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Der Symbiotische Veränderliche BX Mon

In älteren Katalogen oder in Zusammenstellungen von auffallenden Veränderlichen fällt BX Mon als der Mira-Veränderliche mit der längsten Periode auf: Mit 1374 Tagen hätte er über das vierfache der normalen Mirastern-Periode. Selbstverständlich ist das für einen angehenden Veränderlichenbeobachter erstmal sehr interessant, denn man hat es gerne mit Extremen zu tun. Aber inzwischen werden Veränderliche nicht mehr nur aufgrund ihrer Lichtkurven klassifiziert, sondern spektroskopische Untersuchungen dienen gleichermaßen der Typbestimmung, und seit rund 25 Jahren weiß man daher, dass es sich bei BX Mon um einen Vertreter der Symbiotischen Veränderlichen handelt.

Umgebung von BX Mon
Abbildung 1: Umgebung von BX Mon. Feldgröße 15'x15', Norden ist oben. Quelle: DSS-Plattenscans in Rot und Blau, kombiniert zu einer Farbaufnahme.

Mit CH Cyg habe ich schon einmal einen Symbiotischer Veränderlicher vorgestellt. Knapp zusammengefaßt handelt es sich dabei um Systeme, bestehend aus einem Roten Riesen, einem kompakten heißen Stern und einer Akkretionsscheibe um den heißen Stern. Am Lichtwechsel beteiligt sind alle System-Komponenten. Daraus resultiert ein schwer zu entwirrendes Gemisch aus der Veränderlichkeit des Roten Riesen aufgrund seiner Pulsationen und seines Rotationslichtwechsels (Rote Riesen in engen Doppelsternen sind stark verformt), der Veränderlichkeit des kompakten Begleiters, der Veränderlichkeit der Akkretionsscheibe, und der Veränderlichkeit aufgrund der Bahnlage der Sterne (bis hin zum Bedeckungslichtwechsel) - also eine Kombination von physikalischen und optischen Lichtwechsel. Auch zu hellen Ausbrüchen kann es kommen, wobei sich diese über Jahre und sogar Jahrzehnte hinziehen können. Neben CH Cyg ist AG Peg ein schönes Beispiel für einen Symbiotischen Doppelstern: Dieses berühmte System ist nach über rund 150 Jahren noch nicht ganz zur alten Helligkeit zurückgekehrt.

Die erste ausführliche Untersuchung des Lichtwechsels von BX Mon wurde von M.W. Mayall M.W. (1940, Bull. Harvard College Obs. 913,8) durchgeführt. Auf 887 (731 positiv) fotografischen Platten von 1890 bis 1940 konnte sie eine Periode von 1374 Tagen und eine Amplitude von ca 3 Größenklassen ermitteln. Die Streuung der Werte ist beachtlich, doch schon diese Lichtkurve enthält Details, die nicht recht zu Mayalls Interpretation von BX Mon als Mirastern passen.

BX Mon wurde aufgrund seines Spektrums schon 1954 von W.P. Bidelman in eine Liste von Sternen mit Kompositspektrum aufgenommen (die damalige Bezeichnung für Symbiotische Doppelsterne), ohne allerdings die Mirastern-Natur anzuzweifeln. In den "offiziellen Katalog" Symbiotischer Sterne von D.A. Allen der Jahre 1979 und 1982 schaffte es BX Mon aufgrund des geringen Anregungsgrades seines Spektrums noch nicht, wurde aber 1984 aufgenommen, als der IUE-Satellit mehrere Emissionsfeatures im UV messen konnte.

1983 wurde die Natur des roten Hauptsterns durch Whitelock und Catchpole aufgrund von Spektroskopie und Infrarot-Photometrie weiter geklärt: Farben und spektrale Eigenschaften paßten eher zu einem noralen M5-Riesenstern als zu einem Mirastern. Es wurde also klar, dass ein Teil des Lichtwechsels von BX Mon durch die wechselnde Ansicht augfrund der Bahnbewegung zustande kommt. Da beide System-Komponenten im Spektrum sichtbar sind, ist es möglich, aufgrund der gemessenen Radialgeschwindigkeiten beider Komponenten die Systemparameter zu bestimmen.

Das gestaltete sich in der Folgezeit aber schwieriger, als man annehmen sollte: Die beiden aktuellsten Monographien über den Stern (die von Dumm et al. von 1998 und die von Fekel et al. von 2000) kommen zu den sehr unterschiedlichen Ergebnissen von 1401 Tagen einerseits und 1259 Tagen andererseits für eine spektroskopisch bestimmte Periode.

Worin liegt diese Unsicherheit begründet? Zwei Gründe lassen sich festmachen: Der eine Grund ist eher wissenschaftspolitischer Natur: Die Periode von BX Mon ist sehr lang, meistens gehen Forschungsaufträge oder geförderte Programme über einen kürzeren Zeitraum. Den beteiligten Wissenschaftlern steht also nicht genügend Zeit zur Verfügung, sich selber ein homogenes Beobachtungsmaterial zu beschaffen. Fast immer ist die Datenbasis der Aufsätze demzufolge heterogen oder zu knapp (oft sind es weniger als zwei Dutzend Messungen, die das komplizierte Systemverhalten klären sollen). Der zweite Grund liegt in einer Art Betriebsblindheit begründet: Spektroskopiker betreiben selten Photometrie (das gilt umgekehrt genauso), demzufolge fällt es ihnen schwer, eine Gesamtschau des Sterns zu entwickeln. Einen schon fast traurigen Rekord hat hier Iijima (1985) aufgestellt, der eine einzige abgeleitete Helligkeitsmessung zustande bringt, diese nicht mit den von Mayall bestimmten Lichtwechselelementen verbinden kann und daher kurzerhand einen Rechenfehler bei Mayall unterstellt.

Die Trennung der spektoskopisch zu ermittelnden Bahnbewegung des Roten Riesen von der spektroskopisch nachweisbaren Pulsation des Roten Riesen kann nur mit gleichzeitiger Photometrie gelingen, weswegen in den letzten vier Monographien wahlweise Mayalls Beobachtungen digitalisiert wurden und visuelle Beobachtungen der AAVSO oder der Royal Astronomical Society of New Zealand (RASNZ) herangezogen wurden - leider allesamt nicht unbedingt von der Qualität, die man zur Klärung des Systems bräuchte.

Bei der Neubearbeitung der digitalisierten Mayall-Daten wurden Mayalls Ergebnisse von Dumm et al weitgehend bestätigt: Die Lichtwechselamplitude auf den alten Platten beträgt demnach entweder 1338 oder 1401 Tage (Mayalls Wert liegt etwa in der Mitte). Durch Hinzuziehung von IUE-Messungen und der Beobachtung eines Bedeckungssternphänomens im UV konnten Dumm et.al. eine Periode von 1401 Tagen ableiten bei einer Bedeckungsdauer von ca 150 Tagen, deswegen übernehmen sie diesen Wert für ihr Systemmodell. Unklar bleibt allerdings nicht nur diesen Autoren, woher die offensichtliche Diskrepanz der alten Daten zum aktuellen Lichtwechsel stammt. Da ihr Modell das bisher detaillierteste präsentierte ist, sei es kurz skizziert (Abbildung 2).

Bahnmodell von BX Mon
Abbildung 2: Modell von BX Mon. Der rote Riese ist als roter Kreis eingezeichnet, der gemeinsame Schwerpunkt des Systems als blaues Quadrat, die Bahn des Roten Riesen um den gemeinsamen Schwerpunkt als kleiner Kreis mit "+", die Bahn des Begleiters um den gemeinsamen Schwerpunkt als großer Kreis mit "*". Der Rote Riese steht in dieser Abbildung bei Phase 0. Die Bewegung der Sterne verläuft entgegen dem Uhrzeigersinn. Eine Einheit auf den Achsen entspricht der großen Halbachse des Systems. Quelle: Dumm et al. (1998).

Ein Roter Riese mit 3,7 Sonnenmassen und einem Radius von 160 Sonnenradien wird in einer Entfernung von 2 bis 6 AE (also einer sehr exzentrischen Bahn) von einem kompakten heißen Begleiter mit 0,55 Sonnenmassen umkreist. Die tatsächliche Natur dieses Objekts ist unklar, wenn auch die Masse am besten zu einem Weißen Zwerg passen würde. Aufgrund der Bahnlage kommt es zu Bedeckungen der heißen Komponente, die etwa 150 Tage dauern. Die Entfernung des Systems beträgt etwa 3 Kpc.

Vor fast genau fünf Jahren hat das erfolgreiche ASAS-Projekt seine Arbeit aufgenommen. Nahezu täglich werden Aufnahmen des Südhimmels mit V-Filter bis etwa +23 Grad nördliche Deklination gewonnen. Auch BX Mon wird erfasst. Die bisher vorliegende Lichtkurve (vergleiche die Abbildung 3) ist um Dimensionen besser als das vorliegende visuelle Material, jeder Interessierte kann also jederzeit den aktuellen Lichtwechsel einsehen.

ASAS-Lichtkurve von BX Mon
Abbildung 3: Lichtkurve von BX Mon anhand von ASAS-Messungen im Visuellen. Ein Maximum ist im Winter 2005/06 zu erwarten.

Dennoch ist die eigene Beobachtung sinnvoll: Es hat sich gezeigt, dass der Lichtwechsel auf blauempfindlichen Platten nicht mit dem Lichtwechsel von visuellen Beobachtern zur Deckung zu bringen ist. Eine erste Auswertung von Rot-Aufnahmen des Stardial-Projekts zeigt auch hier Unterschiede zu den anderen Farben: Die Pulsationen des Roten Riesen treten erwartungsgemäß deutlicher hervor. Sinnvoll sind also generell Aufnahmen in anderen Farbbereichen.

Und was für Beobachter besonders spannend sein wird: Erreicht BX Mon im Winter 2005/2006 wieder die neunte Größenklasse, oder werden die Maxima nach einer Reihe von bemerkenswert hellen Werten wieder schwächer? Ein Blick in die Geschichte des Lichtwechsels der letzten 25 Jahre anhand des AAVSO-Lichtkurvengenerators zeigt deutlich die Spannweite des Möglichen. Im Übrigen - auch das ein interessanter Aspekt - weisen visuelle Beobachtungen der letzten 25 Jahre auf eine Periode von 1240 Tagen hin. Ein spannender Stern also.

Literatur:

Allen, D.A.: A catalogue of symbiotic stars, Proc. Astron. Soc. Australia, 5, 369-421 (1984)
Bidelman, W.P.: ApJ Supl.Ser. 1, 175, 1954
Dumm, T. et al.: High resolution spectroscopy of symbiotic stars. IV. BX Monocerotis: orbital and stellar parameters. Astron. Astrophys., 336, 637-647 (1998)
Fekel, F.C et al.: Infrared spectroscopy of symbiotic stars. I. Orbits for well-known S-type systems. Astron. J., 119, 1375-1388 (2000)
Iijima, T.: BX Mon as a long-period eclipsing binary system. Astron. Astrophys., 153, 35-43 (1985)
Mayall, M.W.: Bull. Harvard College Obs. 913,8; 1940
Viotti, r. et al.: The symbiotic star BX Monocerotis. Astron. Astrophys., 159, 16-21 (1986)
Whitelock, P.A., Catchpole, R.M.: The nature of the cool component of the BX Monocerotis symbiotic system. IBVS 2296, 1983

ASAS-Homepage: http://www.astrouw.edu.pl/~gp/asas/asas.html
AAVSO-Lichtkurvengenerator: http://www.aavso.org/data/lcg/
AAVSO-Umgebungskarten: http://www.aavso.org/observing/charts/
BAV-Homepage: http://www.bav-astro.de/

Katalogdaten:

Veränderlicher Stern, Typ ZAnd
Position (2000): 07h25m23s, -3d35'51"
Helligkeit: 9.5 - 13.4p
Periode: 1374 Tage


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 08.11.2005
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