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Franz Kafka, Briefe 1918-1920

Interessante oder schöne Zitate

"Es ist gut, seinen Träumen nachzujagen, aber schlecht, wie es dann meistens auszugehen pflegt, von ihnen gejagt zu werden. Und die Welt ist zwar groß und weit, wie Sie schreiben, aber um keine Haarbreite größer als man sich sie selbst zu machen versteht." (An Minze Eisner, ca. Mitte Januar 1920; S.96)

"Nichtstun ist eine der größten und verhältnismaßig leicht zu beseitigenden "Dummheiten". (An Minze Eisner, ca. Ende Januar 1920; S.97)

In zwei Briefen an Felix Weltsch zeigt sich Kafka als äußerst gewissenhafter Korrekturleser - sowohl was den Inhalt als auch die Form angeht. (Februar 1920 und März 1922; S.103ff und 122ff)

Kafka blieb zwar fast sein ganzes Leben in seiner Heimatstadt, von Heimatorten hatte er trotzdem keine gute Meinung:

"...für einen nur irgendwie beunruhigten Menschen ist der Heimatort, selbst wenn er sich darüber gern täuscht, etwas sehr Unheimatliches, ein Ort der Erinnerungen, der Wehmut, der Kleinlichkeit, der Scham, der Verführung, des Mißbrauchs der Kräfte." (An Minze Eisner, ca. März 1920; S.107)

Und wieder etwas Lebensweisheit, und wieder an Minze Eisner. Hier nur der Anfang, der Brief lässt sich auf der Webseite von Werner Haas komplett lesen:

"Jeder hat seinen beißenden nächtezerstörenden Teufel in sich und das ist weder gut noch schlecht, sondern es ist Leben: Hätte man den nicht, würde man nicht leben. Was Sie in sich verfluchen, ist also Ihr Leben. Dieser Teufel ist das Material (und im Grunde ein wunderbares), das Sie mitbekommen haben und aus dem Sie nun etwas machen sollen." (An Minze Eisner, März 1920; S.110ff)

Einen sehr schönen Brief schreibt Kafka Ende April 1920 an seine Schwester Ottla (S124ff).

Immer mal wieder schreibt er vor allen an Milena Pollak über die Ursache(n) seiner Krankheit. Es liest sich oft direkt lustig, gemeint ist es aber ernst:

"Es war so, dass das Gehirn die ihm auferlegten Sorgen und Schmerzen nicht mehr ertragen konnte. Es sagte "ich gebe es auf; ist hier aber noch jemand, dem an der Erhaltung des Ganzen etwas liegt, dann möge er mir etwas von meiner Last abnehmen und es wird noch ein Weilchen gehen." Da meldete sich die Lunge, viel zu verlieren hatte sie wohl nicht. Diese Verhandlungen zwischen Gehirn und Lunge, die ohne mein Wissen vor sich gingen, mögen schrecklich gewesen sein." (An Milena Pollak, um den 1.5.1920; S.131)

Vergleichbar ist das auch in einem anderen Brief an Milena formuliert:

"Ich bin geistig krank, die Lungenkrankheit ist nur ein Aus-den-Ufern-treten der geistigen Krankheit." (An Milena Pollak, 31.05.1920, S.154)

Auch an seinen Freund Oskar Baum schreibt er diese schön formulierte Diagnose:

"Willst Du eine Laiendiagnose? Die körperliche Krankheit ist hier nur ein ein Aus-den-Ufern-treten der geistigen Krankheit; will man sie nun wieder in die Ufer zurückdrängen, wehrt sich natürlich der Kopf, er hat ja eben in seiner Not die Lungenkrankheit ausgeworfen und nun will man sie ihm wieder aufdrängen und zwar gerade in einem Augenblick, wo er die größte Lust hat, noch andere Krankheiten auszuwerfen. Und beim Kopf anfangen und ihn heilen, dazu gehörte die Körperkraft eines Möbelpackers, die ich mir eben aus dem obigen Grunde niemals werde verschaffen können. So bleibt es also beim Alten." (An Oskar Baum, nach dem 12.06.1920, S.181/182)

Wenn jemand - und sei es Milena Pollak - vom Gesetz seines Lebens anfängt zu fabulieren, und warum deshalb dieses oder jenes überhaupt nie gehen kann, dann ist Kafka sehr direkt:

"Was mich betrifft, so glaube ich ja an ihr Gesetz, nur glaube ich nicht, dass es so blank grausam und auszeichnend für immer über Ihrem Leben steht; es ist zwar eine Erkenntnis, aber nur eine Erkenntnis auf dem Wege und der Weg ist unendlich." (An Milena Pollak, ca 12.05.1920, S.135)

Es klingt (klingt!) immer sehr lustig, wenn er über die alten Teufel schreibt:

"Die Nacht ist so gewesen weil Du mit Deinem Brief (...) alle diese alten Teufel, die mit einem Auge schlafen und mit dem andern ihre Gelegenheit abpassen wieder aufgeweckt hast, ..." (An Milena Pollak, 23.06.1920, S.193)

Kafka über Otto Gross:

"Otto Gross habe ich kaum gekannt; dass hier aber etwas Wesentliches war, das wenigstens die Hand aus dem "Lächerlichen" hinausstreckte, habe ich gemerkt." (An Milena Pollak, 25.06.1920, S.196)

Über Schlaflosigkeit:

"Wenn man schlecht geschlafen hat, fragt man und weiß nicht was. Ewig wollte man fragen. Nicht-Schlafen heißt ja fragen; hätte man die Antwort, schliefe man." (An Milena Pollak, 27.07.1920, S.255ff)

Ein schöner Satz über seinen Freund Max Brod:

"Er aber hat keine Heimat und kann deshalb auch auf nichts verzichten und muß immerfort daran denken, sie zu suchen oder zu bauen, immerfort" (an Milena Pollak, 31.7.1920, S.265)

Sein erstes Liebeserlebnis und seine Stimmung dabei beschreibt er in einem berühmten Brief an Milena am 8./9.8.1920, S.293-295. Einiges weitere dazu im Folgebrief vom 9.8.1920, S. 297/298.

Klagen über seinen Schmutz:

"Schmutzig bin ich Milena, endlos schmutzig, darum mache ich ein solches Geschrei mit der Reinheit. Niemand singt so rein, als die welche in der tiefsten Hölle sind; was wir für den Gesang der Engel halten, ist ihr Gesang." (An Milena Pollak, 26.08.1920, S.318)

Seine Meinung über Sanatorien hält er nicht zurück:

"Das sind ausschließliche Lungenheilanstalten, Häuser, die in ihrer Gänze Tag und Nacht husten und fiebern, wo man Fleisch essen muß, wo einem gewesene Henker die Arme auskegeln, wenn man sich gegen Injektionen wehrt, und wo bartstreichende jüdische Ärzte zusehn, hart gegen Jud wie Christ." (An Milena Pollak, 31.08.1920, S.326).

Weil es so schön wahr noch eine Stelle:

"Was soll ich dort? Vom Chefarzt zwischen die Knie genommen werden und an den Fleischklumpen würgen, die er mir mit den Karbolfingern in den Mund stopft und dann entlang der Gurgel hinunterdrückt." (An Milena Pollak, 21.o.22.10.1920, S.359)

Foltern - ein spannendes Thema für Kafka:

"Ja, das Foltern ist mir äußerst wichtig, ich beschäftige mich mit nichts anderen als mit Gefoltert-werden und Foltern. Warum? (...) um aus dem verdammten Mund das verdammte Wort zu erfahren. (...) Natürlich, auch kläglich ist das Foltern. Alexander hat den gordischen Knoten, als er sich nicht lösen wollte, nicht etwa gefoltert." (An Milena Pollak, ca 3.11.1920, S.366)

Kafka als Westjude:

"Wir kennen doch beide ausgiebig charakteristische Exemplare von Westjuden, ich bin, soviel ich weiß, der westjüdischste von ihnen, das bedeutet, übertrieben ausgedrückt, dass mir keine ruhige Sekunde geschenkt ist, nichts ist mir geschenkt, alles muss erworben werden, nicht nur die Gegenwart und die Zukunft, auch noch die Vergangenheit, etwas das doch jeder Mensch vielleicht mitbekommen hat, auch das muss erworben werden, das ist vielleicht die schwerste Arbeit (...)" (An Milena Pollak, 16.11.1920, S.369)

Über Spezialisten (spezialisierte Ärzte):

"Wäre ich doch ein Spezialist geworden. Wie sich ihm die Welt vereinfacht! Die Schwäche meines Magens, die Schlaflosigkeit, die Unruhe, kurz alles, was ich bin und habe, geht ihm auf die Lungenerkrankung zurück. Solange sie nicht manifestiert war, hat sie sich eben in Schwäche des Magens, der Nerven maskiert. Manche Lungenerkrankungen - das glaube ich auch - kommen über solche Maskierungen gar nicht hinaus. Und da ihm das Leid der Welt so klar ist, hat er entsprechend in einem kleinen Ledertäschchen, nicht größer als eine Nationalfond-Büchse, immer auch das Heil der Welt bei sich und spritzt es ihr, wenn sie will, für 12 K ins Blut." (An Milena Pollak, 31.12.1920, S.381)

Briefe von Max Brod an Franz Kafka

Spannende Briefe von Max Brod finden sich im Abschnitt "Briefe an Franz Kafka". Besonders interessant fand ich diese:

Max Brod an Franz Kafka, 16.01.1918, S.686-688

Max Brod an Franz Kafka, 31.01.1918, S.692-694

Max Brod an Franz Kafka, 03.03.1918, S.699-700

Max Brod an Franz Kafka, 19.03.1918, S.701-704

Max Brod an Franz Kafka, 27.12.1920, S.734-736