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Karl Hofer - Erinnerungen eines Malers

Hofer, Halbakt, 1934 Karl Hofer gehört zu den Einzelgängern unter der Malern des 20. Jahrhunderts: er gehörte keiner "Richtung", keinen "ismus" an, hat auch keine neue Richtung begründet.

Sein Weg war schwierig: 1878 schon als Halbwaise geboren, bei Tanten aufgewachsen, dann Waisenhaus, kaufmännische Lehre, Tätigkeit als "Gehilfe".

Wechsel zur Kunst, aber noch ziel- und haltlos. Dann 1902 das, was für viele Künstler das wichtigste ist: Bekanntschaft mit einer sehr reichen Familie, die ihn fördert und äußerst großzügig unterstützt (denn Kunst kommt nicht nur von Können, sondern auch von Gunst, und Gunst ist oft mit Geld verbunden).

Aufenthalte in Rom, Paris, Reisen nach Norwegen, USA, lange Aufenthalte in Indien etc.
Während dem ersten Weltkrieg in Frankreich interniert. Nach dem Krieg Berufung an die Kunsthochschule Berlin-Charlottenburg. Vorstand der Berliner Sezession etc.

Von den Nazis als "entartet" gebrandmarkt, Arbeitsverbot. Verlust des Ateliers bei einem Großangriff 1943 mit allen Werken und Unterlagen. Nach dem Krieg Berufung zum Direktor der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg. Hitzige Debatten und Streiteeien um abstrakte Kunst.

Gestorben 1955.

Seine Bilder (oft melancholische Mädchen) strahlen eine nachdenkliche Ruhe aus, es wird nicht gelacht, die großen Bewegungen kommen nicht vor.

Interessant war es, seine Erinnerungen zu lesen: ein interessanter Lebenslauf mit einem sehr wachen und neugierigen Intellekt geschildert. Hier eine eher anekdotenartige Auswahl, zitiert nach der Ausgabe: Karl Hofer, "Erinnerungen eines Malers", Berlin (Paul List Verlag, TB 247) 1963.

 


Aus einem Traum Hofers (S.34ff):
Fern am Horizont, in einer glasharten Luft, türmten sich gigantische Wellen von einer Farbe, die ich nie gesehen (...). Wir begannen zu singen, bis die schweren Wogen des Wassers donnernd die Fenster eindrückten und das Meer über uns kam (...).

Künstlerische Jugendwirren
Hofer, Frau, 1939
Ich sah nun erstmalig die verwirrenden Schätze des Louvre, doch vermochte ich die Meisterwerke in keine Beziehung zu bringen zu meinem Streben, das, allzu wirr, noch keine endgültige Gestaltung gefunden hatte. Diese alten Meister hielt ich, wie schon erwähnt, für etwas Schönes, aber Totes, das einer revolutionären Jugend nichts mehr zu sagen hat. Ich kletterte damals sozusagen auf einen Baum und hing in der Luft, anstatt mich um Fundamente zu bemühen (S.46). (...) Zu sehr war ich in die eigenbrötlerische Einbildung verrannt, ich müsse alles aus der Tiefe des Gemüts holen (S.47). (...) Jugendlicher Dünkel ließen mich leidenschaftlich und mit scharfen, unbedachten Worten ungefähr alles Dagewesene ablehnen. Neues stand unklar vor einem unklaren Weg. Was mit meinen unvollkommenen Mitteln einfach nicht zu erzwingen war, wollte ich durchaus zwingen, noch war mir die Erkenntnis fern, daß sich in der Kunst nichts erzwingen läßt. So hing ich gewissermaßen in der Luft, ohne in irgendeiner Tradition zu wurzeln. (...) Ich warf einfach alles über Bord, ohne eine neue Ladung zu finden (...) (S51ff). So glaubte ich ohne Syntax reden zu können, schuf aus dem Nichts in das Nichts (S60). Man verließ sich auf die Macht eines Eindrucks und kannte nicht die Bedingungen des Ausdrucks (S.61).

Italienische Impressionen
Ein dichtes erregtes Gewühl, Männer, Frauen, Kinder, alles durcheinander, heftig gestikulierend, bis in der Menge, die bald zum tobenden Knäuel geworden war, Messer blitzten, Steine drohend erhoben wurden, eine uralte Frau in einem Fenster geiferte und mit der flachen Hand gegen die Mauer schlug. (S.70)

Norwegische Impressionen
Seltsames Land, seltsame Atmosphäre, Nivelheim. Häßliche, primitive Holzhäuser, jedes mit einer Feuerleiter. Alles wirkt wie provisorisch hingestellt, um gelegentlich noch geordnet zu werden. Man hatte den Eindruck einer amerikanischen Goldgräberstadt, eines wildwestlichen Provisoriums (S.77). (...)

Von Nacht und Nachtruhe ist in den Sommermonaten, wo die Sonne immer am Himmel steht, nicht zu reden. Ich bin nie dahintergekommen, wann diese Menschen eigentlich schlafen, wahrscheinlich auf Vorrat im Winter, wenn ewige Nacht herrscht. Es konnte sich ereignen, daß sich Hotelgäste von zwei bis drei Uhr nachts vor der Tür unterhielten, und die Straßen belebt waren.Es herrschte eine hektische Atmosphäre aus Schnaps und recht handgreiflicher Liebe, Katastrophen und seltsamen Ereignissen, Strindberg in der Potenz (S.78).

Hofer, Mann vor Spiegel, 1943 Ceylonesische Impressionen
(In Colombo:) Man täuscht sich, wenn man glaubt, es flögen da Paradiesvögel durch die Luft. Raben sind es, die in unvorstellbaren Mengen mit ununterbrochenem Gekrächze die Luft bevölkern. Die in Körben Fische oder anderes auf dem Kopf tragenden Eingeborenen können sich der Raben nur durch Kreisen eines Stockes erwehren. Die Vögel dringen auch durch die Fenster in die Speiseräume ein und versuchen, auf die Tische zu gelangen (S.96).
Aus der Zeit in Indien:
Neben meinem Bungalow lagen die Coffee-Works von Mr. King Church, von dem ich auch mein Haus gemietet hatte. Dort waren an die hundert Frauen und Mädchen mit dem Sortieren des Kaffees beschäftigt. Dazu wurde vom Beginn bis zum abendlichen Ende der Arbeit gesungen, und zwar, wie mir der Lehrer sagte, alte Epen aus Indiens Geschichte, die in endlosen, gleichmäßigen Litaneien ertönten, wobei das Gedächtnis der Vorsängerin zu bewundern war. Eingeflochten in die Geschehnisse vergangener Zeiten wurden nun aber auch die Tagesereignisse, besser gesagt, der Klatsch des Ortes. Und so bekam ich begreiflicherweise als neuzugezogener Nachbar mein Teil ab. Der Munshi machte mich eines Vormittags während der Stunde darauf aufmerksam, und manches vermochte ich nun selbst zu verstehen. Diese Einschaltungen des Alltäglichen beschränkten sich jedoch, ohne Kritik oder Bosheit, auf die Fakta, etwa daß ich ein Mädchen ins Haus genommen hatte, daß sie aus Cannanore sei usw. Ich hatte einige bildhübsche Jungen von zehn bis zwölf Jahren in meinem Garten heimisch werden lassen und sah gern ihren Spielen zu, zeichnete und photographierte sie. Auch dies wurde besungen. Man berichtete, wieviel Anna ich ihnen gestern oder vorgestern gegeben hatte, daß ich Bilder von ihnen machte und solcher Harmlosigkeiten mehr. (S.110)



Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 06.10.2003
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