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Fauser O-Ton, autobiografische Aussagen

Antworten auf Fragen von Helmut Maria Soik, 14.11.1979

Jörg Fauser O-Ton "Familie: Vater stammt aus Arbeitermilieu in Reutlingen, wurde Maler, 1933 Berufsverbot, lebt seit 1945 in Frankfurt, Mutter aus Kleinbürgerfamilie, ihr Vater war Volksschulrektor u. Heimatdichter, schrieb auch einen Roman über Dante, ein sehr lieber Mann, starb schon 1950. Der Vater meines Vaters wurde am vorletzten Kriegstag 1918 wegen Meuterei erschossen. Also Künstlerfamilie, aber alles andere als Bohème. Bin in Frankfurt aufgewachsen u. habe dort das Abitur gemacht, danach nur mal flüchtig in die Uni reingeschnuppert, aber nichts mehr studiert. Schreiben schien mir immer das einzig mir gemäße zu sein.

Las mit 7 und bis 12 Grabbe, Shakespeare, Hamsun u. was sonst auf dem Bücherregal war. Später nur noch Geschichtsbücher und erst ab 16, 17 wieder Literatur.

Lieblingsautoren heute? Flaubert, Hemingway, Malcolm Lowry, Céline, Benn, Joseph Roth u. vor allem Abenteuer-, Reisebücher, Krimis, Triviales. Lese lieber Zeitungen als bürgerl. Literatur. Grundsätzlich Literatur nur, wenn sie eine starke Erfahrung beschreibt, deshalb Affinität zu den Beats, besonders Burroughs u. Kerouac. Ohne die Beats, die ich ab 62 las, wäre ich vielleicht gar kein Schriftst. geworden, sondern Journalist.

Jugenderlebnisse? Keine besonderen. Ab 16 wollte ich jedes Jahr abhauen, aber das will ja jeder.

Politik: ich war von 1966-68 mit Unterbrechungen in Istanbul (Drogen). Las vom Mai 68 u. wollte das auch sehn. Hatte vorher in England Bekanntschaft von Alt-Anarchisten gemacht u. mich mit ihnen gut verstanden. Habe heute noch Sympathien f. organisierten Anarchismus wie in Spanien, fand aber sog. Studentenrevolte lächerlich. War dann 71 noch mal in Frankfurt mit "Linken" (siehe Trotzki, Goethe), aber entgültige Entscheidung für Literatur. Könnte nicht sagen, dass ich politische Anschauungen habe, außer der, daß sämtliche Politiker erschossen gehören.

Ich halte die Zivilisation für eine Errungenschaft, die ich nicht missen möchte. Als Bauer wäre ich unmöglich. Bakunin immer, Nietzsche kenn ich nur Gedichte, Marx sagt mir nichts, Sartre nie gelesen, Frankf. Schule nie gelesen, aber ich glaube, daß ein Großstadt-Schriftsteller immer auf der Seite der Habenichtse zu sein hat u. dennoch immer sagen muß: Das Leben ist hart, und wer es nicht in dieser Konsequenz sieht u. (wie Benn) immer die 'mörderische Stunde' o.ä., der hat in der Literatur nichts verloren.

Frauen? Ich halte die Frau für überschätzt, aber ich könnte mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Dazu aber das was ich schreibe ...

Bild, Kunst, Musik usw. verstehe ich gar nichts. Avantgarde? Keine Ahnung. Meist Kunstgewerbe, nicht? Die Poesie unserer Zeit? Lieber Herr Soik! KEINE AHNUNG! Ein gutes Fußballspiel oder Box-Match, ein Abend mit einer Rothaarigen, ein Spaziergang an der Seine enthält mehr Poesie als alle Anthologien der letzten 50 Jahre."

"Ich gebe Ihnen der Vollständigkeit halber eine Liste meiner wesentlichen Arbeiten:"

Biographisch: Alles aus "Fauser O-Ton", Beiheft, S.7-12

 

Aus einem Brief an Ingo Hooge, Dezember 1985

Fauser Biographie: geb. 1944, Vater maler, Mutter Schauspielerin, aufgewachsen und bis 1973 in Frankfurt/M. Abitur eines humanistischen Gymnsaiums, abgebrochenes Studium (Ethnologie, Philosophie). Ersatzdienst. Seit Abitur (1965) längere Zeit in London, Istanbul, Berlin. Seit 1974 als freier Schriftsteller in München, 1981-85 als Redakteur und freier Journalist in Berlin, seit 1985 verheiratet und wieder in München.
Tätigkeiten nun ja; ich habe nicht immer von bürgerlichen Berufen gelebt, übte aber auch solche aus (Angestellter, Nachtwächter, Flughafenarbeiter, Journalist; zur Zeit arbeite ich als Redakteur der Zeitschriften lui und TransAtlantik).

Rohstoff umfaßt die Jahre 1968 bis 1973. In Istanbul als Opiumsüchtiger eine Dachkammer zu bewohnen, war in jenen Jahren durchaus nicht untypisch für viele meiner Generation.
Fachwissenschaftl. Veröffentlichungen über meine Arbeiten sind mir nicht bekannt, Kritiker pflegen, wenn sie Bücher überhaupt lesen, keine weiteren Informationen einzuholen, was ja mit Arbeit verbunden wäre.
Ich glaube nicht, daß mich die Randzonen des Lebens und die "Außenseiter" mehr anziehen als andere Schriftsteller. Es ist einfach eine Frage, welches Material man gut zu kennen glaubt.

Aqualunge und Tophane wurden zu einer Zeit geschrieben, als ich stark beeinflußt von William Burroughs und anderen Autoren war, die mit "cut-up" experimentierten (bei uns Jürgen Ploog und Carl Weissner). Ich fand dann allerdings, daß ich lieber Geschichten schrieb, die eher "klassisch" geschrieben waren, zumal "cut-up" hierzulande einen Stch ins Schrullige hatte und einen Autor bestimmt nicht ernährt hätte. Im übrigen: das Schreiben muß man sich immer wieder neu erkämpfen, und mit den Jahren fällt es nicht leichter, sondern schwerer.
Ich halte die Brando-Biographie noch heute für eine meiner stärksten "dichterischen" Leistungen. In den Jahren 74 bis 78 hatte ich keinen Verlag (jedenfalls keinen, der mich interessiert hätte), ich schrieb also für einen anderen Markt (vorwiegend Rundfunk und die Beilage der Basler Zeitung) und tastete mich allmählich an größere Stoffe heran, während ich Gedichte und Stories schrieb.

Schwer zu beantworten, denn das wechselt. Ich lese aber immer wieder: Graham Greene, Dashiell Hammett, Raymond Chandler, Josep Roth, Hans Fallada, Gottfried Benn, Eric Ambler, Hemingway, Bukowski, Nelson Algren, Dostojewski, Flaubert, Scott Fitzgerald, Vicky Baum, Somerset Maugham. Wirklich beeinflußt haben mich zu prekären Zeiten meines Lebens wahrscheinlich Jack Kerouac und Hans Fallada.

Nein. Ich wollte mit Der Schneemann überhaupt keinene "Krimi" schreiben. Ich wollte eine möglichst unterhaltsame Story erzählen - im weitesten Sinne dachte ich an einen Abenteuerroman, und dachte, daß die Leute mal gern etwas über Kokain lesen würden - aber aus einer anderen als der üblichen Benützer- und Beweihräucher- oder Verfolger- und Verdammer-Perspektive. Ich bin noch heute ziemlich überrascht, daß das Buch inzwischen als Meilenstein des deutschen Krimis gilt - von deutschen krimis kannte ich damals so gut wie nichts.

Ich bin ein Kind meiner Zeit. Meine Helden mögen schnelle Filme, schnelle Autos und schnelle Mädchen. Im Ernst: Ich kann's gar nicht anders. Und hatte immer gute Lektoren.
...
Alles aus "Fauser O-Ton", Beiheft, S.15-17


Fausers Arbeitsplatz

 

Aus einem Brief an Herrn Apelt, Goetheinstitut Djarkarta, 1986

Keine Stipendien, keine Preise, keine Gelder der öffentlichen Hand, keine Jurys, keine Gremien, kein Mitglied eines Berufsverbands, keine Akademie, keine Clique; verheiratet, aber sonst unabhängig.

München, 25.12.1986

Aus "Fauser O-Ton", Beiheft, S.20


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 11.11.2005
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