Aus der Sektion "Halb- und Unregelmäßige", 4-2000


Neues von den alten Programmsternen

TX Dra: Mit TX Dra habe ich nach der BAV-Tagung vor zwei Jahren die regelmäßige Berichterstattung über die alten BAV-Programmsterne begonnen (BAV Rundbrief 1/1999, 37), es ist nur folgerichtig, nach der diesjährigen BAV-Tagung wieder mit TX Dra einzusteigen.

Vor zwei Jahren zeigte der Stern eine dem normalen Lichtwechsel überlagerte Helligkeitsabnahme, und dieses Phänomen diente mir dazu, auf die Bedeutung von Langzeitbeobachtungen hinzuweisen. Eckard Born hat seine Beobachtungen fortgesetzt, hier also die komplettierte Lichtkurve, zusammengestellt aus seinen 446 Einzelschätzungen von JD 2450428 bis JD 2451856 (das bedeutet: eine Schätzung alle 3,2 Tage!):

Lichtkurve von TX Dra

Abb. 1) TX Dra nach Einzelschätzungen von Eckard Born

Bevor ich auf den Lichtwechsel von TX Dra eingehe, möchte ich zunächst einen interessanten Aufsatz kurz referieren. L.L.Kiss et al. haben in Astronomy and Astrophysics 346, 542-555 (1999) ihren ersten von mehreren Beiträgen zur "Multiperiodizität bei Halbregelmäßigen Veränderlichen" vorgelegt. In den letzten Jahren gab es wachsende Evidenz dafür, dass der komplexe Lichtwechsel halbregelmäßiger Sterne als das Ergebnis mehrerer gleichzeitig aktiver Pulsationsmodi zu verstehen sein könnte, wobei auch aprupte Wechsel von einem zum andern Modus vorkommen können. Um dieses Verhalten zu studieren bedarf es allerdings Beobachtungsreihen von mehreren Jahrzehnten Länge.

Hier setzen die Autoren an. Zunächst weisen sie anhand photoelektrischer Parallelbeobachtungen und Experimenten mit künstlichen Daten nach, dass gemittelte und gefilterte Amateurbeobachtungen aus den grossen internationalen Datenbanken (das meiste Material stammt von der AFOEV, der VSOLJ und der HAA / VSS) eine geeignete Grundlage für die Periodenanalyse bilden können. Wichtig ist nur, dass die Zeitreihen möglichst lang sind. Im Schnitt liegen für die untersuchten Sterne 50 Jahre an Beobachtungen vor.

Die überwiegende Mehrheit der Sterne zeigt Mehrfachperiodizität: von 93 untersuchten Sternen haben 44 Sterne zwei signifikante Perioden, definitive Anzeichen von drei Perioden zeigen 12 Sterne, und nur 29 Sterne zeigen im Beobachtungszeitraum nur eine Periode. Die gefundenen Perioden stehen in bestimmten Verhältnissen zueinander, ein Phänomen, welches aber noch nicht gut verstanden ist.

TX Dra nun ist einer der Sterne mit drei Perioden: die dominante Periode ist 77 Tage, die beiden anderen Perioden sind 137 Tage und 706 Tage. Während die beiden längeren Perioden über lange Zeiträume relativ stabil sind, "schaltet" sich die kürzeste Periode mal ein, mal aus. Die Autoren wagen anhand ihres Material die Vorhersage, dass die 77-Tages-Periode, die zur Abfassungszeit ihres Aufsatzes die dominante Periode war, sich im Lauf von 1999/2000 wieder abschaltet ("a very good opportunity to observe mode switching in real-time").

Schaut man sich nun die Lichtkurve (Abb. 1) an, findet man die Vorhersage der Autoren glänzend bestätigt: etwa ab JD 2451400 (Herbst 1999) folgt auf die ausgeprägten Schwingungen mit 77 Tagen Periode ein weniger regelmäßiger Lichtwechsel, der aber deutliche Minima in Abständen von etwa 140 Tagen zeigt (bei 2451380, 2451530, 2451665 und 2451800). Das ist fast genau die zweite Periode von TX Dra. Gratulation also an den erfolgreichen "mode-switching"-Beobachter Eckard Born.

RR CrB, EU Del, g Her: Für diese drei Programmsterne habe ich in den letzten beiden Jahren keine Lichtkurven zeigen können. Das vorliegende Material ist als Teil von Gemeinschaftslichtkurven sicherlich sehr gut geeignet, aber für eine instruktive Lichtkurve oder zur Ableitung von Maxima und Minima ist die Beobachtungsdichte eines einzelnen Beobachters meist nicht ausreichend bzw die Amplitude zu gering.

Projekt RV-Tauri-Sterne

In den letzten Sektionsberichten wurden bekannte Sterne vorgestellt (R Sct, SS Gem, V Vul), zum Ausgleich nun zwei eher wenig bekannte Vertreter der RV-Tauri-Sterne.

V360 Cyg: Dietmar Bannuscher war einer der ersten, die sich zur Mitarbeit am RV-Tau-Projekt meldeten, und er war überdies bereit, sich um lichtschwächere Sternen zu kümmern.

Reduzierte Lichtkurve von V360 Cyg

Abb. 2) V360 Cyg - reduzierte Einzelbeobachtungen von Dietmar Bannuscher

Seine 49 vorliegenden Einzelschätzungen zu V360 Cyg von JD 2451349 bis JD 2451817 habe ich mit der im GCVS angegebenen Periode von 70,39 Tagen auf einen gemeinsamen Zeitraum reduziert. Das Ergebnis zeigt schön einen typischen RV-Tau-Lichtwechsel mit der angenehm grossen Amplitude von rund 1,5mag. Rechnet man mit den im GCVS angegebenen Elementen (2439748 + 70,39 x E), so kommt man mit der Epoche 166 auf ein Minimum bei 51433. Ob der Stern wirklich so regelmäßig ist, bedarf allerdings der Ableitung einiger weiterer (auch historischer) Minima, um ein B-R-Diagramm erstellen zu können.

TW Cam: TW Cam hat laut GCVS einen Lichtwechsel von 8,98 bis 10,27 im Visuellen bei einer Periode von 87,22 Tagen. Als Vertreter der RVb-Unterart soll er regelmäßige Abschwächungen mit längerer Periode zeigen.

Eckard Born beobachtet den Stern regelmäßig. Seit 1996 liegen Lichtkurvenblätter vor, aus denen ich die zusammen 371 Einzelwerte extrahiert habe. Zunächst die Lichtkurve des Gesamtzeitraums:

Lichtkurve von TW Cam

Abb. 3) TW Cam nach Einzelschätzungen von Eckard Born

Der typische RVb-Lichtwechsel ist deutlich zu erkennen, die beiden RVb-Minima haben einen Abstand von ca 650 Tagen. Aber war der RVb-Lichtwechsel immer so ausgeprägt? Die BAV hat für den Zeitraum davor leider keine so homogenen Beobachtungen mehr zu bieten, man muß also internationale Datenbanken anzapfen. Der AAVSO-Light-Curve-Generator zeigt dann Erstaunliches: betrachtet man den Zeitraum JD 2444000 bis heute, dann findet sich das erste gut ausgeprägte RVb-Minimum erst bei JD 2450000. Das nächste schon weniger gut ausgeprägte Minimum liegt bei ca JD 2450650 (das ist das erste von Eckard Born erfaßte Minimum), und das dritte und nur schwach ausgeprägte Minimum kurz vor JD 2451400. Setzt sich dieser Trend fort, sollte das in einigen Monaten zu erwartende nächste RVb-Minimum noch unscheinbarer sein oder sogar ganz ausfallen. Eine ähnliche Wandlung haben auch die RVb-Minima von U Mon durchgemacht, worauf ich in den letzten Jahren mehrfach hingewiesen habe. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Born noch einige Jahre diesen Stern verfolgt, um das RVb-Phänomen mit einem besonders homogenen Datenmaterial studieren zu können.

Wie steht es nun mit dem kurzperiodischen Lichtwechsel von TW Cam? Ein Blick auf den Gesamtzeitraum zeigt, dass die Amplitude erschreckend klein ist, im Schnitt wenig mehr als eine halbe Grössenklasse. Nicht verwunderlich also, dass wenig brauchbare Parallelbeobachtungen vorhanden sind. Die nächste Lichtkurve zeigt einen gut besetzten Abschnitt mit besserer zeitlicher Auflösung:

Lichtkurve von TW Cam

Abb. 4) TW Cam nach Einzelschätzungen von Eckard Born (Ausschnitt)

Der typische RV-Tau-Lichtwechsel mit dem Wechsel von Hauptminimum, Hauptmaximum, Nebenminimum und Nebenmaximum ist in dieser Beobachtungsphase vorhanden, wenn auch nicht so deutlich wie z.B. bei V Vul. Zu anderen Zeiten wirkt TW Cam aber gar nicht wie ein RV-Tau-Stern.

Eine Periodenanalyse zeigt den stärksten Peak bei ca 630 Tagen, bei einem Beobachtungszeitraum von knapp 1400 Tagen allerdings noch wenig aussagekräftig. Der nächste grosse Peak ist bei einer Frequenz von 0.02298, entsprechend einer Periode von 43,516 Tagen, ein dritter Peak bei 0.01205 (P ca 82,99 d). Überraschend ist das nicht das doppelte von 43,5 Tagen - etwas ungewöhnlich für RV-Tau-Sterne. Nach dem kommenden RVb-Minimum werde ich nochmal über TW Cam berichten.

Private Programme: PZ Cas

PZ Cas wird von Jörg Neumann seit dem 6.12.1990 beobachtet, also seit fast genau zehn Jahren: solche Langzeitbeobachtungen sind immer einen Hinweis wert. PZ Cas ist ein SRc-Stern vom Spektraltyp M3Ia, also ein halbregelmäßiger Überriese. Laut dem GCVS 85 soll die Periode etwa 925 Tage betragen, eine Untersuchung anhand historischer Plattenaufnahmen von 1960 bis 1984 von L.S.Kudashkina findet dagegen eine Periode von 801 Tagen. Schaut man sich Jörg Neumanns Lichtkurve an (Abb. 5), könnte man auch eine Periode von 400 Tagen für möglich halten, allerdings bei stark wechselnder Amplitude. Diese Lichtkurve hat zwar nicht die langen saisonalen Lücken der photografischen Beobachtungsreihen (z.B. der von L.S.Kudashkina), dennoch könnte sie eine Beobachtungsfrequenz von etwas mehr als 19 Werten pro Jahr noch gut vertragen.

Lichtkurve von PZ Cas

Abb. 5) PZ Cas nach 188 Einzelbeobachtungen von Jörg Neumann

Aktuell: Helligkeitsabfall von Rho Cas

Rho Cas ist einer der im Visuellen leuchtstärksten Sterne der Milchstrasse. Die Veränderlichkeit wurde schon im Jahr 1900 durch L.D.Wells entdeckt, seitdem wird der Stern visuell, photographisch und lichtelektrisch beobachtet. Der Lichtwechsel besteht aus einer Mischung von irregulären Pulsationen geringer Amplitude (0,1 bis 0,4 im Visuellen) und Helligkeitsabschwächungen, die auf "shell-ejections" zurückzuführen sind. Diese "Minima" führten eine Zeitlang zu der fälschlichen Eingruppierung von Rho Cas als "RCrB-ähnlich". Im Gegensatz zu den massearmen RCrB-Sternen ist aber Rho Cas ein massereicher Stern in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium (ein "Yellow Hypergiant"), der sich am Rand der Instabilität bewegt. Das Langzeitverhalten von Rho Cas anhand von 15 Jahren VRI-Photometrie wurde von J.R.Percy und D.L.Kolin in PASP 112,363-366 (2000) vorgestellt. Demnach zeigt der Stern Anzeichen mehrerer sich überlagernder Pulsationsperioden (am deutlichsten mit einer Periode von 820 Tagen), allerdings auch mehrere Subzyklen von 200 bis 500 Tagen Dauer. Letztlich kann man eigentlich nur sagen, dass diese Pulsationserscheinungen irregulär sind.

Die erste bekannte und bisher tiefste Shell-Episode war 1946/47, wobei Rho Cas bis auf etwa 6,1 im Visuellen fiel. Die letzte Shell-Episode war 1986 und führte wiederum zu einem visuell deutlich wahrnehmbaren Minimum (vgl. Abb. 6).

Im Sommer 2000 hat wieder eine dieser seltenen Episoden begonnen. Leider hat derzeit (soweit ich weiß) kein BAV-Beobachter diesen Stern im Beobachtungsprogramm, was noch vor 10 Jahren ganz anders aussah. Immerhin hat Thorsten Lange nun mit der Beobachtung begonnen. Auf der BAV-Homepage stellt er auch Lichtkurven aus VSNET-Daten zur Verfügung.

Rho Cas - visuell und lichtelektrisch

Abb. 6) Rho Cas - visuelle und lichtelektrische Schätzungen (Nov. 1984 bis 2000)

Zum Anregen zwei Lichtkurven, die bei der vorhergehenden Shell-Episode beginnen. Die obere zeigt 10-Tages-Mittel aus der AFOEV-Datenbank: da Rho Cas in der ersten Hälfte des Zeitraums gut doppelt so häufig beobachtet wurde wie in der zweiten Hälfte des Zeitraums, ist die Streuung der Werte dort erheblich geringer. Die untere Abbildung zeigt die lichtelektrischen Werte desselben Zeitraums. Ein grosser Teil dieser Werte kommt vom Automatic Photoelectric Observatory (APT) des Fairborn Observatory (1986 bis 1999), rund 400 Messungen (1984-1995) habe ich Mitte der 90er-Jahre aus verschiedenen Zeitschriften gesammelt. Insgesamt standen mir knapp 1900 Werte zur Verfügung. Nach dem Ende des aktuellen Minimums werde ich auf Rho Cas noch einmal zurückkommen.


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 06.12.2001
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