nach zehn Wochen aber wegen Überfüllung des Gefängnisses wieder freigelassen. Seine Beobachtungen in "A Less fashionable War" zum Rassismus und zur Rolle der Drogenkriminalisierung (Drogenkriminalität sollte man lieber nicht sagen) in den USA sind deprimierend. "A Less Fashionable War" nennt er den "Drug War", weil er im Gegensatz zu medienkonformen Märschen gegen den Irak-Krieg eher versteckt stattfindet - und die meisten Opfer (staatlicher Willkürpolitik und -justiz) Schwarze sind: "One in every 20 black men over the age of 18 is in prison compared to 1 in 180 White men". Von 600000 im Jahr 2005 freigelassenen Gefangenen (eine kaum glaubliche Zahl) werden innerhalb 3 Jahren zwei Drittel wieder inhaftiert, oft ohne Vorliegen einer Straftat. Und selbstverständlich fehlen in den USA jegliche Wiedereingliederungsmaßnahmen. Letztlich ist das amerikanische Justiz- und Strafsystem schon längst ein zur Hauptsache sich selbst am Laufen haltendes Unternehmen, und die Drogenpolitik (oft von whiskytrinkenden Zigarettenrauchern brutal vertreten) ist das Öl in dieser Maschine. Das Resumeé von Shaw: "We cannot address poverty and race in America nor can we talk about needless death and expense without addressing the Drug War."

03.11.2005
Ein schöner Beitrag von Dave Pollard definiert "needs, wants und nice to haves" und beschreibt das Ziel der Marketing-Industrie, mit materiellen (sprich käuflichen) "wants" und "nice to haves" die oft immateriellen (also nicht-käuflichen) und selbst (oder gerade) in der modernen Welt nicht erfüllten "needs" zu befriedigen. Suchterzeugung ist ein probates und erstrebtes Mittel, "wants" zu "needs" zu konvertieren. Dass die Angebote der Marketing-Industrie von den richtigen Lösungen ablenken liegt auf der Hand.
Kurz zu seinen Definitionen:
Ein erster Lösungsansatz wäre, den TV- und Internet-Konsum zu reduzieren, die natürliche Welt wieder mehr zur Kenntnis zu nehmen, herauszubekommen, was die Menschen (Freunde, Nachbarn, Kollegen) denken, brauchen und wünschen. Und das in Gesprächen und in Interviews, mit Zuhören und Aufmerksamkeit, und weniger mit Suchmaschinen und Internet-Surfen.
Dave Pollard investiert täglich fünf Stunden in sein blog, entsprechend umfangreich und gehaltvoll sind seine Beiträge. Man kann nicht alles lesen, aber ich habe seine Kurz-Essays seit etwa einem Dreivierteljahr oft mit viel Gewinn gelesen.

Christian Caryl hat in der New York Review of Books, Volume 52, Number 14 eine ausführliche Besprechung mehrerer neuer Veröffentlichungen zum Thema "Selbstmordattentäter" vorgelegt. Das Thema ist ungemein aktuell, und nach den Londoner Anschlägen für jeden Großstadtreisenden von Interesse. Caryl wägt die verschiedenen Erklärungsversuche und die Vorschläge zur Bekämpfung sorgfältig untereinander ab, und sowohl die Erklärungsversuche wie auch die Möglichkeiten, die Attentate zu verhindern sind weit davon entfernt, bequeme Lösungen zu bieten. Weder handelt es sich um "islamische Fanatiker", noch um "Einzeltäter", auch nicht um Kriminelle, und schwuppdiwupp müssen wir uns plötzlich an die eigene Nase fassen. Politische Pflichtlektüre!

28.10.2005 und 01.11.2005
Jörg Fauser O-Ton Ende der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre habe ich viel Jörg Fauser gelesen: Alle Romane, viele Essays und Kolumnen, einige Gedichte. Seine Themen (Künstlerproblematik; der Einzelne mit und gegen die Gesellschaft; Außenseiter, Süchtige und Trinker), sein Stil (ein scharfer und gleichzeitig schnoddriger Ton, der oft sehr nahe an der Reportage ist, weswegen es nicht verwundert, dass Fauser für so Kultmagazine wie TransAtlantik und Twen schrieb), seine Lebenseinstellung (Unabhängigkeit, Hang zur Anarchie bei gleichzeitig hoher Arbeitsmoral, Ablehnung von Hippies), seine Lektürevorlieben (die von Brinkmann bis zu Céline gehen) - das alles (AUSSER der Trinker und Süchtigen-Chose) hat mich stark angesprochen. Seit einigen Wochen wartet im Buchregal die erste Biographie Fausers auf die Lektüre, zur Einstimmung schien mir die Doppel-CD "Fauser O-Ton" zur sinnvollen Zeitnutzung bei einer Paris-Reise mit dem Zug also sehr geeignet. Der Eindruck ist gespalten. Fast alle Texte werden von Fauser selbst gelesen, das ist ja OK, und immerhin ist es O-Ton. Allerdings ist Fauser eben kein professioneller Sprecher, weswegen alles etwas monoton (fast ermüdend) klingt. Dazu kommt, dass alles (Romanauszüge, Briefzitate, Gedichte, Kolumnen) sehr ähnlich klingt. Stände nicht im CD-Inhaltsverzeichnis dabei, welche Texte ein Gedicht sind und welche eine Kolumne - man könnte sie nicht auseinanderhalten. Das spricht FÜR die Prosatexte, aber GEGEN die Gedichte, die offenbar nur im Druckbild als solche zu erkennen sind: Die Zeilen gehen eben nicht bis zum Ende des Satzspiegels. Das müssen sie natürlich nicht, aber wer heute noch Gedichte schreibt, der steht in einer langen Tradition auch reimloser Gedichte, und sollte sich mit einer eigenen Poetologie hier einen Standpunkt aufbauen und sich gegen Kritik wappnen. Die Auswahl der Texte (gab es eine Auswahl oder sind es einfach alle erhaltenen Lesungen?) leidet darunter, das viel zu viel von Trinkern und Süchtigen die Rede ist, und ich es eben absolut nicht verstehen kann, wenn jemand schon morgens seinen Alkohol meint zu brauchen und ständig gepafft wird. Es sind IMMER noch viele sehr gute Stellen im Text zu finden, sehr viele tolle Bilder ("galizische Krähen" - toll). Aber beim Anhören kann man längliche Saufpassagen eben nicht mit Flottlesen neutralisieren sondern muß der Zeitvorgabe der Lesung folgen - und das fällt manchmal schwer. Schade.

26.10.2005
Kommentierte Ausgabe der Briefe von Franz Kafka, Band 3: Briefe 1914-1917 - endlich fertig und lieferbar. Seit letztem Jahr angekündigt zog sich die Auslieferung bis in den Herbst 2005 hin. Rund 400 Seiten Briefe, über 400 Seiten Kommentar - wahrlich eine "Kommentierte Ausgabe". Ich habe das Buch seit Mitte Oktober und seitdem an fast jedem Abend darin gelesen. Bisher steht ganz eindeutig das Verhältnis von Kafka zu Felice und zu Grete Bloch im Vordergrund.

23.10.2005
Die Reise der Pinguine ("La Marche De L'Empereur", USA/Frankreich 2005, Regie: Luc Jacquet).
Ein betörend schöner und eindrucksvoller Film. "Nur" ein Naturfilm, aber da von drei Sprechern aus der Pinguin-Perspektive erzählt wird, ausreichend "menschelnd".
Ende März - es wird Herbst in der Antarktis - machen sich die Kaiserpinguine von ihren Lebensräumen am Meer in langen Karawanen zu einem geschützten Liebes- und Brutplatz auf, treffen nach vielen Tagen nahezu zeitgleich dort ein, und beginnen nach einer Werbephase ihr Liebespiel.
Wenn das Weibchen etwa Ende Mai ihr Ei gelegt hat, wird es sorgfältig dem Männchen auf die Füße unter das Gefieder plaziert, denn das Ei ist empfindlich und darf nur einige Sekunden dem furchtbar kalten Boden ausgesetzt sein. Danach wandern die Weibchen zurück ans Meer, um sich sozusagen den Wanst vollzuschlagen, und kehren nach etwa 60 Tagen pünktlich zum Zeitpunkt des Schlüpfens der Jungen zurück. Oft im letzten Moment, oft ganz zu spät.
Die Männchen haben bis dahin nahezu unbeweglich dem Antarktiswinter mit seinem kalten Wind und seinen Stürmen und den extrem tiefen Temperaturen getrotzt und die Eier auf ihren Füßen balancieren müssen, und konnten außer frischen Schnee zur Flüssigkeitsaufnahme nichts zu sich nehmen. Nun übernehmen die Weibchen das Füttern und Versorgen der Jungtiere, während die Männchen mit letzter Kraft die lange Reise zum Meer antreten, um nach Monaten ohne Nahrung wieder zu fressen und mit neuer Nahrung zum Brutplatz zurückzukehren.
Das kann mehrere Male im Wechsel so weitergehen, bis die Jungtiere ausgewachsen genug sind, um sich selbst überlassen zu bleiben.
Man fiebert geradezu mit, wenn die Pinguine auf ihrem Marsch lebensgefährliche Hindernisse zu überwinden haben, oder wenn die gefährliche Eiübergabe stattfindet, oder wenn die Übergabe der Küken vom Vater zur Mutter wieder zu einem Wettlauf mit der tödlichen Kälte wird, oder wenn grosse Möwen kommen, für die ein Pinguinküken nichts anderes als ein fetter Braten ist, oder wenn unter Wasser auch ein Seeleopard satt werden will und mit der gefressenen Pinguin-Mutter auch das Küken zum Tode verurteilt. Aber zum Trost ist es andersrum rührend zu beobachten, wie liebevoll die Pinguinpaare miteinander oder mit dem Küken umgehen.
Der Film wurde in einem Zeitraum von 14 Monaten bei der antarktischen Dumont-D'Urville-Station gedreht. Das Team bestand nur aus vier Leuten, laut Luc Jacquet wäre der menschliche Faktor unter den extremen Bedingungen sonst kritisch geworden. Aus 120 Stunden Material wurde eine 80-minütige Dokumentation zusammengeschnitten, die laut Luc Jacquet einem ausgearbeiteten Drehbuch folgte.
Klar ist es anhand der Masse des Materials möglich, genügend Szenen zu finden, in denen es menschelt, oder in denen die Tiere Bewegungen ausführen, die einem menschlicher Beobachter suggerieren könnten, dass hier Freude, Trauer, Ratlosigkeit, Enttäuschung, Verzweiflung usw von den Pinguinen ausgedrückt wird. Das schmälert aber nicht den Wert des Filmes als Dokumentation. Unbedingt empfehlenswert.
Kurios ist es, dass der weltweite Erfolg des Filmes dazu geführt hat, die Pinguine für verschiedene Interessengruppen zu reklamieren, für christliche Fundamentalisten, liberale Aktivisten, für Homosexuelle, für Feministinnen usw. Luc Jacquet hatte Dank des immensen Erfolgs (in Frankreich lockte der Film bis heute über 1,8 Millionen Menschen in die Kinos, in den USA ist er der erfolgreichste französische Film aller Zeiten, auch in China und Japan brummt der Film) aber die Möglichkeit, auf der Titelseite von Le Monde gegen diese Vereinnahmungsversuche vorzugehen.
Auch die Filmmusik der französischen Musikerin und Tontechnikerin Emilie Simon ist ausgesprochen hörenswert. Sie hat den Soundtrack komponiert, arrangiert und mit einem Quintett und einem Kammerorchester eingespielt. Viel Elektronik ist dabei, aber auch ein so exotisch wie schönes Instrument wie das Glasharmonium. Ihre Stimme klingt weich und brüchig und hat mich stark an die fabelhafte Sängerin Steena Nordenstam erinnert.

16.10.2005
erro Erró -- Retrospektive 1958-2004 im Mannheimer Kunstverein. Gerade noch am letzten Tag der Ausstellung geschafft. Erró, 1932 im isländischen Olafsvik (am Fuße des Snaeffels Jökull) als Gudmundur Gudmundsson geboren, ist ein Pop-Art-Künstler, der sich sein Material aus allem holt, was die Welt und vor allem die Medien zu bieten haben. Besonders am Herzen liegen ihm Comics und chinesische Propagandabilder. Da ich ein Faible für Comics habe, wollte ich unbedingt diese Ausstellung sehen. Formal ist alles sehr gekonnt - wie auch anders, liegen dem fertigen Produkt doch viele mechanische Einzelschritte zugrunde: Das gefundene Material wird collagiert, das Ergebnis abfotografiert und auf Leinwand projiziert, und das ganze schließlich mit Pinsel und Öl abgemalt. Da kann ja nicht viel falsch gemacht werden. Inzwischen läßt Erró offenbar das Deckmäntelchen "Ölmalen" ganz weg und fertigt das Endprodukt immer häufiger als digitalen Druck an. Nun ja, Walter Benjamin hätte seine Freude an Erró und hätte ihn in seiner berühmten Arbeit "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" wohl aufgeführt. So richtige Freude kommt nicht auf, zu billig ist manchmal der Witz, zu plakativ die - hüstel, hüstel - "Gesellschaftskritik", respektive der politische Gehalt. Dennoch fand ich einige Arbeiten gelungen und den Besuch der Ausstellung lohnend. Nervig war die junge Dame an der Kasse, die partout nicht erlauben wollte, dass ich Fotos mache.

15.10.2005
habekost "De Lokalpatr(id)iot" mit "Chako" Christian Habekost: Der Zehntkeller Schriesheim war seit zwei Wochen ausverkauft - wie yours truly mit hunderten begeisterten Besuchern nur bestätigen kann zurecht. Mundart-Kabarett vom feinsten, intelligent und witzig zugleich. Erstaunlich, wie es ein Mann mit Mikrofon schafft, von Anfang bis Ende, zwei Stunden lang, etwa 250-300 Zuhörer in den Bann zu schlagen und zu begeistern. Zum Glück war ich weit vorne und konnte auch das gekonnte Mienenspiel geniessen. Selten habe ich in letzter Zeit vor Lachen Tränen in den Augen gehabt. Für Kurpfälzer ein Muss, gleichermassen zur Selbstkritik wie zur Selbstbeweihräucherung. Dass hinter dem eigenen Lachen immer auch ein leichtes Erschrecken zu spüren ist, dass im scheinbaren Witz immer auch eine oft traurige Wahrheit vermittelt wird - das ist eine Erfahrung, die großes Kabarett vermitteln kann. Und Christian Habekost. Ein toller Abend, der im privaten Rahmen mit CDs von "Chako" fortgesetzt wurde.

13.10.2005
Mozart, "Don Giovanni" im Heidelberger Theater; mit einer zwanzigminütigen Einführung in die eher ungewöhnliche Opern-Inszenierung. Auch wenn ich kein Opernfreund bin: Diese Inszenierung unter der Regie von Sandra Leupold gefiel mir. Sebastian Geyer als Don Giovanni ist eine Super-Besetzung - seine Rolle nimmt man ihm ab. Gottseidank kein 60-jähriger arrivierter Opernstar, der den unwiderstehlichen Verführer und Herzensbrecher mimt, eine Unsitte, die mir oft im Theater unangenehm aufstieß. Statt Kostümen und Staffagen: Eine leere Bühne, nur einige Stühle für die Sänger. Die schwarzen Wände der Theaterbühne mit den üblichen Werkzeugen und Haken etc dominiernd sichtbar - also ein großer schwarzer Raum. Die überwiegend jungen Sänger super, wie schon gesagt ein toller Don Giovanni, dem man sein Machotum (auf der Bühne!) abnimmt. Mit am beeindruckendsten war für mich, aus nächster Nähe (1 Meter - die Freuden der ersten Reihe...) den jungen Generalmusikdirektor Cornelius Meister zu beobachten, der mit einer unglaublichen Begeisterung arbeitete und das Orchester mitriß. Wichtig war bei dieser Aufführung in der Originalsprache, dass Übertitel projiziert wurden - dieses Angebot habe ich dankend genutzt. In einem Gespräch frägt sich Sandra Leupold selber, ob nicht im "Don Giovanni" "... eine Reihe sehr ordentlicher Menschen einmal dem Außerordentlichen begegnet ist? Ihr kalter Jubel am Schluß läßt all diese Geschichten abreißen, die nur dank Don Giovanni überhaupt begonnen haben." Selber Schuld!(aus: RNZ Sonderbeilage "Jetzt geht's los", S.4: "Oper heute wichtig machen")

09.10.2005
cook Peter Aughton - "Dem Wind ausgeliefert. James Cook und die abenteuerliche Suche nach Australien" ausgelesen. Seereisen, besonders natürlich Entdeckungsreisen, haben mich schon immer fasziniert. Es ist nicht das erste mal, dass ich etwas von oder über James Cook lese, aber "Dem Wind ausgeliefert" befaßt sich speziell mit der ersten Reise von Cook um die Erde. Vordergründig als Expedition zur Beobachtung des Venusdurchgangs 1769 ausgegeben war die heimliche Aufgabe, das Südland, die "Terra Australis" zu finden. Diese Landmasse wurde postuliert, da die großen Landmassen der nördlichen Hemisphäre ja irgendwie im Süden des Pazifiks austariert sein mußten. Ich habe beim Ausleihen des Buches nicht bemerkt, dass es sich um eine Readers Digest Ausgabe handelt, aber letztlich war das Buch mit 300 Seiten ja schließlich dick genug, und die Ausstattung mit den vielen Karten hat mir gefallen. So habe ich die Ausleihe nicht bereut - ein schönes Buch.
Was haben Cook und seine Mannschaft nicht alles gesehen! Nicht nur neue Länder und neue Länder - nein, auch einen Venusdurchgang, einen Merkurdurchgang und eine Sonnenfinsternis. Leider überlebten rund 30 Männer die Krankheiten nicht, die sie sich fast alle in Batavia, einem der ungesündesten Häfen der damaligen Zeit, zuzogen.
Interessant die Reaktion der Reisenden auf den Kannibalismus auf Neuseeland: "Die Besatzungsmitglieder fanden es widerwärtig und entsetzlich, unter Kannibalen geraten zu sein. ... Manche der Seeleute taten ihren Unwillen kund, weiterhin mit den Eingeborenen zu tun zu haben. Andere dagegen waren auf morbide Weise von dem grauenvollen Kannibalismus fasziniert und setzten alles daran, den Eingeborenen einmal dabei zuzusehen, während diese Menschenfleisch verzehrten. Aufs Schiff zurückgekehrt berichteten sie von ihren gruseligen Erlebnissen."(S.185) O-Ton Banks: "Die Leute brachten uns mehrere Knochen von Menschen, deren Fleisch sie gegessen; diese Knochen sind bei unseren Leuten, die ständig danach fragen und sie im Tausch gegen ein paar Kleinigkeiten erwerben, zu einer Art Handelsgut geworden:"(S.193) Prost Mahlzeit.

23.09.2005
So wie die Neue Züricher Zeitung zurecht als eine der besten Zeitungen der Welt gilt, so ist auch "NZZ Folio. Die Zeitschrift der Neuen Züricher Zeitung" eine der besten (mir bekannten) Zeitschriftenbeilagen. Die Juninummer von 2004 ist ein Themenheft: "Soundcheck. Da ist Musik drin" und enthält einige lesenswerte Beiträge zum Musik-Business:
"Schmalz für die Ohren" ist ein Gespräch mit dem Produzenten und Musiker Greg Manning über die Aufgaben des Produzenten und über aktuelle Moden im Produzieren. Sein leicht ironisches Rezept für einen Hit finde ich gut gelungen:

"Das Mädchen" stellt die Sängerin "Peaches" vor, die mit Sex und Provokationen versucht, ihre Musik zu verkaufen. Klingt schon etwas traurig... "Vor der Bühne drängt sich jeweils die Lesbenszene - in der man Peaches als Ikone feiert - Schulter an Schulter mit Männern, die die kleine, dunkelgelockte Frau in der sexy Unterwäsche für einen Pornotraum halten, und dazwischen Heterofrauen, die auch mal ausflippen würden, wenn sie nur könnten, und "Yeah!" rufen, wenn die Dame auf der Bühne ihr Recht auf guten Sex fordert." Nett beobachtet. Zum Bühnenauftritt von Peaches: "Das ist eher Post-Pubertät als Post-Feminismus, und die stereotypen Rhythmen vom Band machen das Ganze nicht besser. Und was ihre Botschaft betrifft, schlägt Peaches mit der Axt die offene Tür ein: Die Tabus, die Peaches brechen will, müssten erst wieder eingeführt werden, würde man meinen." Aber der Redakteur Mikael Krogerus findet auch sehr nette Worte: "Sie ist wie jemand, den man flüchtig traf und gern näher kennengelernt hätte, dann aber aus den Augen verlor. Das Mädchen aus dem Zugabteil, das etwas wilder, etwas verwegener und etwas stärker in seiner Verletzlichkeit war als all die anderen Mädchen. Nur schade, dass man sich nicht traute, nach der Adresse zu fragen."

"Das Kleingedruckte" handelt davon, wo das Geld bleibt, für das eine CD über den Verkaufstisch geht. Einige wenige setzen im Musikgeschäft große Summen um - aber was ist mit den anderen?
Gehen wir einmal von einem Verkaufspreis von 15 Euro aus.
9 Euro bekommt die Plattenfirma
2,40 Euro ist die Mehrwertsteuer
3,60 Euro bekommt der Laden.
Die 9 Euro, die die Plattenfirma bekommt, verteilen sich wie folgt:
0,65 Euro betragen die Herstellungskosten
2,50 Euro müssen für Vertriebskosten berechnet werden (ein dehnbarer Betrag bis hin zu Discounts und Gratis-CDs)
1,80 Euro gehen fürs Marketing drauf (Inserate, Plattenladenauslagen, Vertreter, "Plugger"
2,25 Euro werden als Tantiemen ausgegeben (GEMA und Verkaufstantiemen an die Band (ca 1,50 Eur

Das Experiment: http://www-x.nzz.ch/folio/archiv/2004/06/articles/experiment.html
Ein Klangteppich für Andrea: http://www-x.nzz.ch/folio/archiv/2004/06/articles/glueck.html

09.09.2005
Barash, D. P. (2005). Let a Thousand Orgasms Bloom! A review of The Case of the Female Orgasm by Elisabeth A. Lloyd. Evolutionary Psychology, 3:347-354
Eine lange Buchbesprechung zum Thema "Weiblicher Orgasmus": Der Autor, David P. Barash, fühlt sich zwar (nur) der Wissenschaft verpflichtet, schreibt aber recht munter und kämpferisch, teilweise auch sehr amüsant. Mit dem Bonmot "Elisabeth A. Lloyd has taken a really terrific topic and written a really terrible book" stellt er die Fronten klar, Lloyd wird sowohl wissenschaftlich als auch als Buchschreiberin demontiert. Ausdrücke wie "lousy writing", "biological naivety", "This raises nonsense to new levels", "how desperate Lloyd is to find straw men to dispute" fallen, oftmals - wenn man seiner Zusammenfassung oder seiner Zitatauswahl trauen darf - nicht ganz unangebracht.
Es geht um die Frage, warum Frauen eigentlich einen Orgasmus bekommen (können). Beim Mann ist die Sache für Evolutionisten leicht zu erklären, bei den Frauen sieht es aber - trotz einer Unmenge von Theorien - mau aus. Nur leider scheint Lloyds Buch eher über die Debatte über den weiblichen Orgasmus als über den weiblichen Orgasmus selber zu gehen. Und über weite Strecken wirft Barash der Autorin obendrein fachliche Inkompetenz und Verwirrung bei grundlegenden Konzepten wie Adaption und Selektion vor.
Viele ihrer Argumente hinterfrägt Barash alleine durch deren Umkehrung: "Lloyd also makes much of the fact that most women do not experience orgasm every time they engage in sexual intercourse, claiming that this somehow casts doubt on the possibility that orgasm is an adaptation." wird hinterfragt durch: "one of the more plausible hypotheses for female orgasm relies on the observation that it occurs at some times and not at others … wherein may lie its adaptive value"
Das Beispiel, welches er aber als möglichen "adaptive value" heranzieht, tut schon etwas weh:
Vor einigen Jahrzehnten hat er also ein kopulierendes Bärenpaar beobachtet, hat zwar keine Ahnung ob Bärinnen einen Orgasmus bekommen können (I have no idea...), vermutet aber, dass - wenn sie denn einen bekommen - sie den eher mit dem dominanten Bären bekommen (if they do, it would be more likely...). Na ja, zu dieser Zeit war Barashs Wissenschaftlichkeit wohl noch nicht so ausgeprägt.
Der folgende Absatz ist so herrlich unwissenschaftlich, dass er verdient, ganz zitiert zu werden:
Sein größter Vorwurf ist aber die Ideologienähe von Lloyd, die sie mit großer Ehrlichkeit bekennt:
Wissenschaft betreiben bedeutet aber, über solchen Ideologien zu stehen:
SEINE wissenschaftlichen Fragen wären beispielsweise: Und - rhethorisch geschickt - innerhalb der Reihe der wissenschaftlichen Fragen diese wissenschaftspolitische Frage:

08.09.2005
Endurance Caroline Alexander "Die Endurance. Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis." Berlin Verlag, 1998.
Um dieses herrliche Buch bin ich schon oft in Buchläden herumgestrichen und habe lange drin geblättert. Eigentlich ein Muss für jeden begeisterten Jules-Verne- oder Edgar-Allan-Poe-Leser. Aber der Preis... Nun, zu was gibt es unsere Stadtbücherei!
Eine ideale Lektüre, wenn man krank im Bett liegt, deswegen war ich an einem Tag durch. Ein zweiter Tag galt der Vertiefung und der Internet-Recherche nach Original-Quellen und Karten. Einige Zitate habe ich herausgeschrieben, zuviel für diese Kurzübersicht, deswegen habe ich eine eigene Webseite dafür angelegt.
Die Lektüre hat mir einen Riesenspass gemacht, habe ich doch ein romantisches Faible für alte Reisebücher, Atlanten und Karten. Und die herrlichen Fotografien des Expeditionsfotografen Frank Hurley tun ein übriges, einen von der ersten bis zur letzten Seite gefangenzunehmen.
Vermisst habe ich allerdings auch einiges: Es gibt kein Inhaltsverzeichnis, kein Abbildungsverzeichnis, kein Glossar (weiß jeder, was "pützen" ist?), keine Kartenskizzen (was ich ganz arg fand: Arno Schmidt spricht mir aus dem Herzen, wenn er sagt, dass man Karten für alles braucht). Es gibt noch nicht mal ein Literaturverzeichnis (dafür allerdings ein sechsseitiges Kapitel "Danksagung"). Zum Glück gibt es Shackletons eigenes Werk "South" als eBook online, und dort sind alle Abbildungen enthalten - inclusive der kleinen hilfreichen Kartenskizzen.

01.09.2005
Wer sagt, dass Tiere gut sind und der Mensch dagegen das größte Raubtier der Erde ist? Was sollen die Spiegel in den Zoos, die "das größte Raubtier" vorstellen - den Menschen? Ich fühle mich da jedenfalls nicht angesprochen, und der ausgezeichnete Aufsatz von David P. Barash, Professor der Psychologie an der Universität von Washington bestätigt mich darin: "Red in Tooth, Claw, and Trigger Finger".

21.08.2005
Comic Welten - Das Album "Comic Welten - Das Album", ein Heft, erschienen anläßlich der Museumsausstellung "Comic Welten" 1992 in Wien. Zwölf österreichische Zeichner schildern innerhalb des Mediums Comic die Geschichte und die Inhalte des Mediums. Unterm Strich eine gelungene und interessante Darstellung.
Behandelte Themen: "Bilder lesen" (wie liest man Comics?), "Bildergeschichten" (Geschichte der Comics), "Zeitungs-Strips" (Beispiele berühmter Serien, die in Zeitungen zu Dauerrennern wurden und Geschichte machten), "Themen" (Das Disney-Imperium, Entenhausen ist überall, Superman, Batman, die Superhelden, Fantasy, Science Fiction, SF-Helden, Dschungel-Helden, Historische Comics, Kriminalcomics, Abenteuer und Alltag, Funny-Comics, Historische Funnies, Grusel+Horror, Krieg, Comics als Feindbilder, Politik, Bilderstürmer, Satire und Parodie, Erotik, Comics: Die neunte Kunst (ein besonders schönes Kapitel, fast alle meine Comic-Hausgötter (Hugo Pratt, Tardi, Crumb, Moebius, Enki Bilal) sind vertreten, Literarische Comics, Film & Comic, Wie man Comics liest (gestalterische Elemente), Herstellung eines Comic, Fans).
Da die Illustrationen von sehr unterschiedlichen Zeichnern sind, wird automatisch ein Eindruck von der Vielgestaltigkeit des Mediums vermittelt.
Die knappen Texte sind durchweg informativ und auf hohem Niveau. Insgesamt sehr empfehlenswert und eine nette Lektüre.

02.08.2005
Aufsatz von Uwe Jochum (eines ehemaligen Kollegen von mir) zur alltäglichen "Bibliothekskatastrophe".

23.07.2005
Loisel, Peter Pan, Schicksale Loisel: Peter Pan, Band 6: "Schicksale"
Der sechste und schwächste Band des sechsteiligen Zyklus - wollte Loisel nach 14 Jahren Arbeit an Peter Pan endlich fertig werden und hat deswegen Abstriche an die Qualität in Kauf genommen?
Gezeigt wird zunächst der Alltag auf der Insel: Die (Kampf-)Spiele der Kinder, die Bedeutung des Fotos mit der "Mama" für die Waisenkinder, die tägliche Verlosung dieses Fotos an eines der Kinder. Und Rose, die in eine Mutterrolle schlüpft, teils genötigt, aber zur Hauptsache aus eigenem Wunsch.
Nicht nur die Kinder werden in diesem Band hinterfragt (warum diese ständigen Kampfspiele? Sind Kinder wirklich bessere Menschen?): Auf Seite 9 beginnt auch die Demontage von "Glöckchen", der süßen Fee, die nun nicht mehr nur wie in den früheren Bänden fast schon rührende menschliche Leidenschaften und Gefühle zeigt. Was jetzt von Glöckchen aus Eifersucht betrieben wird, ist ein teuflischer Plan zur Beseitigung von Rose und Pinky. Mit der berühmten "Daumen-nach-unten"-Geste verurteilt sie auf Seite 9 Rose praktisch zum Tode, und führt ihren Plan konsequent aus.
Dem Foto-Gewinner des Tages (Pinky) zieht sie nachts das Foto der "Mutter" aus der Tasche, und schlägt beim folgenden Brainstorming der Kinder, wie man denn nun Pinky bestrafen solle, vor, einen Schatz an einen von ihr vorgegebenen Ort zu deponieren - in der Schatztruhe in der "Höhle des Wächters". Rose macht sich zusammen mit Pinky, der dafür zu klein ist, auf den Weg.
Als Pholus davon erfährt, ahnt er sofort das schlimmste, packt Peter und macht sich an die Verfolgung der Kinder. Die beiden kommen nach einem wilden Ritt gerade in dem Moment in der Höhle an, als Rose die Schatztruhe öffnet, um dort etwas hineinzulegen. Sie kann gerade noch sagen, dass in der Truhe ein "komischer" Schatz ist, da wird sie schon gewarnt, dass das Krokodil (der Wächter) hinter ihr ist. Obwohl Pholus und Peter alles versuchen, sie zu retten, kann das Krokodil mit Glöckchens Hilfe Rose fressen. Glöckchen freut sich maßlos und flüchtet. Pinky bekommt einen Schock und ist seither nicht mehr ansprechbar, Peter ist zutiefst betroffen.
Die Kinder suchen Glöckchen, um sie zu bestrafen. Die Vergeblichkeit dieser Suche zur Bestrafung wird von Pholus und Merlin vorhergesagt, die darauf hinweisen, dass alles vergessen werden wird.
Währenddessen entschließt sich Kapitän Haken, wieder zur Insel zurückzusegeln, um sich an Peter für den Verlust seiner Hand zu rächen.
Als Peter den Elfen von Roses Tod erzählt, erntet er nur Verständnis für Glöckchen - zu verschieden war Rose von deren Welt. Auf die Frage, was mit Pinky gemacht werden soll, bekommt er den trockenen Tipp, ihn einfach umzubringen. Die Kinderversammlung diskutiert danach den Tipp der Elfen, und fast sind sie auch dafür.

Nachtragen für Januar bis August:

07.06.2005
Eine herbe Kritik des Menschen und Politikers Mao:  Jung Chang and Jon Halliday have revealed Mao as one of the 20th century's greatest monsters.

Ultra-low Amplitude Cepheids, als Ergänzung zum Polaris-Aufsatz brauchbar

03.06.2005
Eintrittskarte zum Arno-Schmidt-Abend Bei den 10. Heidelberger Literaturtagen vom 2.-5.6.05 bestand für mich zum erstenmal die Gelegenheit, eine der berühmten Arno-Schmidt-Lesungen des Trios Johannes Kersten, Bernd Rauschenbach und Jan Philipp Reemtsma zu erleben. Der Abend war schlichtweg begeisternd. Die Stimmung im vollbesetzten Spiegelzelt auf dem Heidelberger Universitätsplatz bestand aus einer Mischung aus Konzentration und Begeisterung, und das Publikum reagierte amüsiert auf Passagen, die herauszuhören schon ein ordentliches Maß an Hinhören verlangte, denn oft lasen alle drei Akteure gleichzeitig. Zettels Traum ist in drei Spalten organisiert, wobei der Haupterzählung in der mittleren Spalte eine Spalte mit Assoziationen und Gedanken der Hauptperson Dän Pagenstecher und eine Spalte mit Zitaten Edgar Allan Poes oder anderen zur Haupterzählung passenden Texten beigesellt sind. Es bietet sich natürlich an, dass jedem Vortragenden eine Spalte zugeordnet ist, wobei dem in der Mitte Sitzendem immer die Hauparbeit zufiel. Vernünftigerweise setzten sich die drei immer wieder um, so dass jedem Vorleser jede Spalte einmal zufiel. Dank des herzlichen und begeisterten Beifalls gab es als Zugabe eine Lesung von Jan Philipp Reemtsma solo aus Arno Schmidts Text "Der Triton mit dem Sonnenschirm. (Überlegungen zu einer Lesbarmachung von "Finnegans Wake")". Auch diese Solo-Lesung war begeisternd, besonders amüsant auch wegen der rasend schnellen Aufzählung der Leckereien, die sich Shaun im Laufe des Tages zu Gemüte führt, angefangen von einem "Erst-Frühstück, ein Wohlbekommsuns, aus blutdürstigen Orangen" über (zum Beispiel) einem "unter'm Sattel mürbegerittenes Hausgans-Steak" bis zu "einen Sternhaufen Erbsen als Letztes...".

Die folgende Abbildung zeigt das Innere des Jugendstil-"Spiegelzeltes" während der Pause, mit den umlaufenden Nischen (ähnlich wie in manchen Cafés), in denen sich Heidelberger Verlage oder Buchhandlungen präsentierten, den (kaum zu erkennenden) Spiegeln, und dem leider auch kaum zu erkennenden Holzschmuck. Dass man in einem Zelt ist sieht man nur, wenn man nach oben schaut.

Innere des Spiegelzeltes.

Rauschenbach, Reemtsma und Kersten

Die Vorleser: Bernd Rauschenbach, Jan Philipp Reemtsma und Johannes Kersten.

21.01.2005
Was würde man anders machen, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte? Paul Graham hat eine wundervolle (aber ungehaltene) Rede für eine High School geschrieben: "What You'll wish You'd known". Nicht nur für junge Leute interessant: Ich habe langsam und gründlich gelesen und war sehr berührt. Abgesehen vom Abspeichern des gesamten Textes habe ich mir viele Passagen gesondert abgespeichert.

zum Literatur-Tagebuch 2004


Home, what's new, Kunst, Pforr-Material, Literatur, Musik, Astronomie

Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 10.02.2006
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/literature/le2005.html