"Es ist wirklich kein Spaß, zur Avantgarde zu gehören, (...) seiner Zeit voraus zu sein, Dinge zu sehen und zu können, von denen man genau weiß, daß sie richtig sind und daß sie hinhauen, und dann festzustellen, daß keiner was davon wissen will. Sicher, nett für später ist es schon, wenn man tot ist oder alt, aber einstweilen reibt einem das Dasein als 'verkanntes Talent' ganz schön die Nerven auf." (1952/53). S.54 oben.Von heute aus gesehen wohl ein sehr kitschiger Geschichtsbegriff - eindimensional: Wer heute noch von Avantgarde spricht oder sich gar dafür hält, hat sich schon disqualifiziert. Ed war von 1950-55 in Paris. Marc M. Hartmann (S.54-59): "Liebe in Saint Germain des Prés" ist ein Fotoroman. Gleichzeitig auch ein Zeitdokument: Der Optimismus nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich schnell verflüchtigt, der kalte Krieg hat begonnen, die Kolonialstaaten bekommen Probleme mit ihren Kolonien. Ed lebt zunächst in einem Dienstbotenzimmer (NICHT als Clochard). Zusammenleben mit der ungarischen Fotografin Ata Kando (*1913). Heirat 1954. Drei Jahre Aufnahmen einer Gruppe von Jugendlichen, er fühlt sich angezogen von deren Melancholie und Wut und Schwärze, vom Pessimisus und Defätismus. (S.56) Saint Germain des Prés galt zu jener Zeit auch als Zentrum des Existenzialismus; Ed hier sehr kritisch:
"Der Mythos von den beboppenden, pseudointellektuellen, pseudokünstlerischen jungen Leuten, die in den dekorativen Kellern Jazzmusik hören und sich über Sartre austauschen, ist veraltet, unzutreffend oder zumindest sehr kurzsichtig. Die Tourismusindustrie versucht, ihn weiterhin als wahr zu verkaufen, er ist jedoch geschmacklos, entehrend und vor allem ärgerlich. Die Jungen und Mädchen, die dabei mitmachen, sind Widerlinge, Prostituierte, rückgratlose Waschlappen, Widerlinge also." (Ed 1954, S.57)Ein Zitat von Vali Myers (1972, zu dieser Zeit in Positano lebend), die im Fotoroman die weibliche Hauptrolle spielt:
"Wir lebten auf den Straßen und in den Cafés wie eine Meute von Straßenkötern".S.76 u 77: schöne Aufnahmen von Ata Kando (76: Selbstporträt mit Ata Kando). S.79 Michael Naura im Text zu Jazz:
"Van der Elsken hat eine uralte Heilregel ins Bild gesetzt: wirf gelegentlich deine Fesseln ab, Freund, sonst landest du noch bei der Nilpferdpeitsche deines Familien- beziehungsweise Berufslebens in der Klapsmühle."Zwei Aufsätze zu Eds Filmen: Diese kommen (durch die Blume gesagt) nicht gut weg, Ed war zu selbstverliebt, zu theoriefern, zu wenig interessiert an Konzepten. Letztlich war er als Filmemacher nur ein Amateur. Fazit: Seine Fotos sind gut, aber oft etwas zu hart (= kontrastreich) vergrößert.
ab 1950 | Zusammenleben mit Ata Kando, Heirat 1954, Scheidung 1955 |
1956 | erster wichtiger Fotoroman (Saint Germain) |
1957 | Heirat mit Gerda van der Veen |
1959/60 | gemeinsame Weltreise |
1971 | Trennung von Gerda |
1972 | Anneke Hilhorst zieht bei Ed ein (Heirat 1984) |