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"Liebesleben" von Maria Schrader

"Liebesleben" von Maria Schrader, Israel/Deutschland 2007, 113 min, Romanvorlage: Zeruya Shalev

Eine schlanke, blendend aussehende Frau von etwa 30 Jahren (Neta Garty) geht eine sexuelle Beziehung zu einem gut erhaltenen Mann ein (Rade Serbedzija), der ihr Vater sein könnte. Während normalerweise die "alten Säcke" die jungen Frauen anmachen, ist es hier anfangs umgekehrt. Nach sexuellen Eskapaden befreit sie sich jedoch davon und macht sich an ihre lange aufgeschobene Magisterarbeit. Ihre Ehe hat Risse bekommen, aber das Familiengeheimnis ihrer Eltern ist gelüftet.

Zu Beginn arrangiert Jara ein Picknick auf einer Anhöhe über Jerusalem. Im Ensemble der Altstadt sieht man die goldene Kuppel des Felsendoms glänzen. Die Eltern kommen aber nicht, die Pralinen schmelzen in der Sonne, die Rosen werden vom Tisch geweht. Beunruhigt rennt sie zum Haus der Eltern, an der Tür trifft sie Arie, es gibt den ersten intensiven Blickkontakt: Jara hält den Mann für den Arzt, als sie ihre Mutter im Bett vorfindet; ihr Vater glaubt nicht an die plötzliche Erkrankung der Mutter. Sie streiten herum, ist sie nun krank oder nicht. Der unbekannte und Jara sofort faszinierende Mann ist, ein alter Bekannter ihrer Eltern aus Studientagen, der lange in Paris gelebt hat. Jetzt ist er mit seiner Frau Josephine wieder nach Israel gekommen. Jaras Vater sucht nach einem Bild, das die drei in jungen Jahren zeigen soll. "Er kann es gar nicht finden, weil es bei mir ist" verrät Arie Jara. Ihr Vater drückt ihm noch einige Medikamente für seine kranke Frau in die Hand und verabschiedet sich mit einem linkischen Kuß von seinem alten Freund. Jara ist alarmiert, rennt dem Fremden erregt ein Stück hinterher. Ihr sexuelles Interesse ist geweckt und sie tut alles, um ihm so nahe wie möglich zu sein.

Am Ende ihres Studiums der vergleichenden Religionswissenschaften bei Prof. Roth hat Jara nun Schwierigkeiten, ein passendes Thema für ihre Magisterarbeit zu finden. Damit ist ihre wissenschaftliche Karriere in Gefahr, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Unruhe, die sie nun treibt, trägt noch weiter dazu bei, die Entscheidung für ein Thema zu verzögern. Daheim trifft sie auf den Kater ihrer Freundin und Studienkolllegin, der ihr sehnsuchtsvoll ein Stück hinterherläuft. Und schon wird er vom Auto überfahren, was Jara in ihrem Taumel nur am Rande registriert. Der Fahrer wirft den toten Kater an den Straßenrand, niemand reagiert auf seine Frage, wem das Tier gehört. Später glaubt die weinende Freundin nicht daran, dass ihr Kater nochmals lebend auftaucht, schon immer habe sie ein schlimmes Ende für ihren kleinen Liebling befürchtet. Jaras Freund macht sich rufend auf die Suche nach dem Kater, hebt Mülldeckel hoch, worunter er möglicherweise eingesperrt sein könnte.

Der "Wahnsinn" nimmt nun seinen Lauf; vor einer Boutique steht Jara und bewundert ein durchbrochenes Kleid von weinroter Farbe, das Material ist samtig und umschmeichelt den Körper. Es wird wohl nicht ganz billig sein. Die Schaufensterpuppe trägt genau die Größe, die Jara passt. Die Verkäuferin wird sie flugs entkleiden. Im Laden probiert gerade Arie Hosen an, seine Freundin trägt bereits das ausgefallene Kleid, das Jara jetzt anprobieren möchte. Durch den Schlitz im Vorhang beobachtet Jara, wie er sich eine Hose kürzen lässt, sieht die Stiletto-Absätze der Verkäuferin, wie sie dienstbeflissen die Hosenbeine von Arie umtanzen. Sie ist absichtlich in die Kabine gegangen, die Arie gerade benützt und hat reflexartig seine Hose angezogen. Arie kommt herein und betrachtet sie ernst, sie ist verlegen, bringt kein Wort heraus. Als ob nichts gewesen wäre verlässt er wenig später besagte Kabine. Vermutlich das erste "Liebesnest" der beiden und der Anfang einer langen Reihe von Verrücktheiten.

Jara führt eine Gruppe von Touristen durch die Erlöserkirche, die über dem Berg Golgatha erbaut ist, wo bekanntlich Christus zusammen mit zwei Verbrechern vor schätzungsweise 1974 Jahren gekreuzigt wurde. Sie erklärt den Touristen, dass es in der Kirche eine Stelle gäbe, wo man direkt an den Stein des Berges greifen könne. Wer dort hinfasse, so erzählt man, solle wieder ganz rein von Sünden werden. Jara hilft einer alten Frau, die zu gebrechlich ist, um an die verborgene Stelle zu kommen, indem sie sich selbst als Mittlerin zu dem Stein bückt und die Hand der Frau ergreift. Als Kirchenführerin übt sie eine Arbeit aus, die wohl eher von Studenten der Kunstgeschichte erwartet würde.

Zu Hause ruft sie Arie an: "Ich muss Dich sehen!". Mit offenen, langen Haaren steht sie vor der Villa, drückt auf die Klingel, wird eingelassen. Lange kann das Paar hier noch nicht wohnen, denn es gibt viele Umzugskisten und ein Krankenbett. Mit den Worten "Du musst immer alles sofort haben" überfallt Aire sein Opfer, zwischen Tür und Angel nimmt er sie sich vor, murmelt dabei: "Das tut Dir gut, das tut Dir gut..." Hinterher wirft sie, verwirrter denn je, mit glänzenden Augen den Kopf hin und her und er bleibt ihr einen Kaffee schuldig, weil seine Frau gleich kommen wird. Wieder hinauskomplimentiert schreit sie noch auf der Straße laut seinen Namen und betont mehrmals aufgebracht: "Das hat mir nicht gut getan!"

Nun muss sie sich auch wieder an ihrem Uni-Arbeitsplatz sehen lassen, auch wenn sie nur erschöpft über ihren Büchern schläft. Ihr Professor ist gar nicht glücklich über ihre Saumseligkeit und wirft ihr vor, sie suche gar nicht aktiv nach einem Thema. Sie erwarte offenbar umgekehrt, dass das Thema sie finde, ihr buchstäblich in die Hände falle.

Bei der Geburtstagsfeier zu Ehren von Jaras Vater, der 60 wird, ist auch Arie samt seiner jugendlichen Freundin eingeladen, die er scheinheilig als seine Nichte vorstellt. Derweilen liegt Aries Frau Josephine mehr tot als lebendig im Krankenhaus. Diese Freundin trägt genau das gleiche weinrote Kleid wie Jara. Zusammen mit ihrem Mann gibt sie ein Ständchen zu Ehren des Jubilars -sie ist nervös beim Singen, denn Arie ist ja anwesend- das nicht so recht gelingen will. Ihr Vater ist trotzdem gerührt, auch wenn bei dieser Version der Leonhard-Cohen-Song kaum noch erkennbar ist. Jaras Mutter, die mit ihrem Mann hadert, weil er Arie und seine "Nichte" eingeladen hat, schneidet sich an einem zerbrochenen Glas, das Jara nicht gleich in den Mülleimer geworfen hat, sinkt ohnmächtig zu Boden und wird ins Krankenhaus gebracht.

Als nächstes ruft Arie Jara an und bietet ihr an, mit ihm ans Meer zu fahren. Unterwegs kommt es zu einem Spielchen: Jara steigt aus, er soll sie in Kürze wieder als Anhalterin mitnehmen. Auf dieser Fahrt stellt Arie auch den eklatanten Unterschied zwischen sich und Jara fest. Er hat in der Liebe bereits alles ausprobiert und langweilt sich jetzt nur noch. Jara dagegen ist jung und hungrig nach Abwechslung in der Liebe. Mitten in der großartigen Wüstenlandschaft wandert Jara immer weiter durch die kahlen, zerklüfteten Berge, aber so oft sie sich auch umschaut, ihr Liebhaber ist immer noch nicht in Sicht. Als sie die Hoffnung allmählich verliert, taucht sein Wagen doch noch auf. Sie steigt ein und behauptet, "Annabell" zu heißen. Sie kommen zu der renovierungsbedürftigen Villa am Meer, die dem pensionierten Richter gehört. Mit Hilfe von zwei vietnamesischen Fachkräften soll das Haus, das der Großmufti einst für seine Geliebte bauen ließ, wieder im alten Glanz erstrahlen. Auch hier nennt Arie Jara "Annabell"; es gibt hier eine Art Picknick, als Nachtisch wird Jara alias Annabell vernascht. Der alte Richter registriert gleich, das ihm eine Schönheit ins Haus geschneit ist. Es kommt zu Intimitäten in Gegenwart des Richters und später beteiligt er sich auch am Liebesspiel. Neue Peinlichkeiten ergeben sich, als Jara sich frisch machen möchte und nackt vor den beiden vietnamesischen Restaurateure steht; mit einem großen Pappkarton verdeckt sie ihre Blöße und stürmt auf die Toilette. Arie nennt Jara schließlich bei ihrem richtigen Namen und der alte Richter vermutet ganz richtig, dass ihre Gespielin die Tochter ihres gemeinsamen Bekannten ist. Sie ist sauer über diesen Dreier, möchte eigentlich nicht mit ihm zurückfahren, hat aber wegen ihrer Busphobie keine andere Wahl um wieder nach Jerusalem zu kommen. Ihr Mann, der sie nach dem "Tag am Meer" im Bett liegend antrifft, schöpft langsam Verdacht: er habe sie den ganzen Tag sowohl zu Hause als auch an der Uni angerufen und nicht erreicht. Jara behauptet, sie habe krank im Bett gelegen und einmal habe sie Aspirin aus der Apotheke geholt. Er möchte ein Aspirin haben, aber Lügen haben kurze Beine und natürlich gibt es die besagte Packung Aspirin in ihrer Tasche gar nicht. Die Entfremdung zwischen den beiden nimmt immer mehr zu.

Jara besucht ihre Mutter im Krankenhaus, wo diese sich noch zur Beobachtung aufhält. Ihre Mutter weicht ihr geradezu aus, obwohl sie Jara kommen sieht. Sie trägt eine Halskrause. Beide unterhalten sich ein wenig. Arie war früher in Jaras Mutter verliebt, die aber nichts von ihm wissen will, da er keine Kinder bekommen kann. Jaras Eltern heiraten heimlich, Arie siedelt aus enttäuschter Liebe nach Paris über. Jaras Vater bekommt Depressionen, gibt sein Studium auf und muß in die Psychiatrie. Jaras Mutter möchte mit der kleinen Jara zu Arie nach Paris übersiedeln, wird aber von ihm nach Israel zurückgeschickt. Nun hasst ihre Mutter Arie.

Danach fragt Jara an der Rezeption, ob hier auch eine Frau namens "Josephine Eden" Patientin sei. Sie besucht Aries Frau, die wie ein Schatten ihrer selbst im Bett liegt. Josephine bittet Jara, ihr das Morphiumpflaster auf den Rücken zu kleben, erleidet dabei aber einen nicht enden wollenden Hustenanfall. Eine Schwester stürmt herein und behandelt Jara, als Eindringling. Als sie nun vor der Tür des Krankenzimmers wartet, kommt Arie und stellt sie ebenfalls mit barschen Worten zur Rede: was ihr einfiele, ohne Erlaubnis einfach seine Frau zu besuchen. Es fehlte nicht viel und er hätte ihr noch eine Ohrfeige verpasst.

Die nächste Einstellung zeigt bereits die Beerdigung: Josephines Leiche wird ohne Sarg, nur umhüllt von einem weißes Tuch in das Felsengrab gelegt, während Arie mit finsterer Miene beobachtet, dass auch Jara, mit Abstand zur Trauergemeinde, erschienen ist. Die feinfühlige Mutter Jaras hat das Interesse ihrer Tochter an Arie entdeckt. Vielleicht hat sich auch ihr Schwiegersohn über Jara bei ihr beklagt. Jedenfalls erhält das Paar einen elterlichen Zuschuß, um nach Istanbul in die Flitterwochen fahren zu können. Jara ist sehr überrascht, als ihr Mann ihr das Vorhaben mitteilt. Sie fängt auch brav an zu packen, nach einen Anruf von Arie, der vorgibt, sie zu brauchen, hat sie allerdings schon ausgeflittert. Ihr Mann bemerkt die Veränderung, weiß nun, dass sie nicht mit ihm fahren wird. Er zieht die Flitterwochen alleine durch, während seine Frau Jara vom frisch gebackenen Witwer Arie ins Schlafzimmer gesperrt wird. Draußen empfängt er dann die Trauergäste. Nur einmal entfernt er sich von seinen Gästen, um gleich wieder mit ungebremstem Schaum über Jara herzufallen. Sie nutzt die Zeit, um nach dem verschollenen Foto zu suchen. Neue Peinlichkeit: Aire schickt ausgerechnet Jaras Vater zum Pinkeln in das Schlafzimmer, dieser bemerkt eine Frau in der Dusche, wagt aber nicht, deren Identität zu lüften. Ein Malheur passiert. Später wird Jaras Vater bitterlich weinen, denn er erkennt die Schuhe seiner Tochter als die, welche er im Bad von Arie gesehen hat. Jara kann erst aus dem Zimmer kommen, als alle Gäste gegangen sind. Jara hat sich genauso einen Zopf geflochten, wie ihn ihre Mutter als junge Frau trug, Arie schreit Jara an, ob sie provozieren wolle. Sie sagt, sie wolle ihm helfen, aufzuräumen, wirft dann aber alles errreichbare Geschirr zu Boden und geht davon. Daheim wird Jara von ihrer Mutter ermahnt, wenigstens den Lieblingskuchen ihres Mannes zu backen, wenn dieser aus Istanbul zurückkommt. Jara kann plötzlich doch Bus fahren und sie fährt zur Uni, um endlich ihre Magisterarbeit in Angriff zu nehmen.

 


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Gestaltet von Elke Konstandin-Hassforther. Letzte Änderung: 31.12.2007
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