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Franz Kafka "Tagebücher 1909 - 1912"

Kafkas Tagebücher, die Tänzerin Eugenie Eduardowa im Jahr 1913
Die Tänzerin Eugenie Eduardowa (1882-1960)
im Jahr 1913, zur Zeit der ersten Tagebücher.
Aus: Hartmut Binder "Kafka in neuer Sicht".
Schnuppert man in der Sekundärliteratur zu Franz Kafka, könnte man ganz mutlos werden: offenbar ist die Lektüre Kafkas ohne jahrelanges Studium der Originaltexte, der Forschungsliteratur und (dem Joker jeden Bearbeiters) "ungedruckter Dokumente" naiv, sprich: unmöglich.

Hartmut Binders 677-Seiten-Text "Kafka in neuer Sicht" (welch ein origineller Titel - vor allem, wenn das Buch schon einige Jährchen auf dem Buckel hat (interessant und anregend ist es aber immer noch)) beispielsweise macht in seiner zehn Seiten langen Einleitung erstmal reinen Tisch mit der Konkurrenzforschung und wird auch sonst im Text nicht müde, auf deren Fehler, Verdrehungen, mangelhafte Ansätze usw usf hinzuweisen.

Wer um alles in der Welt sollte allerdings in der Lage sein, über dieses Gezänk urteilen zu können? Immerhin gibt es aber auch Aussagen wie die von Michael Kerksiek ("Kafka-Rezeption in der Krise"): Man sollte also pragmatisch sein: bevor man es auf sich nimmt, tausende von Seiten über Kafka zu lesen, sollte man lieber Kafka selber lesen. Der Wunsch nach Sekundärliteratur kommt dann von alleine. Das Packende an Kafka sind vielleicht gerade die unzähligen Deutungsmöglichkeiten, lassen wir uns davon vom Genuss der Texte also nicht abhalten. Vor dem Originaltext steht dann jeder allein und selbstverantwortlich vor der Frage: bringt mir diese Lektüre etwas oder langweilt sie mich?

Die Tagebücher Kafkas von 1909-1912 (Fischer TB 12449) habe ich im April 2001 gelesen und als teils amüsant, teils langweilend, teils packend, teils unverständlich erfahren. Aber jedenfalls als bereichernde Lektüre, die ich extensiv fortgesetzt habe (siehe dazu mein "Lektüretagebuch" ab 2002).


Hier einige Passagen, ausgewählt ohne die Absicht, "typisches" zu zitieren.

Beurteilt man eine Person danach, ob man sie spasseshalber bei der Nase packen könnte...?

Empfindet man manchmal eine ähnliche Freßgier?

Hat man manchmal ähnliche "freudige Vorstellungen"?

Diese Passage über den Lärm in der Wohnung ist eine von Kafkas frühen Veröffentlichungen (1912):

Kann man sich Kafka vorstellen, wie er in den Himmel kommt? Drei Frauen stehen vor seiner Zimmertür, während er seinen Mittagsschlaf halten will, und loben ihn: Mir haben Personencharakterisierungen bei Kafka immer sehr gut gefallen, z.B. hier die eines bekannten Sammlers. Interessant, was Pachinger alles zwei i.P. fremden Männern aus seinem Intimleben erzählt, Pachinger also:

Kafka hat da eher andere Probleme, zum Beispiel, Mädchen zu verstehen, denn es ist... Zum Schluss: wie geht es bei einem jüdischen Beschneidungsfest in Russland zu?


Die Zitate sind dem wunderbaren "Kafka-Projekt" von Mauro Nervi entnommen, der die kritische Edition der Kafka-Texte im Web verfügbar gemacht hat, denn (Zitat): Über den folgenden Link kommt man direkt zu den Tagebüchern, die Seitenzahlen sind dagegen aus der Fischer-TB-Ausgabe.
Robert Crumb - Kafkas Tagebücher

Einen knappen aber anregenden Einstieg in Leben und Werk Kafkas bietet das bei Zweitausendeins erhältliche Buch "Kafka. Kurz und knapp" von David Zane Mairowitz und dem Zeichner Robert Crumb, dem diese Zeichnung entnommen ist.

Klaus Wagenbachs Bildband "Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben" nehme ich auch immer gerne wieder in die Hand: es ist einfach ein schönes und mit Liebe gemachtes Buch.

Weitere Literatur zu Kafka ist im Lektüretagebuch erwähnt.


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 06.10.2003
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