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Veränderlichenbeobachtung mit Digicams

Veränderlichenbeobachtung scheint nur noch mit teurem Instrumentarium möglich zu sein. Bei der Planetenbeobachtung gab es vor einigen Jahren durch billige Webcams einen Boom sowohl bei der Anzahl an Beobachtern als auch in der Qualität der erzielten Ergebnisse. Zwei Faktoren waren dafür maßgeblich:
Frage: Können die heute sehr günstig erhältlichen Digitalkameras einen ähnliche Bereicherung für die Beobachtung Veränderlicher Sterne sein?

Was mit Digitalkameras (im folgenden „Digicams" genannt) möglich ist, soll an einigen Beispielen demonstriert werden. Zwei Leitsätze liegen den gewählten und präsentierten Beobachtungs- und Auswertungsmethoden zugrunde:

Unter einer Digicam wird im folgenden eine Kamera verstanden, die preislich bei 100 bis maximal 200 Euro angesiedelt ist. Explizit wird nicht von digitalen Spiegelreflexkameras gesprochen, die vom Preis und der Leistung her zwischen einer Digicam und einer Einsteiger-CCD-Kamera liegen. Digicams sind also Kameras, die in vielen Haushalten schon verfügbar sind und nahezu für jeden erschwinglich sein sollten (und seien es gebrauchte Modelle).


Die typischen Eigenschaften einer Digicam sind:

Die winzigen Pixel dieser Kameras wirken sich auf zweierlei Art negativ aus: Lässt sich das erste Problem noch einigermassen leicht durch die Mittelung mehrerer Aufnahmen bekämpfen, ist das zweite Problem mit der gegenwärtig verfügbaren Software nicht in den Griff zu bekommen.

Bekanntlich machen Digicams Farbaufnahmen, obwohl die einzelnen Pixel nur Helligkeitsunterschiede nachweisen können. Für die Farbaufnahmen arbeiten fast alle Hersteller mit der sogenannte Bayer-Matrix, also mit Farbfiltern in einer speziellen Anordnung über den Pixeln. Immer vier Pixel werden dann zu einem virtuellen Pixel zusammengeschaltet, wobei je ein blau- und ein rotempfindliches Pixel auf zwei grünempfindliche Pixel kommen. Es ist Aufgabe des so genannten Raw-Konverters, die Matrix aus Pixeln auszuwerten, also das Zusammenführen der Pixel zu virtuellen Pixeln, der Weisabgleich, die Kontrolle von Tonwert, Kontrast und Farbsättigung, die Schärfung und letztlich das Abspeichern im JPEG-Format. Nahezu alle Digicams lasse es zu, den Grad der JPEG-Kompression einzustellen. Natürlich sollte man immer die Einstellungen wählen, die die beste Qualität liefern.

Für die folgenden praktischen Beispiele wurden die zur Verfügung stehenden Digicams "out of the box" benutzt: Keine speziellen Tools, keine Nachführung, nichts. Die längstmögliche Belichtungszeit wurde gewählt, die beste Blende (2,8), die kürzeste Brennweite, und dann jedes Sternfeld mehrfach hintereinander manuell belichtet. Ab einer Belichtungszeit von etwas mehr als einer Sekunde führt jede Digicam automatisch eine Rauschunterdrückung durch, erstellt also eine Dunkelaufnahme mit der gleichen Belichtungszeit und zieht diese von der Hauptaufnahme ab. Etwa alle 35 Sekunden kann daher eine Aufnahme gewonnen werden.

Wie misst man die Aufnahmen?

Zur Messung der Helligkeit auf den Aufnahmen kommen mehrere kostenlose und kommerzielle Programme in Frage. Die Aufnahmen für die folgenden Beispiele wurden alle mit der frei erhältlichen Software IRIS des CCD-Pioniers Christian Buil vermessen. Grundsätzlich sollten mehrere Aufnahmen des gleichen Feldes gewonnen werden und diese Aufnahmen entweder einzeln gemessen und dann der Mittelwert gebildet werden, oder man addiert die Aufnahmen und misst dann gleich einen Mittelwert. Beide Verfahren haben ihre Vorteile und Nachteile.

Einige Screenshots zeigen, wie in IRIS gemessen werden kann. Über den Menüpunkt "Analysis" wird zunächst "Aperture Photometry" ausgewählt. Im sich öffnenden Auswahlfenster wird dann die Photometrie mit 3 Kreisen gewählt (Circle number = 3) und eine passende Helligkeitskonstante (magnitude constant) eingetragen, man könnte diese auch auf 0 lassen, denn man misst immer im Vergleich zu Sternen mit bekannter Helligkeit. Und sofort kann man durch Anclicken der Sterne deren Helligkeit messen. Im dritten Screenshot mit dem auffallend hellen Stern Capella im Fuhrmann wurde zunächst Epsilon Aurigae vermessen, dessen Helligkeit noch nicht ganz aus dem Messfenster herausgescrollt ist und als 3,042 zu sehen ist. Dann wurde der Vergleichsstern Eta Aurigae gemessen, der noch im Zentrum der drei Meskreise steht. Für ihn erhält man die Helligkeit 3,247. Schon Ende dieses Jahres wird man sehen, dass Epsilon Aurigae, ein sehr berühmter Bedeckungsveränderlicher mit der sehr langen Periode von 27 Jahren, wesentlich schwächer als Eta Aurigae geworden sein wird.


Abbildung 2) Auswahl von "Analysis" und "Aperture photometry" in IRIS


Abbildung 3) Einstellung der Photometrie-Parameter in IRIS


Abbildung 4) Durchführung der Messung in IRIS

Beispiele

Grundsätzlich kommen für eine Beobachtung mit der Digicam alle Veränderlichentypen in Frage, wenn die Vertreter nur hell genug sind. Brauchbare Messungen lassen sich bei Einzelaufnahmen bis zur vierten Größenklasse gewinnen (bei einer Grenzgröße einer einzelnen Aufnahme von etwa 6,6mag), addiert man mehrere Aufnahmen, ist die fünfte oder fast sechste Größenklasse machbar.

Schnelle Ergebnisse kann man an Bedeckungseränderlichen gewinnen, wenn man nur ein Minimum in einer Nacht beobachten will. Soll die gesamte Lichtkurve abgedeckt werden, können durchaus einige Monate vergehen. Genau so lange dauert es, den Lichtwechsel eines Cepheiden oder das Maximum eines Mirasterns zu verfolgen. Halbregelmäßige Veränderliche sind besonders gut geeignet, brauchen aber je nach der Zeitskale ihres Lichtwechsels manchmal Zeitreihen von einigen Jahren. An drei unterschiedlichen Sterntypen werden nun die Ergebnisse einiger Monate an Beobachtungen vorgestellt.

Beta Lyrae

Beta Lyrae ist der Namensgeber einer ganzen Unterklasse der Bedeckungsveränderlichen Sterne, nämlich der Beta-Lyr-Sterne. Die beiden Komponenten eines eingen Doppelsterns stehen sich dabei so nahe, dass sie sich gegenseitig verformen, und durch die je nach Stellung verschieden grosse sichtbare Oberfläche der Sterne gibt es praktisch keine Phasen eines konstanten Lichts: Diese Sterne sind also ständig am Ändern ihrer Helligkeit.

Beta Lyrae hat eine Periode von fast 13 Tagen, eine zweiwöchige Schönwetterperiode könnte bei täglicher Beobachtung also schon einen groben Eindruck des Lichtwechsels vermitteln. Der Anspruch, genügend Zwischenwerte zu gewinnen und die das wechselhafte mitteleuropäische Wetter sorgen aber dafür, dass mindestens ein halbes Jahr an Aufwand in eine gute Lichtkurve investiert werden muss. Die Lichtkurve der Abbildung x) wurde anhand von 64 Beobachtungen aus dem Zeitraum März bis Dezember 2008 gewonnen. Jeder Datenpunkt ist das Ergebnis aus der Mittelung von meist sechs Einzelaufnahmen. Rund 350 Aufnahmen mussten also ausgewertet werden, um diese Lichtkurve zu erstellen. Das ist nicht nur "fun", macht nicht nur "Spaß", das ist durchaus Arbeit, wobei das Endergebnis aber für die Mühen und den Aufwand entschädigt. Der typische Lichtwechsel von Beta Lyrae ist sehr gut erfasst: Es gibt zwei unterschiedliche tiefe Minima, bei annähernd gleich hohen Maxima. Eine visuelle Lichtkurve von gleicher Qualität wie diese mit der einfachen Digicam gewonnene bedarf schon eines erfahrenen Beobachters.Der Helligkeitsbereich von Beta Lyrae (3,3 - 4,3) stellt also noch kein Problem dar. Der nahebei stehende Halbregelmäßige R Lyrae kann übrigens wie auch andere Veränderliche in der Umgebung automatisch mitbeobachtet werden.

Eta Aquilae

Mehrere Cepheiden sind hell genug für eine Beobachtung mit der Digicam, als Beispiel soll Eta Aquilae dienen. Mit einer Helligkeit von 3,5mag bis 4,4mag und einer Periode von etwas mehr als einer Woche ideal für die Digicam. Die Lichtkurve dieses Sterns zeigt einen Buckel im Abstieg, was typisch für einen Cepheiden dieser Periode ist. Die Aufnahmen sind nicht optimal verteilt, um einige Details besser erkennen zu können, hätte es sicherlich einige Dutzend weitere Beobachtungen gebraucht - was in de nächsetn Beobachtungssaison nachgeholt wird.

Abbildung 6) Lichtkurve von Eta Aquilae aus xx Aufnahmen.

Beteigeuze

Ein schönes Beispiel eines Halbregelmäßigen Veränderlichen ist der Rote Überriese Beteigeuze. Originellerwiese ist das Problem bei diesem Stern seine große Helligkeit, weswegen es zwar viele visuelle Beobachter gibt, aber nur sehr wenig Messungen. Die Abbildung 3 zeigt die Lichtkurve des berühnmten argentinischen Ausnahmebeobachters Sebastian Otero, der den Stern bei jeder Gelegenheit mit dem bloßen Auge schätzt. In das gleiche Diagramm sind meine Messungen mit einer Canon Powershot A75 (Saison 2007/2008) und einer Canon IXUS 70 (Saison 2008/2009) einmontiert. Die wesentlichen Details der Lichtkurven sind gleich, wobei nur leider der Helligkeitsabfall im Frühjahr 2008 aufgrund einer Schlechtwetterperiode von mir nicht mehr beobachtet werden konnte. Die Werte wären noch genauer, müsste ich mich nicht nur mit einem einzigen Vergleichsstern begnügen, der auch noch blau ist - ungünstig für einen roten Veränderlichen.


Als Fazit aus den gebotenen Beispielen kann abgeleitet werden, dass die Digicams hervorragend zur Beobachtung heller Veränderlicher geeignet sind. Eine Voraussetzung ist allerdings, dass durch die Addierung mehrerer Aufnahmen (was zugegebenermaßen aufgrund der Bildfeldwölbung nicht trivial ist) von vornherein die Streuung reduziert wird. Arbeit macht diese Art von Beobachtung, das ist keine Frage. Andererseits baut man Wissen auf, das beim Umstieg auf digitale Spiegelreflexkameras oder CCD-Kameras von Vorteil ist.

Die freie Software IRIS von Christian Buil ist zu finden unter der Adresse http://www.astrosurf.com/buil/us/iris/iris.htm

 


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 19.01.2009
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