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Lektürenotizen: Wilhelm Graß über Karl Gotthard Graß

Wilhelm Graß: "Karl Gotthard Graß, ein Balte aus Schillers Freundeskreise. Ein Gedenkblatt aus Deutschlands klassischer Zeit."
Mit 14 Abbildungen und einem Faksimile
von Wilhelm Graß, Pastor und Oberlehrer in Libau
Reval: Franz Kluge, 1912

Vater: Karl Johann Graß (17.05.1720-28.11.1796)
Mutter: Maria Magdalena geb. Steinkötter (14.10.1742-28.05.1823)
Heirat der Eltern 1762
Karl Gotthard Graß (geb. 08.10.1767 in Serben; gest. 22.7.1814 in Rom)
Vier Geschwister

Studium: 1786-1790 Theologie in Jena; die Reise von Riga nach Jena dauerte 3 Monate.

Porträt Grass Porträt Antonia Maria Grass
Porträt "Carl Gotthard Grass", Dillis, 1808 Porträt "Antonia Maria Grass", Grass, 1813

Reisebericht Riga - Jena (S.9-23)

29.09.1786 Abfahrt von Riga
04.10.1786 Ankunft in Liebau, einer "plaisanten Seestadt" [heute Liepaja; Libau]; ab da an der Ostseeküste entlang.
08.10.1786 Memel [heute Klaipeda]; Abfahrt (Donnerstag 12.10.) wegen ungünstigen Wind verspätet.
18.10.1786 Nidden
19.10.1786 Königsberg
23.10.1786 Weiterreise ("Gott schenk mir nur Gesundheit, denn das Fahren durch Tag und Nacht greift sehr an"; S.17, aus einem Brief an die Eltern vom 23.10.1786).
Weiterreise über Braunsberg.
Berlin (dort 12 Tage, anfangs "krank"; in einem anderen Brief an einen anderen Adressaten: drei Wochen krank (S.19) - Dauer der Krankheit also je nach Adressat)
Dresden (dort wäre er fast geblieben, um "die Kunst zu studieren"; nach zehn Tagen krank, 14 Tage bettlägerig))
Leipzig (zwei Tage)
Jena (erster Brief 20.12.86)
Bekanntschaft mit Seume (Stammbucheintrag)
Bekanntschaft mit Schiller ab 1789 oder 1790; wegen Schiller nicht nach Göttingen zur Fortsetzung des Studiums.
1790 Reise in die Schweiz

Schiller über Graß am 10.4.1791: "Es ist ein Livländer, namens Graß, der sich einige Jahre in Jena aufhielt, um da Theologie zu studieren. Darin hat er es nun nicht weit gebracht, aber desto weiter im Zeichnen und Landschaftsmalen...".(S.39) Die Zeichnungen sind aber "nichts weniger, als ausgeführt"(S.40)

Besuch bei Goethe am 6.2.1791 (eingeführt von Lips)(S.43)

Besuch bei Frau von Laroche[sic] in Offenbach während der Reise in die Schweiz 1790 (S.45-56)
[Brockhaus: La Roche, Marie Sophie, geborene Gutermann von Gutershofen, Schriftstellerin, *Kaufbeuren 6.12.1731, gest. in Offenbach am Main 18.2.1807; Jugendgeliebte C.M. Wielands; verfasste von Werken S.Richardsons beeinflusste empfindsame Romane ("Geschichte des Fräuleins von Sternheim", 2 Bände, 1771).]

Reise in die Schweiz finanziert durch den Onkel Steingötter; Kassel, Frankfurt, Heidelberg; Straßburg; Basel; Zürich; Graubünden; Mailand; Genua. Wegen Fieber zurück: Chamonix, Genf, Lausanne; im Dezember wieder in Jena.

Besuche: in Offenbach Frau Sophie von Laroche (8.5.1790); in Stuttgart: Schubart; in Hamburg (auf der Rückreise) Klopstock.

Besuch bei der Laroche aus Neugier ("...schon die Schrifstellerei eines Frauenzimmers konnte mich eher gegen sie als für sie einnehmen...", S.46) [dummer Junge...]
Empfehlung der Laroche: Graß soll in Heidelberg den Kirchenrat Mieg[vgl. Lehr: Pforr] besuchen (Mieg, geb. 1744), gibt ihm auch einen kleinen Brief mit Empfehlung an Mieg mit (S.48).
12.05.1790 Zweiter Besuch bei Laroche (S.51)

27.05.1790 Straßburger Münster, etwas exaltierte Beschreibung, uninteressant (S.57/58)

Besuch bei Schubart in Stuttgart; recht kritische Beurteilung: "Mit dieser Unklugheit [Schubart weiß nicht, wann man wie mit wem zu argumentieren hat, wann man diplomatisch sein muß usw] verbindet er Unstätigkeit in seinen Grundsätzen. Seine Philosphie ist eine Deklamationsphilosophie, so seine Religionstheorie. Er überredet, aber überzeugt nicht, er raissoniert, ohne bestimte Prinzipien zu haben...[usw usf, ganz nett](S.60)

Besuch bei Schillers Eltern im November 1790 (S.62)

Besuch bei Klopstock in Hamburg und Heimreise 1791(S.64-69)

Nach dem Ende des Studiums Sommer 1791 trat Graß die Heimreise an: Thüringen, Harz, Hamburg (dort zu Klopstock), Lübeck, per Schiff nach Riga.

Etwas kritische Passage zu Graß' Studienzeit: "In der Theologie hat er es in dieser Zeit, wie es scheint, nicht allzuweit gebracht, viel aber hat er für sich und sein inneres Leben gelernt. Er studierte die Kunst, zeichnete, spielte Klavier und lernte französisch, machte Reisen, die ihn mit den berühmtesten Menschen seiner Zeit zusammenführte: Frau von Laroche, Schubart, Klopstock, Goethe. Am meisten ist er von Schiller beeinflußt[...]"(S.67)

Rückkehr nach Riga

Die Rückkehr nach Riga scheint Graß hart getroffen zu haben: "Mit trüben Gefühlen betritt er in Riga den Boden. Er schreibt: 'was ich vergessen glaubte, stand wieder lebendig vor mir, Deutschland und die glücklichen Bilder voriger Zeit waren in eine andere Welt, von der mich jetzt ein Meer trennte, gedrängt, daher Wehmut. Eingang in die Mauer [wohl die Stadtmauer gemeint] wie in einen Kerker, den Kopf gesenkt und stumm hinschleichend.'"

Graß ist 1792-96 in Riga und gibt Zeichenstunden, Pastor ist er nicht geworden. 1796 ging er in die Schweiz und 1803 nach Italien und ist in Rom am 22.7.1814 gestorben.(S.69)

1792-96 hilft er dem kranken Vater im Amt, lehnt aber die Vokation [Brockhaus: die kirchliche Beauftragung zur Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Die Vokation ist mit der Lehrverpflichtung verbunden und tritt zur staatlichen Anstellung hinzu] zum Adjunkten [Brockhaus: (veraltet) einem Beamten beigeordneter Gehilfe] ab.

Graß' Zeit in Riga: "Er lebt in Riga, zeichnet und malt [das allerdings nicht besonders, wenn man die Sachen anschaut] und erwirbt sich seinen Unterhalt durch Zeichenstunden. Schwere innere Konflikte durchwühlen seine Seele [wow!]. Pastor oder Künstler? Das ist das große Problem, das ihn quält. Aber sein künstlerischer Sinn siegte."

"Wohl nimmt er eine Vokation auf die Landpfarre Sunzel in Livland an [klingt wie der Arsch der Welt], hält auch seine Antrittspredigt. Da tritt eine Wendung in seinem Leben ein. Eine unglückliche Liebe zur Tochter des Pastors von Neuermühlen Piel, Constanze, bringt ihm die bitterste Enttäuschung. Eine Rettung aus dem inneren Konflikt zwischen künstlerischer Anlage und widerwillig übernommenem Amt und aus seinem zerrissenen Seelenzustande sieht er in rascher Entfernung aus der Heimat." (S.69/79)[nicht die schlechteste Lösung, wer wollte schon in Sunzel leben...]

Ende Januar 1795 langer Brief an Schiller mit Abriß seiner "Geistes- und Herzensgeschichte"(S.71-77); über seine halbherzigen Versuche, eine Stelle zu bekommen, um die Familie zu unterstützen; Wetterfühligkeit; schlechte Erfahrungen mit Menschen; Stellenwert der Kunst bei den Menschen:
"Ich sah überall, wie man sich höchstens für den Künstler, selten für die Kunst interessiert. Sein Werth hängt von seiner persönlichen Beziehung auf die Genusses- und Modetriebe ab. Er hat keine Aufmunterung, und Kennerruhm muß den Künstler spornen, oder er wird Brodarbeiter und Handwerker. Wie furchtbar ist nicht schon jede Nacht für das Aug' des Künstlers! und nun erst der Gedanke an Alter."(alles S.72)
Reichliches Einkommen aus Zeichenunterricht; Leben in den Tag hinein; im ersten Jahr oft im Bett geheult; enttäuschte Liebe; usw usf (S.73ff)
Den Gedanken, nach Deutschland zu kommen, gibt er nicht auf.

Und ab geht's in die große weite Welt...

Zur großen weiten Welt vgl. die Tagebücher von Graß aus Sizilien

Grass, Frühlingsmorgen
C.G. Grass "Frühlingsmorgen im Tal S.Angelo di Brolo"

Grass, Idyll
C.G. Grass "Idyll aus Theokrit, bei Taormina"

Grass, Girgenti
C.G. Grass "Konkordientempel bei Girgenti"

Grass, Wasserfall
C.G. Grass "Wasserfall von Carracci bei Aderno"

Gelesen: Dezember 2004

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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 08.11.2005
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