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Langperiodische Cepheiden am Sommerhimmel

SV Vul, S Vul, GY Sge und V1496 Aql

Innerhalb der BAV haben die Cepheiden etwas an Popularität verloren, pro Beobachtungssaison kommen vergleichsweise wenig Ergebnisse zusammen. Sicher hat das damit zu tun, dass es sich hier um eine wichtige Veränderlichengruppe handelt, die Objekt professioneller Forschung ist: die visuellen Ergebnisse der Amateure können mit lichtelektrischen Beobachtungen in mehreren Spektralbereichen nicht konkurrieren und werden daher kaum zur Kenntnis genommen.

Eine Stärke der Amateure ist aber die Möglichkeit, ihre Beobachtungsobjekte über Jahrzehnte verfolgen zu können: kein Satellitenobservatorium kann damit konkurrieren, wenige professionelle Beobachtungsprogramme können mit diesem "langen Atem" mithalten.

An drei langperiodischen Cepheiden des Sommerhimmels möchte ich meine Motivation begründen, diese Sterne kontinuierlich zu beobachten und - wenn möglich - jährlich ein Ergebnis abzuleiten, sprich: ein Maximum zu bestimmen. Ein viertes Objekt habe ich letztes Jahr in mein Beobachtungsprogramm aufgenommen, die Cepheidennatur ist noch nicht bewiesen. Die wichtigen Daten der einzelnen Sterne gebe ich am Ende des Aufsatzes in einer Tabelle.

Obwohl gerade die längstperiodischen Vertreter gleichzeitig auch die absolut hellsten Objekte sind und damit am leichtesten zu entdecken wären, sind in unserer Milchstraße nur eine Handvoll Cepheiden bekannt, deren Periode länger als 40 Tage ist. Auch in anderen Galaxien der Lokalen Gruppe oder in entfernten Galaxienhaufen, in denen das Hubble-Teleskop nach Cepheiden sucht, sind Sterne mit solch langen Perioden extrem selten. Je entfernter die Galaxien sind, in denen Cepheiden untersucht werden, desto mehr gewinnen die langperiodischen Cepheiden an Bedeutung, die man noch nachweisen kann, wenn schon keine kürzer-periodischen Vertreter mehr zu sehen sind. Daher ist es umso wichtiger, auch das Langzeitverhalten dieser Objekte gut zu kennen - und Amateurbeobachtungen haben damit wieder ihren Wert.

SV Vul (BAV-Programmstern)

SV Vul ist ein leichter Feldstecherstern, ideal für Anfänger. Diesen Stern habe ich schon beobachtet, als ich noch gar kein Beobachtungsprogramm hatte und von der BAV noch nichts wußte. Von 1981 bis Anfang 2000 sind bisher 368 Beobachtungen zusammengekommen, dreizehn Maxima konnte ich ableiten. Die Abb.1 zeigt die reduzierte Lichtkurve eines Teilzeitraums.

reduzierte Lichtkurve von SV Vul

Abb.1) SV Vul: reduzierte Werte von 2450000 bis 2451000

Typisch für Cepheiden ist der steile Anstieg und der allmähliche Abfall der Helligkeit. Die Amplitude von rund einer Größenklasse stellt auch Anfänger nicht vor Probleme - vorausgesetzt, es kommen genug Werte zusammen. Es ist besonders wichtig, den Anstieg dicht zu beobachten: im abgebildeten Beispiel könnten es mehr Werte sein. Gerechnet wurde mit einer Periode von 45,0 Tagen.

SV Vul wurde für mich erst zum richtig spannenden Stern als ich versuchte, alle meine Beobachtungen aus etwa zehn Jahren in eine einzige Lichtkurve zu reduzieren. Im Gegensatz zur erwarteten gut besetzten und gut definierten Lichtkurve war das Ergebnis ganz deutlich verrauschter als das Ergebnis aus Versuchen mit kürzeren Zeitspannen. Die Ursache war unschwer zu finden: die Periode des Sterns hatte sich geändert. Schon aus den Maxima aus nur zehn Jahren ließ sich eine Periodenabnahme deutlich erkennen, und mit jeder neuen Beobachtungssaison wurde der Effekt deutlicher.

Für das folgende B-R-Diagramm habe ich eine Sammlung von Maxima benutzt, die die ehemaligen Sektionsleiter für Cepheiden und RR-Lyr-Sterne, Edgar Wunder und Michael Dahm, gesammelt haben. Diese Liste habe ich um Werte aus neueren BAV-Mitteilungen und anderen Literaturstellen ergänzt, sowie um Maxima, die ich aus lichtelektrischen Werten der McMaster-Database bestimmt habe. Das Ergebnis (Abb.2) zeigt eine deutliche Periodenabnahme im Zeitraum von 1922 bis 1999.

B-R-Diagramm für SV Vul

Abb.2) B-R-Diagramm für SV Vul

Während man für die ersten 100 Epochen eine Periode von 45,17 Tagen ableiten kann, erhält man bei der Periodenbestimmung für die Epochen 500 bis 600 nur eine Periode von 44,95 Tagen.

S Vul

In unmittelbarer Nähe von SV Vul, nur 43 Bogenminuten entfernt, steht S Vul. Er wurde lange als Halbregelmäßiger klassifiziert und erst 1970 als Cepheide bestätigt. Hier die entscheidende Aussage von Fernie aus dem Astronomical Journal 75(1970), S.244f:
S Vul als Cepheide

Nur wenige galaktische Cepheiden haben eine längere Periode, und diese sind sehr schwach. S Vul ist deutlich schwieriger zu beobachten als SV Vul: er ist schwächer, hat eine geringere Amplitude, und er ist deutlich rot gefärbt (Farbindex B-V von +1,9). Auch die Vergleichssterne sind nicht optimal. Meine Lichtkurven streuen daher ganz ordentlich (Abb. 3).

reduzierte Lichtkurve von S Vul

Abb. 3) red. Beobachtungen von 1998

Die verfügbaren Beobachtungen reichen weit zurück, und so wurde schon frühzeitig begonnen, das Periodenverhalten des Sterns zu studieren. Für das B-R-Diagramm (Abb. 4) habe ich eine Liste von Maxima der Jahre 1862 (!) bis 1980 von F. Mahmoud und L. Szabados (IBVS 1985, [1980]) herangezogen und um Maxima erweitert, die ich aus lichtelektrischen Werten der McMaster-Datenbank ermittelt habe. Alle Maxima ab der Epoche 682 (außer einem einzigen) sind aus meinen eigenen Beobachtungen bestimmt. Das resultierende Diagramm unterscheidet sich gravierend vom B-R-Diagramm von SV Vul: während bei diesem eine stetige Periodenabnahme zu beobachten ist, zeigt S Vul eine generelle Periodenzunahme, der aber zyklische Schwankungen überlagert sind. Aktuell scheint sich wieder eine Periodenverkürzung anzubahnen.

B-R-Diagramm von S Vul

Abb. 4) B-R-Diagramm von S Vul

Dass seit einigen Jahren die Zahl der lichtelektrischen Messungen an Cepheiden stark zurückgegangen ist, liegt vielleicht an finanziellen Problemen der vorwiegend osteuropäischen bzw russischen Zuträger. Umso wichtiger ist die stetige Beobachtung durch Amateure.

GY Sge (BAV-Programmstern)

Auch GY Sge wurde erst in den siebziger Jahren entdeckt, die Cepheidennatur aber schnell gesichert. Der Stern gehört zum BAV-Cepheiden-Programm, ich selber beobachte ihn seit 1996. GY Sge ist ein typischer Teleskopstern, im Minimum erreicht er annähernd die 11.Grössenklasse (Abb.5). Die Amplitude ist ähnlich gering wie bei S Vul, der Farbindex ist aber noch höher und schwankt zwischen +2,1 und +2,5. Erleichternd ist immerhin, dass es genügend geeignete Vergleichssterne gibt.

red. Lichtkurve von GY Sge, 1999

Abb.5) red. Lichtkurve von GY Sge, 1999

Wie kann es anders sein: auch GY Sge hat einiges an Periodenänderungen zu bieten, das fiel schon den ersten Bearbeitern auf. Für das folgende B-R-Diagramm habe ich die Originalepochen (0 - 148) um selbstabgeleitete Maxima aus lichtelektrischen Werten der McMaster-Database ergänzt (233 - 311) - leider klafft zwischen den beiden Gruppen eine breite Lücke, die aber vielleicht durch Archivmaterial aus Sonneberg irgendwann einmal gefüllt werden kann. Die letzten vier Beobachtungen sind von der BAV: eine von Jan Gensler (Epoche 332), und drei von mir (die Epochen 338, 347 und 359) (vgl. Abb. 6).

B-R-Diagramm von GY Sge

Abb. 6) B-R-Diagramm von GY Sge

Man sieht, dass GY Sge gegenwärtig eine längere Periode hat, als die Elemente vermuten lassen, nämlich etwas über 52 Tage. Wie es weitergeht, das müssen wir abwarten und beobachten.

V1496 Aql

(= GSC 5115 1270 = Tycho 5115 1270 1 = Antipin Var 68)
Als ich letztes Jahr diesen Aufsatz für den BAV-Rundbrief schrieb, hatte der Stern noch keine endgültige Benennung, weswegen ich ihn dort noch als Antipin Var 68 bezeichnete.

S.V.Antipin vom Sternberg Astronomical Institute in Moskau sucht auf Archivplatten aus Moskau nach neuen Cepheiden. Im IBVS 4699 [15.4.1999] (kurz zitiert von Michael Dahm im BAVR 4/1999, S.199) schildert er die Entdeckung zweier neuer Kandidaten, wovon einer mir sofort interessant vorkam: es handelt sich nach Antipin entweder um einen Cepheiden mit einer Periode von 65 Tagen und starken Periodenänderungen oder alternativ um einen RV-Tau-Stern. Beide Interpretationen machen den Stern interessant, also begann ich so bald als möglich mit meinen Beobachtungen. Selbstverständlich ist die Beobachtungsphase bisher viel zu kurz, aber immerhin konnte ich letztes Jahr 40 Beobachtungen sammeln. Zunächst eine unreduzierte Lichtkurve (Abb. 7):

V1496 Aql, Lichtkurve von 1999

Abb. 7) V1496 Aql, Lichtkurve von 1999

Auf den ersten Blick könnte der sehr rote Veränderliche (B-V>+2.1) auch als Halbregelmäßiger durchgehen: die Amplitude ist gering, der Anstieg eher flach. Die nächste Abbildung stellt reduzierte Lichtkurven von Antipin und mir gegenüber. Man achte auf die vollkommen verschiedenen Helligkeitsbereiche des stark verfärbten Sterns im Blauen (12,5-13,4) und im Visuellen (10,3-10,75) sowie auf die Form der Lichtkurve (Abb. 8). Die reduzierten Lichtkurven (bei Antipin sind die Werte aus dem Zeitraum 2443700-2448200) unterscheiden sich stark in der Steilheit des Anstiegs: bei Antipin würde man tatsächlich einen Cepheiden vermuten, bei meinen mit P = 65 d reduzierten Beobachtungen nicht unbedingt, hier ist die Lichtkurve fast symmetrisch. Nur weitere Beobachtungen können Klarheit bringen.

V1496 Aql

Abb. 8) Gegenüberstellung der photographischen Lichtkurve Antipins und meiner visuellen Beobachtungen

Leider kann ich für V1496 Aql kein B-R-Diagramm zeigen, da Antipin keine einzelnen Epochen gelistet hat. Nun: mit einem langen Atem kann man irgendwann ein B-R-Diagramm aus eigenen Beobachtungen gewinnen.


Anmerkungen

Vergleicht man die Helligkeitsangaben meiner Lichtkurven mit den V-Helligkeiten der diversen Kataloge fällt auf, daß meine Werte schwächer ausfallen: das liegt ganz einfach daran, dass die Empfindlichkeit des menschlichen Auges leicht ins Blaue verschoben ist und sich nicht mit Johnson V deckt: und im Blauen sind die langperiodischen Objekte eben schwächer.

Ein Hinweis noch zur Cepheidenbeobachtung allgemein: erst 1999, als ich für S Vul und GY Sge (und natürlich erst recht für V1496 Aql) jede Beobachtungsgelegenheit nutzte, war ich mit der Qualität der reduzierten Lichtkurven wirklich zufrieden: es sollten schon mindestens 25 Werte pro Stern ermittelt werden. Sinnvoll ist es, die Zeiten des Anstiegs vorab zu ermitteln und hier möglichst viele Beobachtungen zu gewinnen - das kommt der Aussagekraft der Lichtkurven sehr zugute.

Sterndaten:

Name       Position (2000)           Helligkeit (V)    Periode  B-V
SV Vul     19h51m31s +27º27.6 (GCVS)  7,22 (6,7 - 7,8)   45,0   1,44
S Vul      19h48m24s +27º17.2 (GCVS)  8,96 (8,7 - 9,4)   68,0   1,89
GY Sge     19h35m14s +19º12.1 (TYC)  10,15 (9,84 - 10,6) 51,5   2,29
V1496 Aql  18h55m00s -00º04.6 (TYC)  10,15               65,0  (2,1:)

Die mittleren Helligkeiten und die B-V-Werte der drei ersten Sterne sind aus der McMaster-Database, die Helligkeitsbereiche aus dem GCVS. Für V1496 Aql habe ich den V-Wert aus dem Tycho-II nach der dort angegebenen Faustformel in Johnson-V umgerechnet. Streng genommen gilt diese Formel aber nicht für weit entfernte und durch interstellare Extinktion verfärbte Objekte wie Var 68.


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 07.12.2001
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