Seit Frühjahr 2008 beobachte ich einige helle Veränderliche mit einer einfachen Digicam, einer Canon Ixus 70. Die Einstellungen sind immer gleich: Blende 2,8, Brennweite 5,8 mm, Belichtungszeit pro Einzelbild 15 Sekunden. Die Zahl der Einzelbelichtungen, die ich für ein Summenbild addiere, hat sich seit Beginn der Beobachtungen von fünf Aufnahmen auf inzwischen zehn Aufnahmen erhöht. Da bei Belichtungszeiten ab einer Sekunde die Kamera unmittelbar hinter jeder Aufnahme ein Dunkelbild mit der gleichen Belichtungszeit erzeugt und von der Objektaufnahme abzieht, dauert eine Langzeitaufnahme in der Summe 30 Sekunden, eine Serie von 10 Aufnahmen also fünf Minuten.
Die Auswertung setzt beim kameraeigenen jpeg-Format an. Diskussionen um die Defizite dieses Formats sind müßig, einfache Digicams geben nun mal kein RAW-Format aus. Nach meiner Erfahrung gibt es aber auch unabhängig von der Formatfrage genug Fehlerquellen, die zu erkennen und zu minimieren sind, immerhin betreibt man Photometrie auf Weitwinkelaufnahmen, was ganz eigene Probleme aufwirft. Den größten Qualitätssprung erhielt ich, als ich begann, nur noch den Grünkanal der jpeg-Aufnahmen auszuwerten (wie man es ja auch bei RAW-Aufnahmen macht).
Alle Verarbeitungsschritte werden in IRIS und in MIRA AP durchgeführt. Photometriert wird im allgemeinen mit drei oder vier Vergleichssternen, wobei eine Variante der Ensemblephotometrie verwendet wird. Die schnelle Verarbeitung der Aufnahmen wird durch mit Excel generierte Statements erheblich erleichtert, die Ensemble-Photometrie wird ebenfalls in Excel durchgeführt.
Die gewählte Brennweite führt zu einer Weitwinkelaufnahme. Damit besteht die Möglichkeit, Felder zu wählen, die mehrere helle Veränderliche enthalten. Mein wichtigstes Feld umfasst das Sternbild Cepheus und einen Teil der Cassiopeia. Zuerst habe ich hier nur Delta Cep und My Cep gemessen, inzwischen sind es noch VV Cep, Rho Cas, V509 Cas und AR Cas. Drei Sterne dieses Feldes werden im Folgenden vorgestellt
.Bis Mitte Oktober 2010 sind von diesem Feld 174 Aufnahmen zusammengekommen; zur Erinnerung: jede Aufnahme besteht aus fünf bis 10 Einzelbelichtungen. Die Abbildung 1) zeigt die 174 Werte von Delta Cep geplottet mit den Elementen des GCVS. Es ist leicht zu erkennen, dass das Maximum früher eintritt, als es nach den Elementen der Fall sein sollte. Das bestätigt schön die schon lange bekannte Periodenverkürzung von Delta Cephei.
Die Lichtkurve hat eine gewisse Streuung, dazu nur drei Anmerkungen:
Ein Hauptziel jeder Cepheidenbeobachtung ist die Ableitung eines Maximums, welches zum Studium der Periodenentwicklung herangezogen werden kann: Die Cepheiden überqueren im Allgemeinen den Instabilitätsstreifen mehrfach, bei der ersten und der dritten Querung verlängert sich die Periode, bei der zweiten Querung verkürzt sich die Periode. Delta Cephei ist also vermutlich bei der zweiten Querung des Instabilitätsstreifens.
Aus meinem bisherigen Material lassen sich zwei Maxima von Delta Cephei bestimmen, die an die BAV gehen werden. Damit reihen sich die Digicam-Beobachtungen in eine seit den ersten Beobachtungsreihen von Goodricke und Pigott 1784-85 nun über 225 Jahre währende Beobachtungsgeschichte ein.
Dieser rote Überriese gehört zu den größten bekannten Sternen überhaupt, wobei der genaue Durchmesser natürlich noch sehr ungenau bekannt ist - aber ob My Cep nun 1400 oder 1600 mal größer ist als unsere Sonne spielt letztlich keine Rolle. Bei einem solchen Überriesen ist kein nervöser Lichtwechsel zu erwarten, man muss als Beobachter viel Geduld mitbringen. Meine Aufnahmen der letzten 900 Tage decken bisher nur wenig mehr als eine Zykluslänge ab, die rund 730 Tage beträgt (Abbildung 3).
Der Vergleich mit visuellen Beobachtungen bietet sich an. Vor zehn Jahren habe ich die Langzeitbeobachtungen von Frank Vohla an My Cep vorgestellt, der diesen Stern seit 1981 kontinuierlich beobachtet. Die folgende Abbildung 4) zeigt die Beobachtungen von Frank Vohla aus dem gleichen Zeitraum wie die Digicam-Beobachtungen:
Es scheint nicht viel Ähnlichkeit zwischen den beiden Lichtkurven zu bestehen, aber immerhin ist das Minimum zum selben Zeitpunkt erfasst. Auch macht es den Eindruck, dass beide Kurven ab dem Minimum besser miteinander harmonieren. Wo aber die visuelle Lichtkurve über 400 Tage lang nahezu bei konstanter Helligkeit verharrt, zeigt die Digicam einen schönen Helligkeitsabfall. Es gibt leider immer nur phasenweise auch lichtelektrische Werte zu My Cep in der AAVSO-Datenbank. Diese bestätigen im Wesentlichen aber den Kurvenverlauf der Digicam.
Während visuelle Beobachter bei My Cep noch in der Lage sind, den Lichtwechsel trotz der Amplitude von nur 0,5 mag zu verfolgen, gelingt dies einzelnen Beobachtern bei Rho Cas kaum noch, höchstens in den Phasen der berühmten aber seltenen Ausbrüche, wenn der Stern deutlich an Helligkeit verliert. Der Lichtwechsel von Rho Cas ausserhalb der Ausbrüche besteht meist nur aus langen Wellen mit einer Amplitude von 0,2 bis 0,3 mag, bei einer typischen Zyklenlänge von 200 bis 350 Tagen.
Rho Cas ist ein gelber Hypergigant (Yellow Hypergiant, YHG), und findet sich in HR-Diagrammen regelmäßig am oberen Rand - er übertrifft in seiner absoluten visuellen Helligkeit selbst My Cep deutlich. Entwicklungsgeschichtlich handelt es sich bei den YHGs um Sterne, die das Stadium der Roten Überriesen verlassen haben und sich im HRD nach links hin zu höheren Temperaturen bewegen, wobei sie unterwegs mit hoher Wahrscheinlichkeit als Supernova enden. Rho Cas schafft es immer wieder einmal auch in die populären Medien, wenn es einer rührigen Forschergruppe gelingt, ihn als Stern zu verkaufen, der jeden Moment als Supernova ausbrechen könnte. Nur wenige gelbe Hypergiganten sind bekannt, in gewissem Umfang sind alle veränderlich, wobei kein Lichtwechsel dem anderen gleicht. In einem der nächsten Beiträge soll V509 Cas (auch bekannt unter der Bezeichnung HR 8752) vorgestellt werden, der als Zwilling von Rho Cas gilt, aber einen ganz eigenen Lichtwechsel zeigt. Das ist das schöne an Langzeitprogrammen - man kann nachträglich auf Aufnahmen einen Stern messen, den man zunächst übergangen hat.
Rho Cas stellt die Grenze dar, wo es noch sinnvoll ist, mit einer einfachen Digicam zu beobachten. Was der Sprung zu einer Digitalen Spiegelreflexkamera ausmacht, sieht man an der Lichtkurve von Rho Cas, die Des Loughney mit einer Canon EOS 450 D erhalten hat. Natürlich ist auch der Aufwand von Des Loughney nicht unerheblich: Er bildet meist ein Mittel aus 20 Aufnahmen, und es können, wenn es ihm auf Genauigkeit ankommt, auch einmal 50 Aufnahmen für einen einzigen Wert sein. Auch können die DLSR-Aufnahmen, die im RAW-Format vorliegen, kalibriert werden.
Die Lichtkurve von Des Loughney bestätigt schön den grundsätzlichen Lichtwechsel, den die Digicam noch nachweisen kann, sie zeigt aber auch ganz klar deren Grenzen auf. Jeder Beobachter muss entscheiden, welchen finanziellen und zeitlichen Aufwand er investieren kann und möchte, um Veränderliche Sterne zu beobachten. Am Beispiel dieser drei hellen Veränderlichen sollte gezeigt werden, dass sinnvolle und befriedigende Langzeit-Beobachtungsprogramme auch mit einer ganz einfachen Digicam durchgeführt werden können.
IRIS: http://www.astrosurf.com/buil/us/iris/iris.htm
Ensemble-Photometrie: http://homepage.mac.com/windwalker1/.Public/Ensemble%20PhotometryV5.pdf
Lichtkurve von Des Loughney: http://www.citizensky.org/sites/default/files/rhocas4_0.jpg
B-R-Diagramm von Delta Cep: David G. Turner "Observing Delta Cephei as an Observing Project for the unaided Eye", JRASC, 93(1999), 228-232 (modifiziert)