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Ein neuer Veränderlicher bei M27: Var Vul 05

In Interstellarum 23 (August 2002, S.23) wurde Goldilocks Veränderlicher in M27 vorgestellt. Dabei wurde angemerkt, dass etwa ein Prozent aller Sterne merklich veränderlich ist und sich somit auf typischen Amateuraufnahmen eines häufig abgebildeten Objekts (Galaxie, Nebel) problemlos bekannte oder unbekannte Veränderliche finden lassen. Nun, auf einer typischen Amateuraufnahme von M27 befinden sich mehr als einhundert Sterne. Folglich war die nächste Neuentdeckung eines Veränderlichen nur noch eine Frage der Zeit.

M27, Entdeckungsaufnahme von Jörg Hanisch
Abbildung 1) Entdeckungsaufnahme des Veränderlichen (aufgenommen von Jörg Hanisch)

Der glückliche Finder war Jörg Hanisch. Am 17.08.05 begann er eine Reihe von Testaufnahmen mit seinem neuen C11 und einer ungefilterten StarlightXpress SXV-H9-CCD-Kamera. Sechzehn Aufnahmen à 20 Sekunden mit dem mittleren Aufnahmezeitpunkt bei 20:32:40 UT wurden gestacked. Als er am Samstagmorgen (20.08.) an die Auswertung ging, wollte er seine Aufnahme auch noch mit einem Bild blinken, welches er im Internet gefunden hatte. Dabei fiel ihm auf seiner Aufnahme von M27 (vgl. Abbildung 1) ein heller Stern auf, der auf der anderen fehlte. Dank der 16 Rohbilder konnten Artefakte schnell ausgeschlossen werden. Nachdem er eine DSS-Aufnahme inspiziert und weitere Aufnahmen von M27 aus dem Internet kontrolliert hatte, war er von der Existenz eines ungewöhnlichen Objektes überzeugt und wandte sich an den Ansprechpartner der BAV für Fragen der CCD-Photometrie, der ihm vorschlug, eine Mail an die BAV-mailing-Liste zu schreiben. Dies wurde am 21.08. morgens erledigt, und bald schon wurden weitere Prüfungen gemacht (konnte es sich um einen Kleinplaneten handeln?) und über den Fall diskutiert. Und keine zwei Stunden später wurde von Hans-Göran Lindberg eine unabhängige Entdeckungsmeldung gepostet.

Eine Stunde später kam eine knappe Antwort von Arne Henden, dem Direktor der AAVSO und bekanntesten Spezialisten für Photometrie, wonach es sich um Goldilocks Veränderlichen handeln würde. Wahrscheinlich wäre danach wenig weiter mit der "Entdeckung" geschehen, hätte nicht das BAV-Mitglied Wolfgang Renz die Initiative ergriffen. Wolfgang Renz ist in den letzten Monaten zu einem der wichtigsten und kenntnisreichsten Beiträger in den internationalen mailing-Listen für Veränderliche Sterne und Photometrie geworden. Seiner Klarstellung gab Arne Henden folglich sofort recht. Wolfgang war nach seinen eigenen Prüfungen davon überzeugt, dass es sich um einen besonderen Stern handeln mußte, und unternahm nun sofort alles, um weitere Beobachtungen zu initiieren. Er postete die Entdeckung auf mailing-Listen der sogenannten "pretty-picture"-Fraktion, um zum einen den Ausbruchszeitpunkt anhand von prediscovery-Aufnahmen genauer einschränken zu können und um eine dichte Verfolgung des Ausbruchs am Anfang zu gewährleisten. Denn obwohl er schon eine erste Mail auch an Dan Green vom "Central Bureau for Astronomical Telegrams" geschickt hatte, war klar, dass professionelle Messungen erst starten würden, wenn Dan Green von der Existenz des Objekts überzeugt war und die Berufsastronomen mit einem IAU-Circular davon verständigen würde. Aber ebenso klar war auch, dass bis dahin wichtige und vielleicht entscheidende Beobachtungen nicht gewonnen worden wären. Wolfgang Renz: "Actually I wanted to see what we amateurs can collect on the new object before the professionals even hear about it." Dass auch Amateure in der Lage sind, diese erforderlichen schnellen Messungen zu machen: Das ist eine der ganz wichtigen Erkenntnisse aus diesem Projekt.

Bei der Klärung des Falles waren Beobachter beteiligt, die bis dato noch nie Photometrie betrieben hatten und die Bedeutung genauer Zeit-, Instrumenten-, Filter- usw. Angaben nicht kannten. Wolfgang mußte unermüdlich Aufklärungsarbeit leisten und auch vom Entdecker Jörg Hanisch mit beharrlichem Nachfragen Grundsätzliches wie die genaue Aufnahmezeit klären. Als am 30.08.05 das IAU-Circular No. 8591 mit der Entdeckungsmeldung erschien, wurde folglich auch Wolfgang Renz an erster Stelle genannt, noch vor dem Entdecker, und auch bei den zusammengestellten Informationen zum Objekt werden Arne Henden und Wolfgang Renz gleichermaßen als Referenzen genannt - eine tolle Anerkennung.

Was ist das nun für ein Objekt? Schon auf den ersten Aufnahmen erschien der neue Veränderliche ausgesprochen blau, was als Typ einen kataklysmischen Veränderlichen (eine Zwergnova) nahelegte. Der genaue Zeitpunkt des Ausbruchs konnte auf den 14.08. eingegrenzt werden, wobei die erste Aufnahme, die den Stern zeigte, originellerweise von den beiden dänischen Amateuren Torben Taustrup und Flemming Ovesen ist, die auch die Aufnahmen für Interstellarum 23 beisteuerten. Auf weiteren Aufnahmen vom 15./16.08. findet sich der Stern bei einer Helligkeit von ca. 14,5 bis 15 mag, bis er schließlich am 20.08. von Jörg Hanisch auf seiner Aufnahme vom 17.08. bemerkt wird. Als Maximum kann man daher den 14.08.2005 festlegen.

Lichtkurve von Var Vul 05
Abbildung 2) Leicht schematisierte Lichtkurve von Var Vul 05

Nach einigen Tagen war der Vorläuferstern mit einer Helligkeit von ca 22,5mag auf einer tiefen Rotaufnahme von Arne Henden sicher identifiziert. Die Amplitude von etwa 8 mag verwies auf einen UGSU-Stern. Mit einer ersten mehrstündigen Aufnahmeserie am 24.08. konnte Tonny Vanmunster dies bestätigen, denn er konnte Superhumps mit einer Periode von 0.058 Tagen bei einer Amplitude von 0,3mag nachweisen (Superhumps sind eine Lichtkurvenmodulation, deren Periode einige Prozent länger als die Orbitalperiode des Zwergnovasystems ist und mit der Verformung der Gasscheibe um das System während eines Super-Ausbruchs zusammenhängt).

Wegen der Möglichkeit, einen der seltenen Vertreter der WZ-Sge-Unterart gefunden zu haben, bei denen eine Folge von Abschwächungen um etwa 2 mag mit folgenden Aufhellungen beobachtet wird, wurde Wolfgang Renz nicht müde, auf fortgesetzte Beobachtungen zu drängen. Der Erfolg gab ihm recht: Nachdem der Stern einen allmählichen Helligkeitsrückgang von ca 0,122 mag pro Tag zeigte, fiel er am 6. und 7. September plötzlich um fast 2 mag ab (auf 19,5mag), um danach wieder kurzzeitig auf fast 17,5 zu steigen. Ab dem 11.9. ging der Stern ins nächste Minimum bei einer Helligkeit um 21,5 mag. Dies ist der letzte Stand bei Redaktionsschluß für diesen Veränderlichen, der immer noch unter der vorläufigen Bezeichnung Var Vul 05 geführt wird.

Was können Amateure nun tun?

 

Informationen:
Wolfgang Renz hat eine yahoo-Group zum Veränderlichen angelegt, um Material und Beobachtungen auszutauschen. Dort findet sich eine ausgezeichnete Umgebungskarte und eine Helligkeitssequenz: http://groups.yahoo.com/group/VarVul05/
Sehenswerte Animationen: http://www.cosmotography.com
BAV-Webseite: http://www.bav-astro.de/sterne/m27.shtml
AAVSO-Alert-Notice: http://www.aavso.org/publications/alerts/alert325.shtml

Daten: Name: Var Vul 05 (vorläufige Bezeichnung)
Position: 19:59:51.29 +22:42:32.3 (2000)
Helligkeit: 14,5 - 22,5
Typ UGSU/WZ


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 18.09.2005
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/astronomy/var-vul-05.html