Der Miyauchi 15 x 60 - ein Feldstecher für Veränderliche
Man denkt ja immer daran, jahrelang: Irgendwann wird man nachts an das Stativ mit dem liebgewordenen 11 x 80-Feldstecher stoßen, alles fällt krachend um und das gute Stück ist dejustiert.
Nun, ich hatte lange Glück, bei mir hat es immerhin 23 Jahre gedauert, bis diese Katastrophe eintrat. Obwohl der Feldstecher auf ein Notebook fiel (dessen Schicksal mir im ersten Moment vollkommen gleichgültig war) und der Fall deswegen vergleichsweise weich ausfiel, war die Optik danach stark dejustiert und somit unbrauchbar. Eine Anfrage im BAV-Forum nach Werkstätten war wenig ermutigend, einen Versuch, das Gerät anhand von J.W.Seyfrieds "Choosing, Using & Repairing Binoculars" selber zu justieren ließ ich bleiben, nachdem ich an einem alten 10 x 50-Feldstecher trainierte und diesen nicht mehr zusammenbekam.
Schnell war klar, dass dieses Unglück aber auch die Chance war, einigen veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden:
Der Himmel über Heidelberg hat sich in den letzten zwanzig Jahren massiv verschlechtert. Konnte ich mit dem 11 x 80 in der Stadt lange Zeit die zehnte Größenklasse erreichen, war es in den letzten Jahren kaum noch möglich, die neunte Größenklasse zu erreichen. Zum Vergleich: Mit dem geopferten 10 x 50 konnte ich in Griechenland freihändig etwa 10,5mag erreichen, der Helixnebel war damit nicht sonderlich schwer. An klaren Standorten fand ich mich wiederum mit dem 11 x 80 kaum am Himmel zurecht, weil jedes Feld von Sternen übersät war.
Der Rücken...! Vor zehn Jahren hatte ich einen Bandscheibenvorfall, und dieses Vergnügen bekommt man nicht mehr los. Als Teleskope verwende ich nur noch einen Schmidt-Newton mit normalen Seiteneinblick und ein C8 mit Amici-Prisma. Keine Gefahr für den Rücken. Aber ein normaler Feldstecher ist und bleibt für Rückengeschädigte ein Quell ständiger Schmerzen.
Zenitbeobachtungen: In den Sternbildern Schwan und Bootes befinden sich viele meiner Programmsterne. Aber gerade diese Sternbilder durchlaufen den Zenit und sind damit extrem unangenehm für eine Feldstecherbeobachtung. Dummerweise sind das aber die Zeiten, an denen die gewünschten Objekte am leichtesten sichtbar sind, weil im Zenit die Durchsicht am besten ist.
Deswegen war ich schon lange auf der Suche nach einem Feldstecher, der den oben genannten Punkten Paroli bieten konnte. Folgende Kriterien sollte mein Wunschglas erfüllen:
Es sollte fix und fertig zu kaufen sein. Ein Selbstbau schied bei meinen handwerklichen Fähigkeiten aus.
Die Vergrößerung sollte höher sein als 11 fach, um den Himmelshintergrund dunkler zu bekommen und damit schwache Sterne leichter sehen zu können. Andererseits auch nicht zu hoch, um weiterhin ein großes Gesichtsfeld zu haben. Nebelbeobachtungen waren für mich kein Kaufkriterium.
Die Öffnung sollte sich zwischen 60mm und 80mm bewegen. Geht es um Sternbeobachtungen, ist der Einfluß einer höheren Vergrößerung vergleichbar mit dem einer größeren Öffnung. Wer schon einmal mit einem 11 x 80 mit Mühe bis etwa 9,5mag gekommen ist, mit einem billigen Kaufhausfernrohr mit 60mm Öffnung und hoher Vergrößerung aber bis zur elften Größenklasse - der weiß, was ich meine.
Es sollte einen 90º-Einblick haben, zur Not einen 45º-Einblick. Ich habe nie viel von den Spezialstativen für Feldstecher gehalten, die sehr raumgreifend ausfallen, und kaum auf einem Fahrrad transportiert werden können. Dagegen möchte man den bequemen, seitenrichtigen und aufrechten Anblick durch ein Amici-Prisma nicht mehr missen, wenn man ihn einmal gewohnt ist.
Der Feldstecher sollte leicht transportabel sein. Auch heute noch kann man bewußt auf ein Auto verzichten, und deswegen muß für mich alles im Rucksack oder mit dem Fahrrad transportabel sein.
Meine Suche dauerte schon Jahre, weil der Leidensdruck zwar da war, der Geiz aber Paroli bot. Der Fall des 11 x 80 entschied dann für ein neues Gerät.
Es gab tatsächlich nur ein Gerät am Markt, das alle meine Kriterien zumindest ansatzweise erfüllte, und zwar das Miyauchi 15 x 60 (Modell 60iB), welches ich schon jahrelang sehnsüchtig auf den einschlägigen Werbeseiten beäugte. Ich sammelte nun Erfahrungsberichte aus dem Web, und nach wenig mehr als zwei Wochen war die Entscheidung getroffen.
Als knappstes Resümee kann ich sagen: Der Kauf hat sich gelohnt.
Die Verarbeitung und das Finish ist vom Feinsten. Stabil und doch leicht. Integrierte ausziehbare Taukappen. Getrennte Scharfeinstellung. Luftdichtes Gehäuse. Massive Schraubverschlüsse für die Objektive. Ein Sucherfernrohr, welches als Haltegriff dient. Ein stabiler Stativadapter ist integriert.
Die Optik hat eine ausgezeichnete Vergütung.
Die Qualität der Optik ist überzeugend: Die Sterne sind über einen großen Teil des Gesichtsfelds punktförmig. Der Mond wirkt wie in einem Teleskop von Kratern übersät. Der Saturn sieht nicht nur eiförmig aus, sondern hat wirklich Ringe. Sternhaufen sind fein aufgelöst.
Die Grenzgröße liegt an durchschnittlichen Tagen bei etwa 10,5mag und übertrifft das 11 x 80 bei vergleichbaren Bedingungen um mehr als eine Größenklasse. Ein tolles Gefühl, lange nicht mehr gesehene Vergleichssterne ohne Mühe zu finden.
Einige kleine Wermutstropfen seien noch genannt
Wie bei dem Sprung von 11fach auf 15fach zu erwarten ist das Gesichtsfeld deutlich kleiner (3º statt 4,5º). Dafür kann das Miyauchi natürlich nichts.
Die Austrittspupille ist natürlicherweise auch kleiner: 4mm statt 7mm. Das heißt, dass das Auge weniger Toleranz hat, bei immer noch vorkommenden unbequemen Stellungen nicht ganz in der optischen Achse zu sein. Bei 7mm Austrittspupille sieht man immer gut, auch wenn man leicht schräg reinschaut.
45º-Einblick ist kein 90º-Einblick. Zenitbeobachtungen sind nun zwar leicht möglich, der Rücken beschwert sich aber doch noch leise im Hintergrund.
Aktuell kostet das Gerät 598 Euro. Das ist nicht geschenkt, angesichts der Qualität, der Leistungsfähigkeit, der Tatsache, eine Anschaffung für Jahrzehnte zu sein aber eher als sehr günstig zu bezeichnen.
Beim Anbieter Intercon Spacetec war ich wegen Aufsätzen in interstellarum und anderswo sofort bekannt, das Gerät traf zwei Tage nach der telefonischen Bestellung ein!