Man kann es beklagen, aber die reine Romantik gibt es nicht. Ein purer Romantiker schafft es nicht, ein Schiff zu finanzieren und eine Mannschaft aus 28 Männern anzuheuern. Dazu gehört auch organisatorisches Geschick und ein geschicktes Taktieren mit möglichen Geldgebern. Den puren Romantiker gibt es aber auch nicht, wenn es um den Grund für eine Reise geht (vielleicht ist die Fahrt der QUEST eine Ausnahme). So überrascht auch nicht folgende Anmerkung von Caroline Alexander:
Shackletons erste Antarktis-Expedition (1902) war nicht zuletzt auch der Versuch, in einer Welt voller Klassenunterschiede der Mittelklasse zu entkommen.[S.16]
Shackletons zweite Expedition scheiterte ebenso wie seine erste (mangels geeigneter Ausrüstung), aber Shackleton wurde danach in den Adelsstand erhoben. So war eines seiner wichtigsten Ziele erreicht. Allerdings war er durch den Verlust des Schiffes NIMROD hochverschuldet.[17]
Scott wurde nach seinem Ende zum Helden aufgebaut. Seine Tagebücher wurden von Sir James Barrie, dem Meister sentimentaler Prosa und Schöpfer von "Peter Pan" geschickt bearbeitet, und gravierende Fehler Scotts einfach unterschlagen.[19]
Zur Finanzierung seiner Expedition, der "Imperial Trans-Antarctic Expedition" (die die Antarktis zum ersten mal durchqueren sollte), verkaufte Shackleton vorab sämtliche Bilder und Filmrechte. Er förderte auch das Tagebuchschreiben seiner Mannschaft, und als Ergebnis kann man diese Reise als eine der bestdokumentierten Reisen betrachten.[20]
Die Endurance wog 300 Tonnen und war 144 Fuß lang.
Shackleton bewies "eine für britische Verhältnisse geradezu sensationelle Sorgfalt" bei den Vorbereitungen.[21]
Über Frank Wild: "..., wenn er aber einem Mann befahl zu springen, sprang der ziemlich schnell."[22]
Abfahrt aus England am 8.8.1914. Via Madeira und Montevideo nach Buenos Aires. Am 26.10.1914 Abfahrt aus Buenos Aires.[25]
Buntgemischte Mannschaft aus Offizieren, Wissenschaftlern und Seeleuten.[26]
5.11.1914 Ankunft in South Georgia, ein Monat Aufenthalt.
Über Frank Hurley: "Ein ausgesprochen harter Mann, der in der Lage war, extremen Bedingungen zu trotzen und alles zu tun, um zu seinen Fotos zu kommen."[31]
Über George E. Marston: Absolvent einer Londoner Kunsthochschule, künstlerischer Begleiter der Expedition. Körperliche sehr leistungsfähig, wunderbar vielseitig: "Er hatte den Körperbau und das Gesicht eines Preisboxers und das Gemüt eines gefallenen Engels."[31, 33]
5.12.1914 Abfahrt aus Grytviken.
Die Männer sehen auf den Fotos alle älter aus, als sie eigentlich sind (typisch für ältere Aufnahmen). Fast immer sind sie beim Pfeifenrauchen - egal, was sie gerade machen.
Zweite Januarhälfte 1915: Im Packeis eingeschlossen.
Festlegung der Winterroutine: 8-Stunden-Wachen, Ausgabe von Polarkleidung.[59]
Neue Quartiere für die Wissenschaftler und Offiziere: 2m x 3m für jeweils zwei Personen.
Langeweile als Problem (dagegen Diskussionen, Schach, Karten, Dame, Bücher, ...).[63]
Der allgemeine Friede auf der Endurance war auch das Ergebnis von Shackletons Menschenkenntnis: Zu seinen Kriterien bei einer Anheuerung gehörte zB auch die Fähigkeit, singen zu können.
Die Endurance besaß eine exzellente Schiffsbücherei.[66]
Vor allen anderen beurteilte Shackleton einen Mann danach, welchen Grad an Optimismus er ausstrahlte. "Optimismus", sagte Shackleton einmal, "ist wahre menschliche Tapferkeit."[66]
Mit großer Selbstverständlichkeit wird immer aus den "Tagebüchern" der Männer zitiert, fast jeder der Offiziere und Wissenschaftler scheint eines geführt zu haben. Aber sogar der Schiffzimmermaann führte eines.
Eine Szene erinnert an "Corto Maltese in Sibirien", als die gerade einer Exekution entronnenen Corto Maltese und Rasputin anfangen zu tanzen:
Am 31.01.1915 inspizierten Shackleton und Worsley gerade die Motorschlitten, als sie aus einer Laune heraus plötzlich auf dem Eis Walzer tanzten, während eines der Besatzungsmitglieder gerade ein Lied pfiff.[78]
27.10.1915 Das Schiff zerbricht.
Verteilung der Schlafsäcke: 18 Fell, der Rest normal. Durch Tricks bekamen die Offiziere die weniger begehrten Wollschlafsäcke.[100]
Shackleton, Hurley und Wild machen in der Morgendämmerung warme Milch und bringen sie den Männern in die Zelte. Verdrossenheit über die selbstverständliche Weise, in der einige Männer diesen Beitrag aufnahmen.
Jeder Mann 1 Pfund Tabak, jeder durfte 2 Kilo persönlichen Besitz mitnehmen.[104]
Die Männer nähen sich Taschen für ihren wertvollsten Besitz (Löffel, Messer, Toilettenpapier, Zahnbürste) an die Kleidung.
30.10.1915 Aufbruch; einige Tage lang der Versuch, das Boot zu ziehen, war aber zu schwierig. Errichtung von Ocean Camo.[107]
Währenddessen wird aus dem zerbrochenen Schiff noch die Encyclopedia Britannica gerettet. Beeindruckend, und gleichzeitig eine rührende Vorstellung.[108]
Erst jetzt entschließt sich Hurley, seine Negative zu retten. Mit Shackleton wurden 120 von über 500 ausgewählt (20 Farb-, 100 Halb- und Vollglasplatten). Auch das Album mit entwickelten Bildern rettete er.[109]
Immer mehr Material wird vom Wrack geholt und das Lager besser eingerichtet.[110/111]
Shackletons Zeltbelegung war, wie immer bei ihm, sehrdurchdacht. In seinem eigenen Zelt sammelte er die Männer, von denen er annehmen mußte, dass sie mit den anderen nicht so gut auskommen würden.[113]
Tageucheintrag Bakewells nach dem Untergang der Endurance am 21.11.1915: "Es lag eine seltsame Stille über dem Lager. ... Wir waren jetzt sehr einsam."[119]
Ende November bekommt Shackleton einene Ruhranfall und kann seinen Schlafsack ohne Hilfe nicht mehr verlassen. Daueret etwa 2 Wochen.[119]
Der Abbruch des Camps am 23.12.1915 wurde nicht mit Begeisterung aufgenommen. Die Zieherei des Bootes war mit einer Tagesleistung von 1,5 Meilen aber viel zuwenig.[121]
Eine Woche härtester Arbeit hatte sie acht Meilen weitergebracht, der gewohnten Routine entrissen, Vorräte mußten zurückgelassen werden. Die Moral war wegen dieser Fehlentscheidung am Sinken.[123]
Am 14.01.1916 wurden 27 Hunde erschossen. Ein Einsatz war nicht mehr vorstellbar, und die Nahrung, die sie verschlangen, zu kostbar - Hundefutter wurde ein Hauptbestandteil im Speiseplan.[124]
Wild, der die Hunde erschiessen mußte: "..schlimmste Arbeit, die ich je in meinem Leben verrichten mußte. Ich habe viele Männer gekannt, die ich lieber erschießen würde als den schlechtesten dieser Hunde."
23.03.1916 Erste Sichtung von Land.[128]
31.03.1916 Das Eis bricht allmählich.[128]
07.04.1916 Sichtung von Clarence Island, später Sichtung von Elephant Island.[128]
09.04.1916 Boote werden zu Wasser gelassen.[129]
10.04.1916 Sie kampieren auf einer Eisscholle.[129]
Sehr gefährliche, entbehrungsreiche, erschöpfnede Fahrt in den Booten - sieben Tage lang.[bis 137]
15.04.1916 Landung auf Elephant Island.[137]
17.04.1916 Fahrt zu einem anderen, besser geeigneten Ort auf der Insel.[139]
Über die mangelnde Moral der Seeleute, Hurley:
"Jetzt, da die Gruppe sich in einem festen Camp eingerichtet hat, halte ich mir noch einmal das Verhalten vieler bei unserem Entkommen vom Eis vor Augen ... Es ist bedauerlich festzustellen, daß viele sich in einer Weise aufführten, die Gentlemen & britischen Seeleuten unwürdig ist ... Von einem guten Teil der Mannschaft bin ich überzeugt, daß sie verhungern oder erfrieren würden, überließe man sie auf dieser Insel sich selbst, denn sie haben so wenig Achtung vor ihrer Ausrüstung, daß sie sie von Schnee verschütten oder vom Wind davontragen lassen. Diejenigen, die sich vor ihren Pflichten drücken oder keinen Sinn für das Praktische haben, sollten nicht in solchen Gegenden sein. Dies sind harsche Orte, die jedem Menschen alle Kräfte abfordern & an dem jeder sich der Gruppe unterordnen muß, damit sie zu einer wirkungsvollen & nützlichen Einheit wird."[141f]
20.04.1916 Mitteilung Shackletons, mit der James Caird in See zu stechen, um South Georgia zu erreichen. Die Caird wird überholt.[141]
24.04.1916 Abfahrt der James Caird.[147]
Die Fahrt der Caird: unbequem, gefährlich; auf allem bildet sich Eis, auf Segeln, Leinen, dem Bootsrumpf, der Leinwand.[147]
Männerfreunschaft... Worsley: "Tom Crean war schon so lange bei Sir Ernest und hatte schon so viel mit ihm gemacht, daß er ein bevorzugter Gefolgsmann geworden war. Wenn sie sich niederlegten, konnte man eine Art wortlos murmelnder, brummelnder, knurrender Geräusche von ihrem dunklen & düsteren Lager im Bug kommen hören, manchmal aneinander gerichtet, manchmal an die Dinge im Allgemeinen & manchmal an überhaupt nichts Bestimmtes."[158]
10.05.1916 Land in Sicht, Landung.[160&162]
Die Landung konnte der gefährlichste Teil der Fahrt sein.[161]
Die Fahrt der James Caird gilt als eine der größten Fahrten aller Zeiten im offenen Boot.[163]
19.05.1916 Shackleton, Crean und Worsley ziehen los, um zu Fuß eine Walfangstation zu erreichen. Viele Irrgänge, teils 1800m hohe Pässe, von denen sie wieder umkehren mußten.[168]
Sie waren ohne Schlafsäcke unterwegs: "Ich wußte, daß es eine Katastrophe geben würde, wenn wir alle einschliefen", schrieb Shackleton, "denn Schlaf unter solchen Umständen geht unmerklich in den Tod über. Nach fünf Minuten rüttelte ich sie wach, sagte ihnen, dass sie eine halbe Stunde geschlafen hätten, und befahl den Aufbruch."[173]
Nach 36 Stunden fast ununterbrochener Wanderung erreichen die drei Stromness Station.[174]
23.05.1916 Shackleton, Crean und Worley stechen mit der gecharterten Southern Sky in See, um die Männer auf Elephant Island zu retten. Wegen Packeis mußte aufgegeben werden, dann zurück zu den Falklands, um ein geeigneteres Schiff zu finden - und um nach England zu telegrafieren.[177]
10.06.1916 Ein Versuch mit einem von der Regierung von Uruguay zur Verfügung gestellten Schiff scheitert ebenfalls.[178]
12.07.1916 Dritter Versuch mit der "Emma" von Punta Arenas - auch vergeblich. Zurück am 03.08.1916.[178]
25.08.1916 Abahrt mit der von der chilenischen Regierung überlassenen Yelcho.[179]
Auf Elephant Island wird inzwischen aus den beiden Booten ein Hütte gebaut. Rigider Tagesablauf.[182/183]
30.08.1916 Die Yelcho kommt an - die Rettung.
03.09.1916 Einfahrt der Yelcho in Punta Arenas.
08.10.1916 Offizielles Ende der Endurance-Expedition in Buenos Aires.
Huirleys Film "Im Griff des polaren Packeises", der nach dem Krieg 1919 in die Kinos kam, wurde zu einem großen Erfolg[199] und trug viel dazu bei, die Schulden der Expedition abzuarbeiten[200].
Nach einer Vortragstournee 1917 galt Shackletons unmittelbare Sorge der Frage, wie er an eine angemessene Position im Militär herankommen konnte.
Aber auch nach Monaten hatte er keine Stellung gefunden. Er trank und war ruhelos. Er verbrachte nur wenig Zeit zuhause. In London war er oft in der Gesellschaft seiner amerikanischen Geliebten, Rosalind Chetwynd, anzutreffen.
Im Oktober 1917 auf eine Propagandamission nach Südamerika. April 1918 war er wieder in London.
Unbedeutende Missionen, nach Spitzbergen, nach Murmansk als "Stabsoffizier für den arktischen Transport". Kann einige Gefährten (Frank Wild, McIlroy, Husseym Macklin zu sich holen.[200]
Nach dem Krieg wußte Shackleton nicht, was er machen sollte. 1919 war sein Buch "South" herausgekommen, verfaßt von Saunders, der sich auf Shackletons Diktate und auf Tagebücher von Expeditionsteilnehmern stützte. Verkaufte sich gut, aber alle Einnahmen gingen für die Rückzahlung von Schulden drauf.
Shackleton war praktisch pleite, bei nicht besonders guter Gesundheit und ohne Perspektive. Weitere Vortragstourneen.[201]
1920 Wunsch, wieder in polare Regionen zu ziehen, Abklappern von Geldgebern.
Die Geschichte mit der Quest ist super - erinnert an Corto Maltese.
Alte Gefährten erklärten sich bereit, mitzufahren (McIlroy, Wild, Green, Hussey, Macklin, McLeod, Kerr, Worsley).
Noch als die Quest in See stach, war nicht klar, wohin sie fuhr und welchem genauen "Zweck" die Expedition dienen sollte. Die verschiedenen Pläne reichten von einer Umschiffung des antarktischen Kontinents bis zur Suche nach Kapitän Kidds Schatz. (Worley beteiligte sich 1934 an einer Schatzsuche im Pazifik - er und Shackleton hatten einander versprochen, einmal so etwas zu unternehmen.[210]) Es war egal. Alle an Bord waren im Grunde nur gekommen, um sich in der Atmosphäre des Abenteuers zu sonnen, um Erinnerungen aufzufrischen.
Die Quest stach am 17.09.1921 von London aus in See. ... In Rio erlitt Shackleton einen Herzanfall. ... Er erholte sich, und die Quest setzte ihre Fahrt nach Süden fort.
Unterwegs begegneten sie dem fünfmastigen alten Rahsegler "France". Für diese Veteranen eines heroischen Zeitalters war es eine Begegnung mit einer fast versunkenen Ära.
Am 04.01.1922 erreichte die Quest South Georgia und geht in Grytviken vor Anker.
Macklin einige Tage vorher: "Der Boss sagt ... ganz offen, daß er nicht weiß, wohin wir nach S. Georgia fahren."[202]
05.01.1922 Shackleton stirbt nach einem schweren Herzanfall.
Bestattung am 05.03.1922 in Grytviken.[203]
(Die "James Caird" wurde in Shackletons altes College, nach Dulwich, gebracht, wo sie noch zu sehen ist.[204])
Nach Shackletons Tod setzte die Quest, nun unter dem Kommando von Frank Wild, ihre Reise hartnäckig fort. Am Ende dieser mäandernden Fahrt führte Wild das Schiff bis in Sichtweite der Küste von Elephant Island. Ein Landungsversuch allerdings wurde nicht unternommen.[204]
Shackletons Endurance-Mission war teilweise altmodisch, teilweise modern. Altmodisch zum Beispiel darin, dass die Endurance ein Segelschiff war, und Ersatzleute für Segelschiffe schon schwer zu finden waren, neumodisch insofern, als zum Beispiel Foto-, Film und Abdruckrechte an dem vor ihnene liegenden Abenteuer bereits vor dem Aufbruch verkauft worden waren. Daß ihre Erfahrungen zu einem Buch verarbeitet werden würden, war der Mannschaft immer klar, und in kritischen Situationen hatte Shackleton mehrfach dafür gesorgt, daß die Tagebuchschreiber und Hurley ihre Arbeit nicht aufgeben mußten.[205]
Der Schiffszimmermann McNish starb verelendet in Neuseeland:
Am Ende seines Lebens war McNish voller Bitterkeit gegenüber Shckleton - nicht weil der ihm die Polarmedaille verweigert hatte, auch nicht, weil er ihn im Alter in Stich ließ, sondern weil Shackleton seine Katze getötet hatte. Leute, die ihn in seinene letzten Jahren kannten, erinnern sich, daß er den Tod der Katze in jede Unterhaltung einflocht. Allein, gebrochen, sein Heldentum ein ferner Traum, dachte McNish offenbar nur noch an diese eine wahre Gefährtin, "die ihm so nahe war", wie er immer wieder erzählte, "daß sie von der ganzen Expedition Mrs. Chippy genannt wurde".[207]