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V1376 Aql ist konstant

V1376 Aql möchte ich als Beispiel für einen Stern vorstellen, zu dem man immer mal wieder etwas macht, etwas recherchiert, beobachtet, bei dem sich aber die Puzzle-Steine nur sehr langsam zu einem in sich stimmigen Bild zusammenfügen. Vom Entschluß, diesen Stern zu beobachten, bis zum Entschluß, über die Beobachtungen zu berichten vergingen immerhin fast 14 Jahre.

Letztes Jahr berichtete Gisela Maintz von ihren Beobachtungen von V1376 Aql (BAV Rundbrief 3/2000, 107): danach verblieb der Stern während eines rechnerischen Minimums im Normallicht. Den eigentlichen Anstoß für mich, nun meine Ergebnisse zu V1376 Aql vorzustellen, gab aber Joachim Hübscher im BAV-Forum durch die Schilderung der großen Bedeutung, die Dieter Lichtenknecker in einer für die BAV schwierigen Zeit für die BAV hatte. Just Dieter Lichtenknecker war es, der im ersten Rundbrief, den ich nach meinem BAV-Beitritt 1987 erhielt, zur Beobachtung von V1376 Aql ermunterte (BAV Rundbrief 1/1987,12).

V1376 Aql wurde von O.Morgenroth 1933 entdeckt und als eventueller Bedeckungsstern angezeigt. Grundlage dieser Einschätzung waren elf Beobachtungen im "Normallicht", dazwischen zwei Beobachtungen in einem Abstand von fünf Tagen, die den Stern "geschwächt" zeigen sollten.

Die nächste Bearbeitung wurde 1982 von Thomas Berthold anhand der Plattensammlung von Hartha durchgeführt, erbrachte drei neue Schwächungen und führte zur Ableitung folgender Elemente:
Min = JD 2438235,5 + 274,02d x E

Meine eigenen Beobachtungen konnten erst 1990 mit dem Erwerb eines Comet-Catchers (Schmidt-Newton 140/500) beginnen: für einen Feldstecher war der Stern zu schwach. Mit den ersten Beobachtungen begannen aber auch gleich die Probleme.

Schwierige Identifikation

Die im BAV Rundbrief 1/1987 abgedruckte Umgebungskarte (vgl. Abb. 1) war beeindruckend schlecht: im Teleskop hatte das Sternfeld wenig Ähnlichkeit mit der Abbildung, weswegen ich zuerst einen falschen Stern schätzte. Glücklicherweise war aber V1376 Aql einer meiner vier Vergleichssterne und die Schätzungen daher nicht umsonst - ein Vorteil des "Argelanderns" in unklaren Feldern.

Mit dem Erwerb von GUIDE 3.0 wurden die Probleme auch nicht kleiner: an der GCVS-Position befand sich gar kein Stern, und welcher der nahebeistehenden Kandidaten der Veränderliche war, konnte nicht sicher festgestellt werden (vgl. Abb. 2). Der ca 10,2 mag helle Stern 40" nördlich konnte es ja wohl nicht sein...

Die Frage war erst geklärt, als mir Helmut Busch eine Kopie der Originalarbeit mit der Umgebungskarte schickte (vgl. Abb. 1): die Karte im BAV-Rundbrief war demnach schlichtweg falsch und irreführend. Obendrein war die Position des Veränderlichen im GCVS nicht genau und wich um 40" von der korrekten Position ab.

V1376 Aql - Identifikationsprobleme

Abbildung 1) links die Umgebungsskizze aus dem BAV Rundbrief 1/1987, die mir zunächst als Aufsuchehilfe dienen musste, rechts die Skizze von O.Morgenroth. Beide Abbildungen sind vergrößert. Der Stern "A" soll auf allen Abbildungen das Identifizieren erleichtern. Die Position von V1376 Aql auf der linken Abbildung ist deutlich verschoben.

V1376 Aql - falsche GCVS-Koordinaten
Abbildung 2) Die falsche GCVS-Position von V1376 Aql wird deutlich auf dieser mit GUIDE erstellten Abbildung.

Falsche Elemente

Mit meinen Beobachtungen hatte ich eigentlich sofort Glück: das Wetter war während des ersten rechnerischen Minimums gut, ich konnte also ein Minimum durchbeobachten (wie schon angemerkt beim falschen Stern, aber mit V1376 Aql als Vergleichsstern). Allerdings war keine Abschwächung zu sehen, alle Sterne im Feld behielten ihre Stufenhelligkeiten bei.

Ich schaute mir also die dreizehn von Morgenroth aufgezählten Beobachtungen genauer an, rechnete sie in JD um, und siehe da: sie widersprachen den Elementen von Thomas Berthold: am 22.10.1932 hätte der Stern laut den Elementen im Minimum sein müssen, war aber im Normallicht. Immer weniger paßte zusammen.

Nun konnte es ja sein, dass die beiden von Morgenroth gefundenen um fünf Tage auseinanderliegenden Schwächungen nicht auf ein langes Minimum eines langperiodischen Bedeckungssterns hinwiesen, sondern zwei verschiedene Minima eines kurzperiodischen Bedeckungssterns waren, die mit einer Periode von 5/n-Tagen aufeinander folgten. In Verbindung mit den von Berthold genannten Schwächungen blieben aber noch genügend Möglichkeiten für eine wenig von 5 Tagen abweichende Periode übrig. Die nächsten Jahre gehörten also einerseits der Suche nach einem neuen Minimum "auf-gut-Glück", andererseits einer gezielten Beobachtung der Zeitpunkte, an denen laut den verschiedenen Perioden, die denkbar waren, ein Minimum stattfinden sollte. Beides war erfolglos.

Des Rätsels Lösung:

Bei einer Beobachtung, die ich ausnahmsweise mit dem C8 durchführte, lüftete sich dann endlich der Schleier: V1376 Aql entpuppte sich als Doppelstern mit zwei Sternchen in ca 11'' Abstand Richtung Nord/Süd (vgl. Abb. 4). Der südliche Stern war dabei ca 0,5-1 mag heller, ein Farbunterschied war nicht auszumachen. Eine mit allen verfügbaren Schmidtplattenscans erstellte Farbaufnahme zeigt, dass beide Sterne rot sind. Nun war auch die Amplitude verdächtig: wäre der schwächere Stern veränderlich, hätte man wenig davon spüren sollen, wäre der hellere Stern veränderlich, so hätte die Amplitude kaum größer als 0,5 bis 0,7 mag sein können. Die Doppelsternnatur ist auch auf DSS-Aufnahmen deutlich sichtbar (vgl. Abb. 5).

V1376 Aql als Doppelstern mit dem C8
Abbildung 4) V1376 Aql als Doppelstern nach einer Beobachtung vom 24.06.1994 mit einem C8 bei V=220x

V1376 Aql auf DSS-Aufnahmen
Abbildung 5) V1376 Aql als Doppelstern auf einer mit Schmidtplatten-Scans erstellten Farbaufnahme - man achte auch auf die Farbe der Sterne

Die aus meiner Sicht letzte Klärung erfolgte bei einem Besuch in Sonneberg. Auf den Platten der Sonneberger Himmelsüberwachung war der Stern sehr schwer zu schätzen: das stimmte mißtrauisch gegen die Hartha-Platten, die mit der gleichen Brennweite aufgenommen worden waren. Eine der Harthaer Schwächungen prüfte ich gezielt auf Sonneberg-Platten nach, konnte aber im Rahmen der Schätzunsicherheit nichts verdächtiges feststellen.

Entscheidend war die Prüfung der Platten, die Morgenroth als Grundlage seiner Untersuchung dienten: sie waren mit einer längeren Brennweite aufgenommen und V1376 Aql war leicht zu sehen - allerdings praktisch unveränderlich. Jedoch - und das ist das entscheidende - war der Stern ansatzweise als Doppelstern zu ahnen. Auf manchen Platten waren beispielsweise alle Sterne länglich, V1376 Aql dagegen rundlich. Mein Schluss daraus: Die Kombination aus Unschärfe und Nachführfehlern sowie wahrscheinlich mehr oder weniger harter Entwicklung der Platten gaukelte eine andere Helligkeit nur vor. V1376 Aql ist konstant.


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 22.07.2001
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