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Die veränderlichen Roten Überriesen in h und chi Persei

Auf Farbaufnahmen erscheint der junge bläuliche Doppelhaufen h und chi Persei umgeben von einer auffallenden Gruppe von roten Sternen. Dieser "Halo" hat einen Durchmesser von nahezu 5 Grad, ist also deutlich größer als die beiden Haufen zusammen. Die Gruppierung ist nicht ganz zufällig. Zum einen stehen die beiden Haufen auch räumlich eng zusammen, zum anderen bilden sie das (allerdings nicht ganz unumstrittene, vgl. [3]) Zentrum der Assoziation Perseus OB1. Welcher der rund zwei Dutzend roten Sterne nun tatsächlich zu h und chi Persei selber gehört ist auch heute nicht eindeutig zu beantworten: Eine räumliche Nähe an der Sphäre - FZ Per und AD Per stehen scheinbar zwischen h und chi Persei - kann nur vorgetäuscht sein, da der Stern ja weit im Vordergrund oder Hintergrund stehen kann. Und einer scheinbaren Ausdehnung von 5 Grad für die Assoziation entspricht in der Entfernung der Haufen eine tatsächliche Ausdehnung von mehreren hundert Lichtjahren.

Karte mit Identifikationen der Roten Überriesen

Karte mit der Verteilung der Roten Überriesen im Haufenbereich. Links die weitere Umgebung (der "Halo"), rechts der engere Bereich der beiden Haufen. Abbildungen aus [2].

Farbaufnahme mit Identifikationen der Roten Überriesen

Farbaufnahme entsprechend der oben rechts abgebildeten Karte mit der Verteilung der Roten Überriesen im engeren Haufenbereich.

Die scheinbare Helligkeit dieser Sterne ist vergleichbar mit der der hellsten blauen Überriesen der beiden Sternhaufen, es muß sich also ebenfalls um absolut sehr helle Sterne, um rote Überriesen handeln. Natürlich wissen wir das nicht nur aufgrund von statistischen Überlegungen, denn schon bei den ersten spektroskopischen Untersuchungen fielen die schmalen Absorptionslinien im Spektrum dieser Sterne auf, ein - wie wir heute wissen - Hinweis auf die hohe Leuchtkraft des strahlenden Objekts.

Rote Überriesen sind sehr seltene Sterne. Zum einen erreichen nur sehr massereiche Sterne dieses Entwicklungsstadium, und massereiche Sterne sind selten (auf einen Stern mit 20 Sonnenmassen kommen 100000 sonnenähnliche Sterne, und nur Sterne von 10 bis 40 Sonnenmassen entwickeln sich zu Roten Überriesen). Und zum zweiten wird diese Entwicklungsphase sehr rasch durchlaufen, so dass also die seltenen massereichen Sterne überdies nur in einer kurzen Phase ihrer sowieso schon kurzen Lebensdauer als Rote Überriesen existieren. Kein Wunder, dass in unserer Galaxis nur einige hundert Exemplare bekannt sind, obwohl man sie aufgrund ihrer Leuchtkraft bis in sehr große Entfernungen nachweisen kann. Die Ansammlung heller Objekte im Perseus ist also gewissermaßen ein Glücksfall. Farben-Helligkeitsdiagramme des Doppelhaufens haben astronomiegeschichtlich eine große Bedeutung für unser Verständnis der Sternentwicklung und stellen auch heute noch eine wichtige Referenz für stellare Evolutionsmodelle von massereichen Sternen dar[4]. Und gerade die roten Überriesen des Doppelhaufens haben hier ihre Bedeutung.

Langzeitbeobachtungen haben fast alle dieser Sterne als veränderlich bestätigt, und zwar als Vertreter der halbregelmäßig veränderlichen roten Überriesen, in der offiziellen Abkürzung "SRc"-Sterne (SR für semiregular, c für Überriesen). Bekannte Vertreter wie S Per werden schon nahezu 100 Jahre kontinuierlich beobachtet, andere wurden lange nur in den verschiedenen Katalogen für die der Veränderlichkeit verdächtigten Sterne geführt und haben sich erst mit dem Astrometrie-Satelliten Hipparcos und seiner guten photometrischen Messungen als sicher veränderlich herausgestellt.

Da es sich um riesige Sterne mit dem vielhundertfachen Sonnendurchmesser handelt, laufen die Helligkeitsänderungen entsprechend langsam ab, die typischen Zeiträume beginnen(!) bei einigen hundert Tagen. Da auch die Amplitude bis auf wenige Ausnahmen sehr klein ist, ist es nicht verwunderlich, dass diese Sterne von visuellen Beobachtern eher vernachlässigt werden: Einige Jahre sollte man für eine erfolgversprechende Beobachtungsreihe mindestens einplanen, und bei einer geringen Amplitude hält sich das Erfolgserlebnis doch in engen Grenzen.

Lichtkurve von S Per

Lichtkurve von S Per in den letzten acht Jahren. S Per ist mit seiner vergleichsweise großen Amplitude kein typischer SRc-Stern, dagegen ist es ein beliebtes und leichtes Beobachtungsobjekt. Quelle: vsnet (rip...)

Der Lichtwechsel selber ist von durchaus verschiedener Art. S Per ist ein schon sehr lange bekannter Stern, der seit nahezu hundert Jahren gut beobachtet wird - bei einer beeindruckenden Amplitude von bis zu sechs Gröenklassen und einer Periode von über 800 Tagen auch kein Wunder. Da der Stern mit mehreren Perioden schwingt, ist die Amplitude großen zeitlichen Schwankungen unterworfen, gegenwärtig ist sie eher klein. Andere Sterne wie V439 Per oder V403 Per haben gerade einmal eine Amplitude von einigen Zehntel einer Größenklasse - zu wenig für erfolgversprechende visuelle Beobachtungen.

Lichtkurve von BU Per

Lichtkurve von BU Per. Eine typische Lichtkuve für einen roten Stern mit geringer Amplitude: Das Streuband der Schätzungen ist breit, da gerade rote Sterne schwer zu schätzen sind. Lücken machen die Beurteilung des Lichtwechsels schwer, manche Punkte scheinen Fehlschätzungen zu sein. Dies ist die Lichtkurve eines eher typischen Vertreters der SRc-Sterne im Doppelhaufen. Quelle: vsnet (rip...)

Eine interessante und erfolgversprechende Alternative stellt sich aber für Besitzer einer einfachen CCD-Kamera verbunden mit einem normalen kurzbrennweitigen Fotoobjektiv und einem Filter bzw für Besitzer von Digitalkameras, die das Abspeichern von Aufnahmen im RAW-Format ermöglichen. Das ganze Himmelsareal mit den Sternhaufen und den umgebenden roten Überriesen passt auf eine Aufnahme, und da die Helligkeitsänderungen so langsam vor sich gehen, reicht es, eine Aufnahme pro Monat zu machen. Wertet man die Reihe nach einigen Jahren aus, hat man wertvolles Material für eine sehr seltene Sternart gewonnen. Denn so viele Studien über die Haufen und seine Mitglieder auch existieren mögen: Auch in der Literatur ab 2000 gibt es keine Einigkeit darüber, ob die Haufen gleichweit entfernt sind oder nicht, ob sie gleich alt sind oder nicht, warum der Lichtwechsel der roten Überriesen so verschieden ist und so weiter. Ganz deutlich ist es, dass noch grundlegendes Beobachtungsmaterial fehlt. Engagierte Amateure, die hier mitmachen wollen, finden in der BAV die Infrastruktur und Diskussionskultur vor, die es Ihnen ermöglicht, das beste aus ihrem verfügbaren Instrumentarium zu machen.

Literatur:

[1] Burnham R. jr: Burnhams Celestial Handbook, Bd. 3, 1438, Dover Publications (1978)

[2] Brelstaff, T.: Red supergiants, neutrinos and the Double cluster, JBAA 106, 246 (1996)

[3] Slesnick, C.L. et al: The Star Formation History and Mass Function of the Double Cluster, ApJ 576, 880 (2002)

[4] Keller, S. et al: UBVI and Ha Photometry of the h & chi Persei cluster, arXiv:astro-ph/0104179v2 (2001)


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 20.12.2004
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