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Lektürenotizen, Zitate aus:

Georg Striehl - Der Zeichner Christoph Heinrich Kniep (1755-1825)

Landschaftsauffassung und Antikenrezeption

Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York 1998

Christoph Heinrich Kniep
Links ein Selbstportät; rechts ein Porträt von J.H.W.Tischbein

 

Gelesen Ende Oktober 2003. Inhalt: sehr gut. Abbildungsqualität: mäßig

Inhalt: Die wichtigsten Themen bei Kniep sind die Landschaft und die Antikenrezeption.
Das Geburtsjahr 1755 scheint nun gesichert (1748 nach anderen Quellen).
Kniep hat bestenfalls eine Werkstattausbildung genossen. Eine Akademie hat er niemals besucht.

Zuerst Porträtmaler in Hamburg 1778-1780. Dort Bekanntschaft mit Klopstock. Veehrte dann Klopstock bis ins hohe Alter. Künstlerisch hinterläßt das bei Kniep aber keine Spuren.
Gutes Zitat: "... ästhetische und intellektuelle Indifferenz, ..."(S.2)
Bekanntschaft mit Chodowiecki (Ch. für Knieps Porträtmalerei vorbildlich).
Bekanntschaft mit Joachim Heinrich Campe.

Dezember 1780 in Berlin (vielleicht wg Chodowiecki), auf dem Weg dahin Besuch in Kassel wg Kontakte zur Malerfamilie Tischbein.
In Berlin Bekanntschaft mit dem Fürstbischof Krasicki, der ihm schießich die Reise nach Italien ermöglicht haben soll.

1781 bis Ende Oktober 1785 in Rom. In Rom angekommen keine Gelder von Krasicki mehr, deswegen Zwang, von Porträtmalerei u.a. zu leben.
Spätestens als Tischbein 1783 aus Neapel zurückkehrte, schloß sich Kniep dessen Kreis an, gehörte auch sonst zum deutschen Künstlerleben dort dazu, wenn er auch wenig Spuren hinterlassen hat.
Entwicklung vom Porträt- zum Landschaftszeichner.

Charakteristik Knieps durch Friedrich Münter (Tagebuch), dem Bruder von Friederike Brun:
"Kniep. er muß durch Elend klug werden. Voll Kopfs u. Talent hat ers für besser gefunden, jämmerlich, u. ohne einen Heller zu leben, anstatt gut auskommen zu können. steckt über die Ohren in Schulden bey aller Welt, u. will doch nicht arbeiten, ob er gleich sehr gut Landschaften zeichnet und sehr gut sein Brod gewinnen könnte. Er will aber nichts anders machen, als sich selbst Studia zeichnen. sein Leichtsinn ist überall sehr gross. seine Zunge unbändig, besonders wenns über Religionssachen geht. Er hat überhaupt viel in seinem Leben aufgeschnappt u. ein gutes Gedächtnis, aber wenig gelesen u. über wenig nachgedacht. erzählt aber ganz angenehm u. urtheilt frisch fort." (S.5)
Ende Oktober 1785 Übersiedlung nach Neapel.

Aus einem Brief Tischbeins an Münter:
"Sie kennen das gute flegmatische Temperament von unserem Knip, er ist ein Herz guter Mensch, er kann arbeiten, nur ein bischen Aufmunterung und Sporn ist dabey nöthig."(S.6)
Tischbein beschreibt die Lebensverhältnisse Knieps noch 1787 als ziemlich drückend und gibt ihm dafür selbst die Schuld.(S6ff). Ursache sind seine langsame Zeichenweise und eine unzweckmäßige Gründlichkeit.
Scharfer Ton aus Tischbeins Autobiographie:
"Leider verkehrte er nur mit Menschen, die unter ihm standen, die ihm stets ehrerbietig zuhörten und ihn für etwas Großes hielten, während er alle floh, von denen er merkte, daß sie sich nicht viel aus ihm machten." ... "Es fehlte ihm gar nicht an Bestellungen; aber seine Preise waren zu gering, und er arbeitete zu lange an seinen Sachen, weil er alles auf's Genaueste ausführen wollte. Dabei konnte er nicht bestehen."(S.7)
Die mit Goethe 1787 unternommene Sizilienreise war für Knieps Bekanntheit entscheidend und für seine künstlerische Entwicklung ein bedeutendes Ereignis.
Nach der Reise gemeinsame Wohnung mit Tischbein und Heinrich Meyer in Neapel. Besuch dort von Herder 1788.
Kniep wohnte über dreissig Jahre in Neapel. Da er keine Beziehungen zum königlichen Hof hatte und keine gesellschaftliche Stellung bekleidete mußte er 1799 nicht (wie Tischbein) aus Neapel fliehen. Allerdings führte die Unterbrechung des Italienreisestroms und der Positionsverlust des Adels in der Folge zu geringeren Einnahmen.

Wenig Lebensnachrichten nach 1800, nach 1810 werden selbst knappste Notizen zur Seltenheit. Einige lokale Ehrungen hat er allerdings erhalten.(S.10)

Ein Urteil von Karl Morgenstern 1809:
"Daß es ihm an literarischer Bildung fehlt, bemerkt man bald im Gespräch, doch darin darf man es mit den Deutschen Künstlern überhaupt so genau nicht nehmen."(S.10)
Ludwig Richter bescheinigt Kniep eine ganz kümmerliche und anachronistische Existenz:
"Freund Götzloff hatte diesen alten Kniep in Neapel angetroffen und war von ihm gefragt worden, ob er (als Sachse) vielleicht einen gewissen Goethe kenne, und ob dieser noch in Weimar lebe. So isoliert, abgestumpft und abgestorben dem Vaterlande lebte das alte Männchen in der fremde."(S.11)
Ende 1824 Erkrankung
11.7.1825 gestorben in Neapel

 

Kniep, Bocca di capri
Christoph Heinrich Kniep - Bocca di Capri (Felsen mit Fischer)
439 x 565. Aquarell über Federzeichnung, Striehl Katalog 488
Links Capri, rechts die Sorrentiner Halbinsel, dazwischen blaß der Vesuv

Eine eigentliche Rezeptionsgeschichte Knieps gibt es nicht, meist taucht er nur im Zusammenhang mit Goethe auf.

Zeitgenössische Beurteilung seiner Kunst (wiederum von Karl Morgenstern):
"Doch kam es mir vor, als wäre in seinen Arbeiten, so wie in seinem Wesen ... bey sehr guter Naturanlage, mehr Fleiß als höhere künstlerische Begeisterung sichtbar."(S.13)
Von größter Bedeutung für die fortdauernde Rezeption Knieps ist Goethes "Italienische Reise", bei der gerne in illustrierten Ausgaben auf Zeichnungen Knieps zurückgegriffen wird.(S.14)

Kniep begann als Bildniszeichner (vor 1781 fast ausschließlich), wechselte dann aber über ins Fach des Landschaftsmalers. Dem ausschließlichen Gebrauch der Handzeichnung ist er aber treu geblieben. ... Weder vor 1755 noch nach 1825 ist der berufsmäßige, nicht akademisch ausgebildete Nur-Zeichner, der Kniep sein Leben lang geblieben ist, vorstellbar.(S.21)

Porträts stellt Kniep fast immer im Profil dar, meist als Schulterstück.(S.22)
Ein Porträtkünstler zählte zu den Kleinkünstlern - ist also unbedeutend gemessen an höheren künstlerischen Ansprüchen.

Zur Antikenrezeption ein gutes Zitat:
"Was als Formvorbild diente, war letztlich kein originaler Wert, sondern ein vermittelter, typisierter Eindruck, der sich aus verschiedenen Originalen, Kopien und Reproduktionen, individuellem und zeitgebundenem Sehen zusammensetzte." (S.56)
Kniep in Goethes Italienischer Reise:
"Die Distanz zu Knieps einfältigerem Wesen bleibt in den zahlreichen Textstellen, die Knieps Person mit dem Text der 'Italienischen Reise' verweben, trotz aller freundlichen und lobenden Worte immer bestehen. Das Verhältnis Goethes zu Kniep ist eindeutig zweckgebunden und nicht mit den durch gegenseitigen Austausch und persönliche Wertschätzung geprägten Beziehungen Goethes zu Tischbein oder Hackert vergleichbar."(S.89)
Goethe hat in Sizilien kaum weniger als Kniep gezeichnet. Bei einigen Zeichnungen ist die Zuschreibung an Goethe oder Kniep sogar unklar.
Kniep hat keinen Einfluß auf Goethes eigenen Zeichenstil gehabt.(S.92)

Nach der gemeinsamen Sizilienreise erhielt Kniep von Goethe und über Goethe vermittelt weitere Aufträge, war aber mit der Abarbeitung dieser Aufträge so saumselig und unzuverlässig, dass er sich den Unmut der Auftraggeber zuzog.(S.141) Die Erledigung zog sich bis 1794 hin. Immerhin verbesserte sich Kniep in dieser Zeit, was auch die Aufraggeber anerkannten.

Kniep, Segelschiffe vor Capri, 1787
Christoph Heinrich Kniep - Segelschiffe vor Capri (1787)
230 x 297, Bleistift und Feder mit schwarzer Tusche laviert; Striehl Katalog 511
Alternativer Inhalt: beim Passieren von Kap Minerva (Punta Campanella)

Die Entwicklung Knieps zum Landschaftszeichner steht unter dem starken Einfluß Hackerts, allerdings mit durchaus eigenständigen Zügen. Hackerts Standpunkt ist typisch klassizistisch: Die Darstellung soll gleichzeitig dokumentarische Naturtreue zeigen als von bildmäßiger Komposition bestimmt sein; Schönheit als Hauptzweck der Kunst. Figuren sollen für Hackert entgegen Sulzers Theorie der schönen Künst jedoch keine aufdringliche oder gar allegorische Bedeutung transportieren, sondern dienen als harmlose Staffagefiguren, meist ländliche Figuren.(S.145) Kniep dagegen sieht sich eher als Produzent von Ideallandschaften, weswegen auch seine Staffagefiguren oft einen wie auch immer gearteten allegorischen Inhalt tranportieren, was nicht unbedingt mit einem tieferen Verständnis oder überhaupt einer tieferen Kenntnis der zugrundeliegenden Geschichten und Texte einhergeht. Auch die allegorischen Staffagefiguren sind nur Versatzstücke.(S.161-167)

Eine Ideallandschaft wird gewissermaßen mit mythologischer Staffage nach Auftraggeberwünschen aus Antikenzitaten und Landschaftselementen zusammengefügt. Ein Beispiel für so eine Rezeptur ist die Entstehung der Zeichnung "Landschaft mit Endymion"(S.170ff)

Verhältnis zu Tischbein, Zitat:
"Die lockere Skizzierweise Tischbeins, seine spielerische Phantasie, seine Neigung, sich sprunghaft dieser und jener Sache zuzuwenden, sind grundverschieden von der geduldigen Genauigkeit Knieps. Hinsichtlich der Zeichentechnik übte Tischbeins freierer Umgang mit den künstlerischen Mitteln daher nur einen punktuellen Einfluß auf Kniep aus"(S.194)
Wichtiger sind die Bezüge zu Tischbeins literarisch-allegorischer Bildauffassung und seiner Antikenrezeption.(S.195)

Knieps 1811 veröffentlichte Anleitung zum Zeichnen von Ideallandschaften "Elementi di Paesaggio" in Zusammenarbeit mit dem Kupferstecher Ludwig Friedrich Kaiser wurde von Carl Gotthard Graß gelobt und empfohlen.(S.213). Zu finden ist das Werk kaum, die Editionsgeschichte über weite Strecken unklar. Sie richtet sich an Liebhaber, also an Dilettanten.

Die Zahl der Zeichnungen im Katalogbestand zw 1800 und 1815 ist im Vergleich zum Zeitraum 1787-1799 sehr gering wegen der stark zurückgegangenen Zahl der Italienreisenden.(S.233)

Inhaltlich löst die ländliche Idylle die arkadische Landschaft als Darstellung einer erfüllten, heilen Welt ab.(S.233) Diese Wandlung setzt motivgeschichtlich bereits im 18.Jh ein.

Kniep gelang es in seinen letzten Lebensjahren, seine Kreidetechnik noch weiter zu verfeinern. Zwischen 1820 und 1825 entstanden einige der ausgereiftesten Blätter.(S.265).

Mit dem Wiedereinsetzen des Reisestroms nach Italien im Anschluß an den Wiener Kongress von 1815 fand Kniep auch einen neuen Kundenkreis, der ein Interesse an Veduten hatte.(S.265)

Schluß: Knieps Stellung im Klassizismus

(Sehr lesenswerte Zusammenfassung und Einbettung Knieps in den ästhetischen und gesellschaftlichen Kontext, S. 283-288)
Ohne die Begegnung mit Goethe würde man sich heute an Kniep nicht mehr erinnern. Der Wert der Beschäftigung mit Knieps Arbeiten liegt praktisch nur darin, wie sich in ihnen die künstlerischen Tendenzen seiner Zeit wiederfinden.

Seine Produktion läßt sich in vier große Phasen unterteilen:
  1. Porträtzeichnungen (bis 1781)
  2. Studien- und Orientierungsphase in Rom (1782 bis 1785)
  3. Überwiegend Tuschezeichnungen (1785 - ca 1810)
  4. Überwiegend Kriedezeichnungen (ca 1810 - 1825)
Das überschaubare Oeuvre ist zudem von einer beständigen Wiederholung von Bildmotiven und Bildelementen geprägt.(alles S.284)

Gutes Fazit:
"Kniep ist vor dem Hintergrund der sich verändernden Marktbedingungen in seiner durch die Kulturgeschichte der Italienreise, speziell der Bildnachfrage der Reisenden, geprägten Umgebung zu sehen. Dabei bleibt er in seiner ganzen Entwicklung über die persönliche und lokale Prägung hinaus in die europäische Dimension des Klassizismus eingebunden"(S.284)

 

Das Durchblättern von Striehls Band vermittelt doch eine gewisse Achtung vor diesem Oeuvre aus immerhin einigen hundert erhaltenen Werken, aus denen zwar eine gewisse Pedanterie, aber auch ein solider Fleiß und ein Bemühen zum Immer-besser-werden spricht. Besonders die Stücke aus dem Konvolut "Disegni Originali" (1818) wirken gar nicht übel.

Zu den Abbildungen: Die Abbildungen im Band können natürlich nur einen Schatten der tatsächlichen Qualität oder Nicht-Quaität der Originale vermitteln. Das deutlichste Beispiel ist allerdings nicht von Kniep, sondern eine Neapelansicht von Giovanni Battista Lusieri von 1791. Im Kniep-Band ist das nur eine kleine Schwarz-Weiß-Abbildung (Abb. 264 auf Seite 217), im Band "Goethe und die Kunst" (dem von Sabine Schulz hrsg. Katalog der Schirn-Ausstellung 1994) eine doppelseitige duftige Farbwiedergabe, die zum Spazierengehen einlädt (Abb. 286 auf den Seiten 418/419).
Bessere Abbildungen hätten den Preis dieses Werks wohl ins astronomische gesteigert.

 

Eventuell noch interessante weiterführende Literatur:

- Katalog "Künstlerleben in Rom", Nürnberg 1991

Graß, Carl Gotthard:
Hinterlassene Briefe von Carl Graß. In: Kunstblatt, Nr. 30, vom 13.April 1826. !! ausleihen !!


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 29.10.2003
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