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Johann Wolfgang von Goethe

Es ist nicht genug zu wissen,
man muß auch anwenden;
es ist nicht genug zu wollen,
man muß auch tun.

Dieser schöne Spruch hängt an der Pinnwand über meinem Schreibtisch. Sooft ich draufschaue, verspüre ich einen gewissen Stachel und das unbehagliche Gefühl, nicht genug zu machen. Immerhin - ohne diesen Stachel hätte ich vielleicht vor drei Jahren nicht wieder begonnen, Musik zu machen. Und vielleicht würde ich mir diese ganze Schufterei mit der Homepage auch ersparen. Und... und... und... Von daher ist es schon ganz gut, so einen Spruch immer vor Augen zu haben. Der Urheber dieser Anweisung hat danach gelebt, und zwar so, daß er heute noch die Nummer 1 ist.

Goethe in Rom
Goethe in Rom,
Aquarell von Joh. H. Wilh. Tischbein
Tja, Goethe... Man braucht eigentlich kein Wort über ihn zu verlieren, er ist halt immer noch der Boss.

Generationen von Schülern bekommen zwar alle Lust genommen, sich jemals wieder mit Klassikern zu beschäftigen, indem sie zur falschen Zeit die falschen Texte durchpauken müssen (mit diesen unsäglichen R...-Ausgaben, die nach der ersten Woche schon einen mufflig-vergilbten Eindruck machen, und dieses Gefühl mit dem Text assoziieren lassen). Wer aber trotz Schule an Literatur seine Freude haben kann, wird irgendwann wieder bei Goethe landen.

Goethe wird dann ein Freund - nein, das ist zu plump-vertraulich -, ein Ratgeber, Tröster, Aufputscher, Aufrüttler, Mutmacher, Anreger... fürs Leben.

Mein erster Rat: Kaufe eine gescheite Goethe-Ausgabe! Gebundene Goethe-Ausgaben sind nicht (wesentlich) teurer als Taschenbücher. Wichtige Bücher kauft man in gebundener Form: die halten länger und bleiben im allgemeinen beim Lesen offen liegen. Mehrere Ausgaben sind zu empfehlen: Auch wenn man andere Ausgaben wählt: es ist unbedingt zu überlegen, sich den Faust der Frankfurter Ausgabe zu kaufen (herausgegeben von Albrecht Schöne). Diese Faust-Ausgabe besteht aus zwei Bänden: 800 Seiten Texte (alle Versionen) und knapp 1100 Seiten Kommentar (wobei Kommentar untertrieben ist: es handelt sich um ein kulturgeschichtliches Kompendium). Nichts an den beiden Bänden ist überflüssig. Der Text ist von allen Entstellungen bereinigt und alles in allem die gegenwärtig gültige Ausgabe. Der Neupreis von 240 DM ist angemessen, man findet aber in vielen Antiquariaten nagelneue Ausgaben für 160 DM. Dafür gibt es Bestellungen und Wartelisten (dieses erfahren zu haben hat meinen Kulturpessimismus geheilt: wenn immer noch soviele Menschen soviel Geld für DAS BUCH ausgeben, scheint es doch nicht so schlimm zu stehen).

"Wilhelm Meisters theatralische Sendung" war für mich eine Entdeckung. Der Roman hat mich innerlich gepackt wie früher Peter Weiss ("Abschied von den Eltern", "Fluchtpunkt") oder Kellers "Grüner Heinrich" - und die "Theatralische Sendung" ist "nur" eine von Goethe verworfene und verbrannte Text-Version, erhalten dank der Abschrift einer Freundin und erst 1910 gefunden. Für andere Schriftsteller wäre das das definitive Lebenswerk...

Wilhelm Meisters theatralische Sendung

In diesem Roman steckt eine Menge Handlung (manches hat mich schon fast an einen Schelmenroman erinnert), es wird aber auch viel und intensiv diskutiert und auch philosophische Fragen werden aufgegriffen. Bei der Diskussion der Frage, warum der Mensch überhaupt eine Neigung dazu hat, Dramen (oder genauer: Trauerspiele) anzuschauen, wird folgendes angeführt (hier zum einen aus dem Zusammenhang gerissen, zum zweiten stark gekürzt):

Der Mensch ist durch seine Natur und durch die Natur der Dinge zu verschiedenen Schicksalen bestimmt; Lust und Schmerz, Glück und Unglück in ihren höchsten Graden sind ihm gleich entfernt und gleich nah. Von dem Übeln, von dem Guten ist ihm, wenn ich es so nennen darf, ein Vorahndung gegeben, die zugleich innigst mit der Kraft verbunden ist, die Bürden des Lebens auf sich zu nehmen und zu tragen.

Jede Seele wird, in dem Gang der Tage, zu dem, was ihr bevorsteht, mehr oder weniger zubereitet, so daß ihr meistens das Außerordentliche wenn es vorkommt, besonders sobald die ersten Augenblicke der Überrschung vorrüber sind, gewöhnlich bekannt und erträglich scheint; und ob ich gleich nicht leugnen will, daß viele, bei unvermutetem Glück und Unglück, sich sehr ungebärdig stellen, so finden wir doch auch, daß manche, denen wir sonst die Stärke der Seele nicht zuschreiben können, ein seltnes Glück mit Gleichmut und ein hereinbrechendes Unglück mit Gelassenheit auf sich nehmen. Wir sehen oft Menschen, die durch nichts außerordentliches bezeichnet sind, Schmerzen, Krankheit, Verlust der Ihrigen, mit stiller Standhaftigkeit ertragen, und selbst dem eigenen Tode als etwas bekanntem und notwendigen entgegen gehe.

Daß die Vorahndung des Guten bei allen Menschen, mit dem Wunsche es zu besitzen, verbunden sei, ist natürlich, und fällt bald in die Augen, daß aber auch der Mensch eine Lüsternheit nach dem Übel, und eine dunkle Sehnsucht nach dem Genusse des Schmerzens habe, ist schwerer zu bemerken, mit anderen Gefühlen verwandt, unter anderen Symptomen verhüllt, die uns leicht von unserer Betrachtung abführen können.

Es ist lange gesagt worden, daß der gleichgültige Zustand derjenige sei, dem der Mensch am meisten zu entfliehen suche. .... (S. 91/92)

Es lassen sich Unmengen gleichguter Zitate anführen. Leider habe ich aber keine gescheite digitalisierte Fassung gefunden, die einem das Zitieren erleichtert. Weil das nun so ist, werde ich den Text selber digitalisieren. Das dabei notwendige Prüflesen schadet schließlich auch nicht - umso besser lernt man den Text kennen. Es wird allerdings einige Zeit dauern. Ich habe die "schlichtest-denkbare" HTML-Version zur Darstellung gewählt. Unten folgen die Links.


Johann Wolfgang von Goethe
"Wilhelm Meisters Theatralische Sendung"

Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch
Fünftes Buch
Sechstes Buch

Ich habe mir erlaubt, die mir interessant oder wichtig erscheinenden Stellen blau hervorzuheben - schließlich mache ich das ganze zuallererst für mich...
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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 27.03.2004
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