Home, Astronomie, Kunst, Pforr-Index, Literatur, Musik

Beschreibung der Reise Wien - Rom

(Frankfurt a.M., Stadt- und Universitätsbibliothek, Nachlaß J.D.Passavant)

14.05. Letzter Abend in Wien
15.05. Abreise aus Wien, bis Wiener Neustadt
16.05. Über Schottwien bis Krieglach
17.05. Über Bruk bis Peggau
18.05. Morgens in Graz
19.05. Von Graz bis St. Kunigund
20.05. Von St. Kunigund über Marburg nach Cili
21.05. Über Franz nach St. Ostwald
22.05. Bis Laibach
23.05. Bis Platina
24.05. Über Obecina bis Triest
25.05. In Triest
26.05. In Triest
27.05. Über Obecina bis Romanch
28.05. An Palmanova vorbei bis Pordenone
29.05. Über Cesite bis Conegliano
30.05. Über Treviso und Mestre nach Venedig
31.05. In Venedig
01.06. In Venedig
02.06. In Venedig
03.06. In Venedig
04.06. In Venedig
05.06. In Venedig
06.06. In Venedig
07.06. Venedig Abfahrt, Übernachtung auf Schiff
08.06. Mit Schiff über Chioggia auf den Po, Übernachtung auf dem Schiff
09.06. Mit Schiff bis Ponte di Laoscuro, mit Kutsche bis Ferrara
10.06. Bis Bologna
11.06. In Bologna
12.06. Bis Forli
13.06. Bis Cattolica
14.06. Bis Fossombrone
15.06. Ausflug nach Urbino
16.06. Bis Sigillo
17.06. Bis Foligno
18.06. Bis Terni
19.06. Bis Otricoli
20.06. Bis Storta
21.06. Bis Rom

 

Editionsbericht

 

14.05.1810 Letzter Abend in Wien

Du hast von mir, mein lieber Jean, eine Beschreibung meiner Reise nach Italien verlangt, dieses war mit Schuld, daß ich ein genaues Tagebuch hielt. Es ist mir jetzt eine sehr angenehme Beschäftigung, dasjenige daraus zu schreiben, was ich glaube, daß Dich interessieren wird.

Schon lange Zeit hatte ich mich auf den Augenblick gefreut, wo ich Wien verlassen würde, und ich würde dies mit ganz leichtem Herzen haben tun können, wenn ich nicht dort so vortreffliche Menschen hätte kennengelernt. Die Trennung von ihnen war das einzige, was meine Abreise trübte, doch da ich Hoffnung habe, mehrere von ihnen anderswo wieder zu finden, war ich einigemaßen darüber getröstet.

Die letzten Tage waren so unruhig wie möglich, Tausenderlei gab es noch zu besorgen und zu tun, und wirklich war ich noch mit Briefeschreiben beschäftigt, als schon die Zimmer ganz ausgeräumt waren und meine Freunde mich ermahnten, es wäre Zeit zu gehen, denn die letzte Nacht wollten wir bei der Familie Hottinger, die du schon aus meinen Briefen kennst, zubringen. An der Stubentüre drehte ich mich noch einmal um und nahm Abschied, so manche Freud und Leid habe ich in ihren Mauern erfahren.

Wir brachten nun noch einen herrlichen Abend im Kreis der liebenswürdigen Familie zu und blieben bis gegen Mitternacht im Gespräch zusammen, dann gingen wir zu einem kurzen Schlaf zur Ruhe. Overbeck war zu bewegt, um diese sogleich finden zu können, er setzte sich an das Klavier und unter lieblichen Tönen schlummerte ich ein.

15.05.1810 Von Wien bis Wiener Neustadt

Karl Friedrich Schinkel
Ansicht von Wien, im Vordergrund die "Spinnern am Kreuz"

Recht ruhig schlief ich bis gegen Morgen, ein seltner Fall bei mir, wenn ich eine Reise vorhabe. Hurtig sprang ich auf, als ich erwachte, weckte Vogel, der neben mir schlief, und warf mich in meine Reisekleider. Damit du mich dir ganz vorstellen kannst, sage ich dir, wie ich mich kleidete: ganz grau, Frack und Hose, doch über letztere eine weite blau und weiß gestreifte Oberhose. Ich fand nachher, wie gut und passend meine Wahl gewesen war.

Die Familie fand sich nach und nach zusammen, allein der muntere Ton, der gestern noch unter uns geherrscht hatte, war verschwunden. Unser Freund Sutter wollte uns noch bis zum Wagen begleiten, den erwarteten wir. So wie er kam, winkte ich den Gefährten zu, stand auf und griff nach dem Stabsäbel[?], das war das Signal.

Den rührenden Abschied dir beschreiben zu wollen würde eine sehr vergebliche Sache sein. Die Eltern, Brüder und der Schwager von Hottinger begleiteten uns noch, nach einer herzlichen Umarmung stiegen wir ein, was hätte ich nicht darum gebeten, unseren wackeren Sutter mitnehmen zu können, der vor Begierde brennt, Rom zu sehen, und der Ruhe und Gelassenheit annahm, um uns nicht zu betrüben.

Wir fuhren die Straße nun, auf die ich mich schon so oft geträumt hatte, daß ich auf dem Weg nach Rom> begriff zu sein. Bei der gotischen Gedächtnissäule, die die Spinnerin am Kreuz heißt, welche vor der Stadt auf dem Wiener Berg liegt, sahen wir Wien noch einmal an und nahmen Abschied von ihm.

Unser Nachtquartier war Neustadt, wo wir schon gegen drei Uhr ankamen und noch Zeit genug hatten, die Stadt zu besuchen. Sie hatte immer ein besonderes Interesse für mich, als Geburtsstadt des Kaisers Maximilian I., der den vaterländischen Künsten so hold war und der hier seine jugendlichen Spiele und Übungen trieb, die uns Burgkmaier in den Holzschnitten zu dem Weißkunig und Theuerdank so schön vor Augen bringt. Viele gotische Denkmäler zeigen das Alter dieser Stadt an, auf dem Rathaus zeigt man uns das Bildnis des Matthias Corvinus, König von Ungarn. Auf dem Weg nach dem Rathaus gingen wir bei einem Tor vorbei, welches Philipp I., König von Spanien erbaut hatte, der ein Sohn Maximilians war, es ist ganz im römischen Stil mit leichten Zierraten gemacht. In dem Hof der Burg sahen wir an dem Kirche[?], welche[?] auf dem ...rut[?], die in Stein gehauenen Wappen der Kinder[?], die mit Herzog Leopold bei Sempach fielen, und die Bildsäule von letzterem. Wir wünschten sehr, die Kirche von Innen zu sehen, weil der Sakristan nicht da war, so führte uns der eine Burgpfarrer hinein. Sein freundliches Zuvorkommen und die Art, mit der er uns religiöse Geschichte erzählte, gleich fern von Aberglauben und Freigeisterei, verschaffte ihm unsere ganze Zuneigung und Achtung. Die Kirche ist einfach und edel, mehr altdeutsch als gotisch. Vor dem Hauptaltar liegt Kaiser Maximilian begraben , so daß der Messe lesende Priester ihm auf die Brust zu stehen kommt.

16.05.1810 Von Wiener Neustadt bis Krieglach

Den anderen Morgen (16) fuhren wir durch die Städtchen Neunkirchen und Schottwien, wo der Pass ist, welcher Österreich von Steiermark scheidet. Die Feste Klamm hoch auf den Felsen bewachte ihn. Die Gegend hier hat noch ganz das Gepräge des alten Deutschlands vor vierhundert Jahren. Hinter Schottwien fängt der Sömering an, ein ziemlich bedeutender Berg. Es tat uns leid, daß wir durch das gebirgige Steiermark nicht kamen, hier verkennt man an den meisten Stellen das Gebirgsland, waldige Höhen und Felder und viele Wiesen, alles mit Gehege umschlossen, kleine Bäche, welche Eisenhämmer und Säge müssen treiben, das ist so das charakteristische der Landschaft. Über Nacht blieben wir in Krieglach, einem unfreundlichen Dorf.

17.05.1810 Von Krieglach bis Peggau

Den Mittag des folgenden Tages (17) waren wir in Bruck an der Mur, wir fuhren an Wasserblei[?] Bergwerke vorbei. Ich vergnügte mich, hier den Prospekt von einer Brücke aus auf den Fluß zu betrachten, es liegen eine Menge Werke an ihm, die durch sein Wasser getrieben werden, das ganze hat den Charakter eines altdeutschen Gemäldes. Gegen Abend wurde die Gegend so reizend, daß wir den Wagen voraus fahren ließen und zu Fuß an dem Ufer der Mur nachgingen. Die Gegend ist so ...aindisch[?] und herrlich, etwas wurden wir gestört durch das im letzten Krieg zerstörte Städtchen Frohnleiten. Nicht weit davon liegt an einem Wasserfall zwischen grotesken Felsen eine Burg. Der Weg wurde immer schöner, bald reißende Wasser und üppiges Gebüsch, dann hohe Felsen, daß nur wenig Platz für den Weg übrig blieb. Es war schon bald Nacht, als wir mehr erquickt als ermüdet in unser Nachtquartier Dorf Peggau ankamen. Hottinger, der mit dem Wagen gefahren war, hatte ein gutes Nachtessen bestellt, das wir mit großem Appetitt verzehrten.

18.05.1810 Von Peggau bis Graz

Früh den andern Tag (18) waren wir in Graz, der Hauptstadt von Steiermark. Sie hat eine angenehme Lage und muß überhaupt ein angenehmer Aufenthalt sein. Das nun zerstörte Kastell liegt auf einer Höhe und übersieht die Stadt. Ich suchte hier einen meiner Bekannten auf, der mit mir in Wien bei dem Akademischen Korps unter einer Kompagnie gestanden hatte und der sich nun hier niedergelassen hatte. Er hatte eine ungemeine Freude, mich zu sehen, ein Bildchen von Höllen-Breughel, das er besaß und das mir gefiel, mußte ich sogleich annehmen, und nur mit Mühe nahm er seine Auslage dafür an. Er ging sogleich mit mir, um uns die Merkwürdigkeiten der Stadt zu zeigen.

In der Domkirche sahen wir ein schönes altdeutsches Bild einer Kreuzigung, dann zwei Reliquienkasten, an welchen überaus schöne elfenbeinerne Basreliefs waren, der Triumph mehrerer Religionen. Der der Christlichen war besonders lieblich. An dem Dom von außen war ein großes altes Bild. Oben saß in seiner Glorie Gott-Vater und Christus, von vielen Heiligen und Engeln umgeben, und unten sind GemäldeGeschichten von Christus und Türken und die Greueltaten letzterer.

Mit Vogel machte ich noch einen Spaziergang um die Stadt, und kamen zu einer Kirche, wo wir ein herrliches altes Bild hängen sahen. Ganz vom Regen verwaschen zeigte es noch genugsam seine Vorzüge: ich habe nicht leicht jungfräuliche Würde und Sanfmut mit so wenigen Linien bezeichnet gesehen. Wir sprachen mit dem Sakristan, der uns das Innere der Kirche zeigte, daß man das Bild besser bewahren sollte. Sie gehört dem deutschen Orden und die Fahnen der Ritter dieser Gegend werden da aufbewahrt und stecken zur Seite des Altars; die gegen den Feind gefallen sind, sind schwarz, die anderen weiß. Die Krche heißt Mariahilf.

Ein Zufall begegnete uns noch hier, der unsere ganze Reise hätte aufhalten können. Unsere Pässe, die wir am Tor hatten abgeben müssen, waren uns durch einen Polizeisoldaten zugeschickt, dieser gibt sie mit anderen an eine Dame, deren Wagen mit dem unsrigen gefahren war, sie untersucht sie nicht weiter und legt das ganze Paket in ihre Schatulle. Wir erwarteten von Stunde zu Stunde unsere Papiere. Es war schon neun Uhr vorbei, als ich noch einmal mit Vogel auf die Polizei laufe; sie war schon geschlossen. In der größten Verlegenheit wußten wir uns nicht zu raten, auf der Polizei hatte man uns schon früher gesagt, daß sie schon abgeschickt waren und doch hatten wir sie nicht. Endlich fiel uns etwas ein, wir gingen auf die Wachtstube der Häscher und zeigten es an, nach vielem hin- und herschicken und -fragen ergab sich alles, auf mein Bitten suchte die Gräfin nach und fand die Papiere sogleich, der unvorsichtige Polizeisoldat wurde aber verurteilt, vierundzwanzig Stunden in Ketten im Gefängnis zu sitzen, er beklagte sich bitterlich darüber, allein derjenige, der ihn begleitete, sagte, so etwas sei nur bloßer Spaß. Der arme Schelm dauerte uns doch, allein er hatte es verdient, denn wir wären durch ihn in die größte Verlegenheit gekommen, wenn die Gräfin, wie sie erst Willens war, sogleich abgereist wäre, sie hätte ohne ihr Wissen die Papiere mitgenommen.

Wir hatten uns von Wien bis hierher mit dem Wagen akkodiert und mußten uns also hier einen andern nehmen. Man wies uns an den Theaterdirektor, der Wagen vemietete. Er machte vieles Wesens von seinen vortrefflichen Fuhrwerken, schickte uns aber des Morgens darauf einen wahren Theaterwagen, der so baufällig war, daß wir kaum wagten, die Reise bis Triest in ihm zu machen, doch konnten wir nichts anderes machen.

19.05.1810 Von Graz bis St. Kunigund

Der Tag (19) verging, ohne daß uns etwa merkwürdiges begegnet wäre.

20.05.1810 Von St. Kunigund bis Cili

Den andern Tag (20) kamen wir durch das Städtchen Marburg. Hier wird schon windisch gesprochen, die Keidung der Weiber ist eigen: meistens waren sie, da es regnete, in ein großes weißes Tuch gehüllt, sonst aber haben sie auf dem Kopf eine Art Haube aus Goldstoff; darüber, so daß es fast die Stirne bedeckt, ein schwarz sametenes Band; das blaue oder rote Mieder ohne Ärmel ist mit Bändern reich verziert, messingener oder silberner Gürtel geht um den Leib, die Hemdärmel sind sehr weit und geschickt in Falten gelegt, die Taille ist kurz, der Rock grün oder rot mit einer breiten Borte, dann noch eíne weiße Schürze.

Wir kehrten nach einer Fahrt von 10 Meilen in Cili, einer kleinen Stadt, ein, und wurden bei Tisch durch ein ilirisches Mädchen bedient, die sehr gesprächig uns tausenderlei erzählte und uns Proben von der windischen und ilirischen Sprache gab. Die Gegend herum ist sehr berüchtigt wegen Räuber, und ich hörte die Erzählung eines Reisenden zu, dem seine Sachen in der Nacht vom Wagen geschnitten worden waren.

21.05.1810 Von Cili bis St. Oswald

Tags darauf (21) gegen Mittag kamen wir nach Franz, das letzte Dorf in dem Gebiet des Kaiser von Österreich. Hier wurden wir zum erstenmal visitiert, und anderthalb Studen davon in St. Ostwald, wo der erste französische Zoll ist. Zum zweitenmal, mit vieler Artigkeit, verrichtete dieses Geschäft ein Sergeant mit einigen Zollbeamten; er entschuldigte sich, daß er es tun müsse, wir wurden aber so aufgehalten, daß wir nicht weiter kommen konnten, sondern die Nacht da bleiben mußten. Hier sprach ich wieder einen Reisenden, der durch Räuber seinen Koffer verloren hat.

22.05.1810 Von St. Oswald bis Laibach

Wir fahren früh den andern Tag (22) weiter, der Weg ist schön, im Gesicht er[?] ba...[?] Tiroler Gebirge. In einigen Häusern, die am Weg standen, nahmen wir ein Frühstück ein, hier erzählte man uns von der Menge Raubgesindel, das sich in der Gegend aufhält, man erzählte uns viel von einem Gehölz, durch welches wir mußten, daß es voll stecke, man werde uns wohl sehen, aber nicht wagen anzugreifen, da es heller Tag sei, setzte man tröstlich hinzu. Indessen kamen wir glücklich durch, ohne etwas begegnet zu sein.

Vermittels einer Brücke passierten wir hier die Save, und bald lag Laibach vor uns, in der Ferne sah es gut aus. An dem Tor der Vorstadt hieß es halt, Pässe vorgezeigt, abgepackt und visitiert, wir stellten alles vor, daß wir an der Grenze es schon seien, allein es half nichts, der Kutscher hatte fluchend und scheltend die Säcke eben losgemacht, als der Mautbeamte eine hohe Miene annahm und durch ein gnädiges "Ich will es euch hier schenken" uns forthalf. Sobald wir im Wirtshaus angekommen waren, gingen wir, die Stadt zu besehen. Sie gefiel uns aber so wenig, daß wir bald wieder umkehrten und froh waren, den andern Morgen (23) wieder abzufahren.

23.05.1810 Von Laibach bis Platina

Der Weg führte uns über bedeutende Berge, an einigen Stellen gingen wir zu Fuß, um die schöne Aussicht recht zu genießen. ... besonders gefiel mir vor allem, ein dunkler Berg, der ganz mit Tannen besetzt war, stieg in der Ferne in die Höhe, über ihm ragte ein in der Sonne hell spiegelnder Gletscher hervor. Abends ware wir in Platina. Mit Vogel machte ich einen schönen Spaziergang an einem Bach nach einem alten Turm, der auf einer bewachsenen Höhe liegt. Als wir nach Haus kamen, war Overbeck an dem Bach gewesen, wo man in eine merkwürdige Höhle sieht. Wir nahmen uns vor, den andern Morgen um drei Uhr aufzustehen, und sie auch zu sehen.

24.05.1810 Von Platina bis Triest

Wir ließen uns durch den Kutscher, der seine Pferde fütterte, wecken und gingen hin (24). Der Mond schien noch in die Felsenschlucht, durch welche wir mußten. Hinter einer Mühle mußten wir auf einer Art Brücke über ein Wehr, über welches sich das Wasser mit lauten Tosen stürzte, dann kamen wir in ein kleines, ganz von Felsen umschlossenes Tal, welches ganz voll Wasser ist, so daß uns wenig Platz für zu gehen bleibt. Im Hintergrund sieht man die Höhle dunkel und furchtbar, das Wasser strömt mit Brausen und Tosen aus ihr. Ich setzte mich auf einen Stein und überließ mich ganz den Eindrücken dieser Szene. Das Wasser schien sich in der Höhle zu heben und aus ihm stiegen Tritonen und Nymphen, die mit halben Leib aus dem Wassser ragten. Der Gedanke, daß es Zeit sei, zurückzukehren, verscheuchte dieses Spiel meiner Phantasie, und ich sah nun das bloße Wasser, das aus der Höhle strömte.

Der Weg war von Platina aus öde und unfruchtbar. Auf einigen nackten Steinschichten standen die Mauern eines alten Schlosses - welch ein Mann muß das gewesen sein, der sich hier anbauen konnte, dachte ich. In Prewald kam noch ein Wagen zu uns, der nachher mit uns fuhr, mit Dalmatiern von der türkischen Grenze. Sie schienen Leute von Stande zu sein, sprachen aber äußerst pöbelhaft. Dieses machte einen so unangenehmen Eindruck auf mich, daß ich eine Art Heimweh nach den gebildeteren Menschen des nördlichen Deutschlandes empfand. Die gebildete Klasse von unserern Mitbürgern, dachte ich, was sind das für Leute gegen diese. Die öde unfreundliche Gegend vermehrte meine üble Stimmung, und so fuhr ich, den Blick auf den Boden gesenkt, weiter.

Ich wäre wohl noch lange so trübe geblieben, hätte mich nicht das Bellen eines Hundes aufgeweckt. Ich blickte auf und sah eine Herde Schafe von dem liebenswürdigsten Hirten geführt, den ich noch je gesehen habe, ein schöner junger Mensch, blondes Haar fiel in Locken auf seine Schultern, auf denen er nach italienischer Art sein braunes Kamisol hängen hatte. Seine Hose ging bis an das Knie, war auch braun mit roten Bändern besetzt. Er griff an seinen großen runden Hut und grüßte mich freundlich. Unser Wagen rollte weiter, aber sein Bild blieb und verscheuchte den unangenehmen Eindruck der Dalmatier.

Jetzt ging es rasch über die öde unbebaute Fläche, ein kühler Wind wehte uns entgegen und spielte mit den Mähnen unserer Pferde, die ihm mutig wieherten[?]. Overbeck erkannte daraus die Nähe der See.

Schinkel, Triest
Karl Friedrich Schinkel
Aussicht von den Vorgebirgen des Adriatischen Meeres auf Triest und seinen Hafen

In Obekina wurden unsere Pässe untersucht. Kaum war es geschehen, so eilten Overbeck und ich Arm in Arm vor, man hatte es uns von hier aus geraten. Bis an ein Wirtshaus, das einen Büchsenschuß weitdavon lag, war alles öde, und hier aber auf ein paar Schritte, und wir standen stumm vor Entzücken und Überraschung. Vor uns lag das offenbare Meer, in blauer Ferne die dalmatinischen Gebirge, links und rechts die von Friaul mit ihren Inseln. Die Stadt Triest lag wie ein Feenschloß zwischen grün bewachsenen Hügeln unter uns und breitete sich zum Hafen aus, in dem die mächtigen Schiffe ruhen. Einzelne kleinere Schiffe waren im Meer, ihre Segel glänzten auf der blauen Fläche wie Silber. Der Weg, der uns den Berg hinab nach Triest führen sollte, war mit Feigen und zahmen Kastanienbäumen bewachsen, Maultiertreiber trieben ihre Tiere herauf, kurz, alles war vereinigt, uns diesen Anblick zu verherrlichen. Es wurde dunkel, bis wir in die Stadt kamen, ich konnte meine Begierde, das Meer nahe zu sehen, nicht länger unterdrücken. Nach dem Abendessen, das aus frischen Sardellen bestand, eilte ich mit meinen Gefährten nach dem Hafen, ruhig und still war das Meer. Die großen, zwar meistens abgetakelten Schiffe lagen da, nichts regte sich, herrlich und groß war de Augenblick.

25.05.1810 Besichtigung von Triest

Den andern Morgen (25) gingen wir sogleich wieder hin, man sagt, daß jetzt Triest tot und still sei wegen der Speerung des Hafens, ich fand es nicht so. Matrosen von verschiedener Kleidung und Sprache drängten sich durcheinander, der eine Kanal der Stadt liegt voll Schiffe, hier sind Franzosen und Dalmatier, Amerikaner und Dänen alles durcheinander; ein ganz rot gekleideter Mohr sprang aus einem Schiff und machte das verschiedenartige Gewühl vollkommen. Auf dem Gemüsemarkt sahen wir wieder die verschiedensten weiblichen Kleidungen. Mädchen aus Friaul, man kann nicht leicht eine reizendere Bauerntracht sehen: die Haare in Flechten zierlich um eine silberne Nadel gewunden, das ganze Kleid leicht und schön, der Gürtel schön gearbeitet von Silber, sonst der geschmackvolle Schmuck von Gold, an den Füssen Sandalen fast wie die der alten Christen. Auf dem Fischmarkt die seltsamsten Gestalten der Meerbewohner, manche von herrlicher Farbe, eine Art von ihnen hatte alle Farben des Regenbogens. Dann trennten wir uns, weil meine Freunde einige Briefe abzugeben hatten.

Ich eilte hinaus an das Meer, in die Gegend des neuen Hospitals. Das Meer, das gestern noch so ruhig war, schlug jetzt ungestüme Wellen, einige kleine Fischerschiffe schwankten darauf, bald sichtbar, bald verdeckt. Den Nachmittag gingen wir die Stadt zu besehen, die sehr gleich und regelmäßig gebaut ist. Die zum Schiffsbau gehörigen Gebäude sind meistens neu. Wir gingen aus der Stadt und kamen durch einen Weg, der zwischen Gartenhäusern fortgeht, wieder an das Meer. Das Ufer ist sehr hoch und steil, wohl haushoch sieht man auf das Meer hinab. Wir freuten uns über die Schnelligkeit der Schiffe. Bei einer Stelle konnten wir (zu) dem Ufer herabsteigen und unten gehen. Eine Menge Steine, Muscheln, Schnecken und Knochen von Schildkröten Schalen liegen hier. Wir sehen die Sonne schön untergehen, der Himmel war wie Gold, das Meer ruhig und still, wir vergnügten uns sehr mit dem Suchen von Muscheln und Schnecken, endlich nötigte uns die Nacht zurückzukehren.

Unser Plan war nun eigentlich gewesen, mit einem Schiff nach Venedig zu gehen, allein die Engländer liegen so davor, daß niemand wagt, auszulaufen. Wir mußten diesen Gedanken also fahrenlassen.

26.05.1810 Besichtigung von Triest

Den andern Tag (26) kam ein Herr, an den Hottinger empfohlen war, und sagte uns, daß eine Barke da sei, die nach Venedig gehe. Nun schwankte unser Entschluß hin und her, zwar der meinige nicht, denn ich stimmte sogleich dafür, mir wäre es ein rechtes Vergnügen gewesen, diese Fahrt zu machen, allein da die anderen Furcht vor Sturm oder Engländern äußerten, so wäre es höchst unrecht gewesen, wenn ich sie hätte überreden wollen. Es wurde also beschlossen, zu Lande weiter zu gehen, doch lud uns der Herr ein, eine kleine Fahrt auf dem Wasser zu machen, welches wir dann mit Vergnügen annahmen. Wir bestiegen ein Boot und ruderten zwischen den großen Schiffen durch an die Öffnung des Hafens. Hier lag eine venezianische bemannte Galeere als Wachschiff. Das Wetter war sehr schön und vermehrte unser Vergnügen ungemein. Es ist ein herrlicher großer Anblick, die zwei Elemente so rein vor sich zu sehen, die blaue Luft wie sie auf dem grünen Wasser ruht. Durch nichts unterbrochen, daß die Schiffe bei den großen Massen fast ganz veschwinden.

Nachdem wir uns zu unserer Weiterreise bereitet hatten, führte der Herr Hottinger und mich nach einen öffentlichen Spaziergang, einen kleinen Gehölz, das an einen Berg liegt, von wo aus man eine herrliche Aussicht hat. Als wir hingingen, begegnete uns ein griechischer Leichenzug, welcher sehr schön war. Ungefähr zwölf Knaben gingen mit Fackeln in den Händen voran, dann einige Geistliche, rot, mit Gold reich bestickt, gekleidet, dann der erste Geistliche, der ganz schwarz gekleidet war, alle hatten Fackeln in den Händen und das lange aufgelöste Haar den Rücken herabhängen. Der Sarg wurde von sechs Männern getragen, die lange graue Röcke anhatten, hinten nach gingen Griechen, meistens Schiffer.

27.05.1810 Von Triest bis Romanch

Den andern Morgen früh (27) reisten wir ab. Wir mußten wieder nach Obecina den Berg hinauf und genossen hier noch einmal die herrliche Aussicht auf das schöne Triest. Die Gegend wurde wieder öde und unfreundlich. Nachmittags kamen wir an den Isonzo.

Mit welcher Empfindung ich in das Schiff, das uns übersetzen sollte, trat, kannst du dir denken, wenn ich die sage, das ich an dem diesseitigen Ufer Deutschland verließ und am jenseitigen Ufer Italien vor mir sah. Ich nahm mit gerührten Herzen Abschied von meinem Vaterland und bitte Gott, daß er mich es wieder sehen läßt. Nicht weit vom Fluß empfingen uns an einem kleinen Haus die douaniers; es hatte angefangen zu regnen, aber es half nichts. Alles wurde abgepackt und durchsucht, der Beamte war ein billiger Mann, allein die Untergebenen plagten uns unerhört.

In Romanch blieben wir die Nacht. Es hatte aufgehört zu regnen und ich machte mit Ovebeck einen kleinen Spaziergang um das Dorf. Üppig ist das Wachstum hier, außerordentlich, Weinreben und Efeu rankt sich fast um jeden Baum. Die Bauern tragen weiße Hosen und Karmisol mit dunkelbrauenen Bändern umsetzt. Wir wunderten uns nicht wenig als wir zu Bette gehe wollten und nichts als ein Leintuch übegedeckt fanden. Wir glaubten, die Decken wären vergessen worden, allein man sagte uns, daß man hier sich in bloßen Hemd schlafen legte und sich bloß mit einem Leintuch zudeckte. Da wir aber hier noch gar nichts von der italienischen Hitze gespürt hatten, sondern es nach dem Regen recht kühl war, mußten wir Decken haben und gestanden, die Italiener hier könnten die Kälte besser ertragen als die Deutschen.

28.05.1810 Von Romanch bis Pordenone

Den anderen Tag (28) kamen wir an der Festung Palmanova vorbei, an der noch gebaut wird, und späterhin fuhren wir über den Tagliamento. Als wir den Nachmittag über ein ödes Feld fuhren, kamen zwei Kerls auf uns zugelaufen und sagten, daß der Isalino, ein kleiner Bach, so angeschwollen sei daß er die ganze Gegend überschwemmt hätte und so reißend sei, daß kein Wagen hindurch käme, ohne daß er von Männern gehalten und geleitet würde. Wir erkundigten uns bei einem Wagen, der uns entgegenkam, ob das wahr sei, und hörten es bejahen. Wir wurden also mit den Kerls einig, daß sie uns hinüber führen sollten. Sie liefen hurtig neben dem Wagen her; als sich aber späterhin noch zwei zu ihnen gesellten, die Stöcke trugen, und dann noch drei, wovon zwei große Messer anhängen hatten, so wurden wir bedenklich bei der Sache, denn da hier in der Gegend so viele Räuber sind, so konnten sie es auch sein und unseren Wagen im Strom umwerfen und uns ertränken. Wir nahmen deswegen unsere Pistolen hervor und machten sie zurecht, daß sie es sahen. Durch den heftigen Strom kamen wir glücklich, nun waren aber noch viele Graben und überschwemmte Stellen, durch welche wir mußten; die Pferde waren aber so müde durch den Strom geworden, daß wir ausstiegen, jeder sich auf einen Kerl setzte und so hinübergaloppierte. Um sie im gehörigen Respekt zu erhalten hatten Hottinger und ich jeder seine Pistole in der hand. Ob sie nun wirklich ehrliche Burschen waren oder ob dies sie abhielt, weiß ich nicht. Genug, wir kamen glücklich hinüber und den Abend waren wir wohlbehalten in Pordenone.

Du erinnerst dich wohl einer meiner Briefe, in welchen ich dir eine Beschreibung von einem so herrlichen Bild in der kaiserlichen Galerie in Wien machte, und welches die heiige Justitia vorstellte. In der Vaterstadt des Meisters, der sie malte, waren wir nun, von ihr erhielt er auch den Namen Pordenone. Die Stadt ist sehr alt und schon auf venezianische Art gebaut. Durch ein doppeltes Tor, vor welchen zwei Pyramiden stehen, die sich aber oben etwas gegeneinander neigen, kommt man erst in die eigentliche Stadt. Wir erkundigten uns sogleich, ob noch Gemälde des Malers hier seien. Nun mußt du wissen, weiß in Italien der gemeinste Mensch oft mehr von den Merkwürdigkeiten seines Orts als in Deutschland mancher Herr von den seinigen: es war also leicht, die Bilder auszufragen. Den Kutscher überredeten wir, den andern Morgen erst um 8 Uhr uns zu fahren, und so hatten wir den andern Morgen noch Zeit, alles zu sehen.

29.05.1810 Von Pordenone bis Conegliano

(29) Früh um halb fünf Uhr waren wir schon in der Markus Kirche, wo wir das Hauptaltarbild von ihr fanden. Die Orginalzeichnung davon in Rotstein hatten wir den Abend im Wirtshaus gesehen. Es stellt den heiligen Markus mit vielen anderen Figuren (dar). Besonders eine, die fast ganz nackt ist, ist mit mehr Natur und Fleiß gemacht, doch ist das Bild so verdorben, daß man es schwer erkennt. An einem Seitenaltar eine Maria mit dem Christuskinde, der Hl. Joseph und St Christoph, ein sehr schönes Bild, das ihn ganz ausspricht. In einer Nebenkapelle bei der Kirche sahn wir ein altes sehr schönes Bild, welches aber durch die Luft ganz unscheinbar geworden war: "Maria mit dem Christuskind und einigen Heiligen". Die venezianische Schule ist unverkennbar, doch sind ihre Fehler dabei vermieden. Die Kirche und das Theater sind alte gotische Gebäude von gutem Stil. Wir gingen noch in ein Wirtshaus, wovon der Eigentümer Berlese heißt, wo wir an einer Treppe den Milon[?] vorgestellt sahen, wie seine Arme in einen Stamm geklemmt sind und wie ein Löwe ihn zerfleischt, und dann ein in der Luft schwebender Christus, beide im Fresko von Pordenone gemalt. Das erstere schien uns das vorzüglichste. Dann besuchten wir das zerstörte Kastell, in welchem er geboren sein soll, von welchem man eine schöne Aussicht auf das mit Schnee bedeckte Gebirge hat. doch wir mußten zurück und wegfahren.

Wir kamen über die Ebene, wo der österreichische Erzherzog Johann sich mit den Franzosen geschlagen hatte in dem letzten Krieg. Den Mittag waren wir in Cesite, wo wir die Kirche ansahen, die groß und geräumig ist. Die Stadt liegt schön; als wir in dem zerstörten Kastell de Stadt herumstiegen, rief uns eine Stimme aus einem stark vergitterten Fenster zu; es waren Gefangene, die hier aufbewahrt werden und in dem öden Gemäuer einen schrecklichen Aufenthalt haben müssen.

Den Abend waren wir in Conegliano, einer Stadt, die eine schöne Lage hat. Wir sahen das alte Schloß, in dem vor Zeiten der venetianische Potesta (Statthalter) gewohnt hat. Von dem Turm aus hat man eine herrliche Aussicht: rechts schroffe Gebirge, links eine unabsehbare fruchtbare Ebene.

30.05.1810 Von Conegliano bis Venedig

Den folgenden Tag (30), kamen wir gegen zehn Uhr nach Treviso, nachdem wir die Piave passiert hatten. In der Hauptkirche fanden wir ein gutes Bild, welches die Maria, Johannes und einen Heiligen vorstellte. Aus einer unterirdischen Kapelle kam eine Prozession Geistlicher heraus, wovon jeder ein Stück Pelz[?] auf dem Arm trug.

Wir fuhren weiter[?] von dieser Stadt und kamen gegen fünf Uhr nach Mestre. Wir ließen uns abpacken und tranekn ein Glas Wein, dann eilte ich mit Vogel nach dem Kanal, um ein Schiff zu nehmen. Hier wimmelte schon alles von venezianischen Gondeln. Mehrere Gondoliere drängten sich zu uns und boten ihre Schiffe an. Wir wurden einig, ließen unsere Sachen hinbringen und fuhren ab. Du kennst wohl die Gondeln aus Abbildungen und weißt, daß sie ganz schwarz sind und einen eisernen[?] Schiffsschnabel haben, allein das Fahren darin ist eine eigene Sache, weil sie so erstaunlich spitz unten zugehen und deswegen sogleich hin und her schwanken. Man muß sich deswegen sehr in Acht nehmen und sich, sobald man eingestiegen ist, niedersetzen.

Wir fuhren nun einige Zeit durch einen Kanal, bei einer Douane vorbei, wo wir unsere Pässe abgeben mußten. Auf einmal kamen wir heraus und der große unabsehbare Wasserspiegel lag vor uns, auf dem die wunderbarste aller Städte, Venedig, in einer Entfernung von zwei Stunden von dem Land steht. Herrlich steigen die Türme in die Höhe, die kleinen Nebeninseln mit den darauf befindlichen Kastellen und Kirchen geben einen reizenden Anblick. Doch hier muß ich für diesmal schließen, da wir Venedig in Ansicht haben, im nächsten Brief gebe ich dir die Fortsetzung.

Im vorigen Brief kam ich so weit mit meiner Reisebeschreibung, daß wir Venedig im Gesicht hatten und rasch darauf zu ruderten. Wir waren kaum eine Stunde aus dem Kanal von Mestre, als eine Schaluppe mit Douaniers uns nachsetzte; vermittels einer Stange, die sich in einen Haken endigte, wurden wir angehalten und nach tausenderlei Kleinigkeiten gefragt, so daß wir leicht merken konnten, daß hier nur mit einem Tringeld abzukommen sei. Kaum waren wir von ihnen los, so kam aus einem im Wasser liegenden Kastell eine zweite Schaluppe, und endlich kam sogar die dritte, doch waren diese Herren sehr höflich, ohne große Umschweife deuteten sie auf ein bona mana[?], die sie erhielten und weiter fuhren.

Durch diese Unannehmlichkeiten aufgehalten war es schon spät geworden. Wir hatten zwar das schöne Schauspiel, die Stadt von der untergehenden Sonne beleuchtet sich im Wasserspiegel zurückstrahlen zu sehen, kamen aber als es schon dunkel war an. Ein ziemlich breiter Kanal nahm uns auf; auf dem Weg, der rechts und links lief, strömten unzählige Menschen, die Weiber in ihre großen weißen Schleier gehüllt machten es vorzüglich charakteristisch. Wir fuhren über den Canale grande nun in die kleineren Kanäle. Als wir hierhin kamen, sank mir das Herz, solch einen traurigen öden Anblick hatte ich noch nie gehabt. Enge Straßen ganz mit Wasser angefüllt, so daß die Türen gerade hineingehen, auf beiden Seiten hohe Häuser, keine Seele zu sehen, wenn uns nicht dann und wann ein Gondoliere anrief, damit die Gondeln nicht zusammenstießen, der dann pfeilschnell vorüberflog.

Endlich kamen wir an ein Haus, dessen Türschwelle vom Wasser bespült wurde. Hier sei das Wirtshaus "Die Königin von England", wo wir hinverlangten. Die Türe ging sogleich auf, eine Art von Brücke wurde gebracht, auf welcher wir ausstiegen. Während wir unsere Sachen hintragen ließen, fingen die Gondolieri einen fürchterlichen Lärm an, indem sie mit tausend Flüchen ein ungeheures Trinkgeld forderten. Vogel zankte sich mit ihnen herum, ich stand wie verraten und verkauft da, der üble Eindruck, den der Eintritt in diese Stadt auf mich gemacht hatte, wurde um ein großes vemehrt und ich fühlte recht, was es heißt, sein Vaterland zu verlassen. Als ich auf einmal unter den Leuten im Wirtshaus einen deutsch sprechen hörte - wie froh ich in die Höhe fuhr, kannst du kaum glauben. Es war ein wohlgekleideter Mann, der sich bemühte, den Zwist zu schlichten. Er war der Lohnbediente des Gasthauses, und wir sprachen auch sogleich mit ihm, uns überall herumzuführen. Wir wurden einig und hatten die ganze Zeit, daß wir ihn hatten, nie Ursache gehabt, unzufrieden zu sein. Während diesem hatte man uns in einen großen Saal geführt, der prächtig genug war. Mir kam es sonderbar vor, daß er so schön gemacht und mit Spiegeln ausdekoriert war und seine Fenster von der einen Seite in einen Hof, von der andern aber in eine Straße gingen, die kaum die Hälfte seiner Breite hatte. Doch ließ mich meine üble Laune wenig Bemerkungen machen und heimlich verwünschte ich meinen Vorschlag, über Venedig zu reisen. Mißmutig legte ich mich ins Bett und stand eben so wieder auf.

31.05.1810 Besichtigung von Venedig

(31. Mai) Unser Lohnbedienter, oder, wie man in Italien sagt, Platzbedienter war schon bereit, wir folgten ihm, meine Freunde voll Erwartung und ich tiefsinnig und trüb. Die engen Straßen mit hohen Häusern, durch welche wir gingen, dienten nicht dazu, mich zu zerstreuen, ich wäre noch lange so fortgeschlendert, hätte nicht ein allgemeiner Ausruf des Erstaunens meiner Gefährten mich aufgeweckt. Ich blickte auf und konnte kaum glauben, daß es Wirklichkeit sei, was ich sah: wir standen auf dem Markusplatz, links die prächtige Markuskirche mit ihren gotischen Bogen und Kuppeln, vor ihr auf bronzenen Fußgestellen drei mächtige Mastbäume, breite bunte Flaggen wehten bis zur Erde von ihren Spitzen herab, neben der Kirche der alte Palast der Dogen, edel und groß, ein würdiges Fürstenhaus. Zwischen ihm und der Bibliothek, welche rechts am Platz steht, die freie Aussicht auf die Lagunen; die Inseln, die hin und wieder darauf liegen und meistens Kastelle oder Klöster sind, gaben einen herrlichen Anblick, die mächtigen Kriegsschiffe, bunt mit Wimpeln geziert, Gondeln schwammen lustig zwischen ihnen hin, die Luft waar blau und heiter und das Meer ruhig - kurz, alles vereinigte sich, mich in eine Feenwelt zu versetzen, und ich ging umher, durch den Sprung von dem ersten traurigen Anblick der Stadt zu der wunderbaren fröhlichen Pracht wie ein Träumender - vorne am Meer stehen zwei ägyptische Granitsäulen von einen selten schönen Ebenmaß, auf einer der St Michael, auf der andern der Löwe. Der Glockenturm steht gegen die Kirche überragend[?] da. Der ganze Platz hat diese Form:

Skizze des Markusplatzes

Die Seite, welche nach dem Meer zugeht, heißt der kleine, die andere, welche von großen Gebäuden umfangen ist, der große Markusplatz. Wo ich den Punkt gemacht habe, von da aus hatten wir den ersten Anblick . Ohne Zweifel werden dir Abbildungen von diesem prächtigen Platz bekannt sein, deswegen will ich nichts weiter sagen.

Die St Markus Kirche ist von arabischer Bauart und ihr Inneres über alle Maßen prächtig. Das Plafond ist Mosaik, stark vergoldet, mit alten Figuren, von den ersten Künstlern gemacht, die von Griechenland nach Italien kamen um die Kunst wieder einzuführen. Auf dem Hauptaltar steht eine Tafel, auf welcher kleine Abbildungen sind, in welchen Figuren in Schmelz gemacht sind, alles mit Edelsteinen zum Überfluß verziert, von welchen jedoch in den unruhigen Zeiten mehrere entwendet worden sind. Hinter diesem ist noch ein kleiner Altar, vor welchem zwei Säulen von Alabaster stehen, die so schön und rein sind, daß ein dahinter gehaltenes Licht durchscheint. Der Fußboden der ganzen Kirche ist prächtig in Mosaik ausgelegt, doch hat er sich an einigen Stellen so gesenkt, daß ordentlich Berg und Tal entstanden ist. Die Türen sind von Bronze und die Köpfe und Hände der Figuren, die darauf sind, von Silber, Die ausgetretenen Türschwellen ebenfalls von Bronze. In einer Nebenkapelle sieht man auf einem Altar den ägyptischen Stuhl des Heiligen, und daneben in die Wand eingemauert den Stein, auf welchem der heilige Johannes der Täufer enthauptet wurde. Trotz den vielen witzigen und unwitzigen spöttischen Bemerkungen über Reliquien und geheiligte Sachen, die ich schon gelesen und gehört habe, muß ich gestehen, daß ihr Anblick immer eigen auf mich wirkt und ein stilles Nachdenken in mir hervorbringt.

Durch eine Tür kann man bei der Kirche in den Hof des Palastes kommen. Er ist ziemlich geräumig, die eine Seite stimmt aber nur mit dem schönen Äußeren zusammen; zwei Brunnen von Bronze geben ihm eine besondere Zierde und eine antike Statue von Cicero. Im Innern sind sehr große Säle, meistens von Paul Veronese, Tintoretto ausgemalt. Diese Sachen sind sehr berühmt und ich war sehr begierig, sie zu sehen, allein ich mochte sie auch noch so vorurteilslos betrachten, so fand ich nichts, was mich hätte ergreifen können, sondern bloße Gemälde zur Dekoration. Das Äußere des Palastes wird dir aus Abbildungen vertraut sein. Die zwei Reihen Säulen, auf welchen die hohe[?] Wand steht, geben ihm ein mächtiges Ansehen. Die Kapitelle der unteren Kolonnade verdienen besondere Aufmerksamkeit. In einiger Entfernung scheinen sie alle gleichgearbeitet zu sein, betrachtet man sie aber näher, so ist jedes mit unbegreiflichem Ideenreichtum anders, meistens Krieger, Kinder und dergl., welche mit halben Leib in Blumen stehen. Die Aussicht von dem Balkon des Palastes gegen das Meer zu ist herrlich. Wir trennten uns, nachdem wir auf der Polizei unsere Sachen in Ordnung gebracht hatten; meine Freunde gingen zu einen Bankier und ich besah mir die mannigfaltigen Merkwürdigkeiten des Markusplatzes, eine Gruppe Sarazenen von dem schönsten Porphyr, die von den Venezianern aus Byzanz gebracht worden sind. Überhaupt ist es charakteristisch in Venedig, wie man überall Siegeszeichen aus den eroberten Städten aufgestellt hat.

Plötzlich machte mich eine nahe Kanonade aufmerksam und lockte mich gegen das Meer, wo mir unter dem Donner des Geschützes und dem Läuten vieler Glocken ein feierlicher Zug entgegen kam. Zuerst Senatoren und Richter, schwarz nach altvenezianischer Art gekleidet, der erste mit dem Hermelinpelz über die Schultern. Dann See- und Land-Offiziere.

Nachmittags hörten wir in der Kirche [v Pieta?] eine schöne Musik, welche die Findelkinder, lauter Mädchen, aufführten.

01.06.1810 Besichtigung von Venedig

(1.Juni.?) Wir gingen zuerst in die Kirche Sancta Maria Formosa, wo wir ein paar schöne Bilder von dem älteren Palma sahen,der aber schon den Übergang aus der guten Zeit in die neuere Schule macht. Drei andere von Vivarini im Jahr 1475 gemalt gefielen uns sehr und machten uns mit der alten venezianischen Schule bekannt.

Im Palast Crimani[?] sahen wir eine schöne Gallerie. Alle Säle, durch welche wir gingen, waren mit den kostbarsten Marmorarten ausgelegt. Wir lernten hier einen alten venezianischen Maler kennen, den wir bis jetzt kaum den Namen nach kannten, Johannes Bellinus, den Lehrer von Tizian, ein wahrhaft grosser Mann, der in meinen Augen mehr Wert hat als sein berühmter Schüler. Er hat in seinen Sachen eine eigene Lieblichkeit und Zartheit mit vieler Natur. Wir sahen ein Bild von ihm hier, das von sonderbaren Vorstellungen war. Maria sass mit dem Jesuskind auf dem Schoß auf einem Thron. Um sie schwebten mehrere Engel mit Kränzen von Rosen in den Händen. Rechts am Thron knieten mehrere italienische Edelleute und Geistliche. Auf der anderen Seite kniete der deutsche Kaiser Maximilian I., welchem Maria einen Rosenkranz aufsetzte, hinter ihm ein bewaffneter Ritter und mehrere andere deutsche Edelleute und Geistliche. Ganz hinten stand unser deutscher Albrecht Dürer mit seinem Freund, dem kaiserlichen Rat Willibald Pirckheimer. Diesen Morgen sahen wir noch in einer übrigens ziemlich geschmacklosen Kirche ein grosses Bogenfenster mit bunten Scheiben, worauf Figuren von Lebensgrösse waren, welche äußerst schön waren.

Nachmittags bestiegen wie den Glockenturm auf dem Markusplatz, auf welchem man eine schöne Übersicht über die große wunderbare Stadt hat. Die Menge enger Straßen und Kanäle, der große Kanal, über den die Rialto Brücke geht, die kleinen Inseln und die Landzunge, welche die Lagune fast ganz umgibt, über welcher man das dunkle Adriatische Meer sieht, die verschiedenen Häfen, unter denen der von Malomoca der vorzüglichste ist, und dann der Anblick des festen Landes, wo auf den Gebirgen von Friaul noch Schnee lag, dies alles gab einen reizenden Anblick.

Diesen Abend war eine grosse Opera buffa, wo man uns riet, als Fremde hin zu gehen. Länger als drei Arien konnte ich es nicht aushalten und ging mit Overbeck in unser Gasthaus.

02.06.1810 Besichtigung von Venedig

(2) Den anderen Morgen gingen wir zu einem venezianischen Edelmann, an den ich sogar einen Empfehlungsbrief hatte. Dieser nahm es über sich, uns ein wenig herum zu führen. Er zeigte uns mehrere Kirchen, welche aber nicht merkwürdig waren, und einen Pferdestall mit Pferden und Dalung[?] eine Reitbahn, in Venedig etwas Unerwartetes. Dann noch einen Kuhstall mit schönem Vieh. Überall wo wir gingen bewunderten wir die Zierlichkeit der Läden, besonders diejenigen, in welchen Esswaren verkauft werden, ihr Anblick regt schon den Appetit an.

Nachmittags fuhren wir nach der Landenge Lido, welche zwischen den Lagunen und dem Adriatischen Meer liegt. Die Fahrt ist äusserst angenehm zwischen den mächtigen Seeschiffen durch und bei den schönen bebauten Inseln vorbei. In einer Stunde waren wir da. Die Insel ist keine halbe Viertelstunde breit. Eine kleine Anhöhe mussten wir ersteigen und das unbändige Adriatische Meer lag vor uns. Fürchterlich brachen sich die Wellen, und die Schiffe in der Ferne schienen in jedem Augenblick von den Wogen verschlungen zu werden; wie mit silbernen Segeln flogen sie über das dunkle blaue Meer dahin. Das ganze Ufer war mit Sand bedeckt, Muscheln lagen überall, ausgeworfene Fische, Krebse, Pflanzen, Polypen, alles in Menge. Ungern trennte ich mich von diesem Platz. Über den Juden Gottesacker gingen wir zurück wegen dem Castella fu Lido, wo unsere Gondel uns erwartete.

Als wir wieder angekommen waren, trennten wir uns. Ich ging unter dem Säulengang am Palast des Dogen spazieren und vergnügte mich, die Figuren an den Kapitellen zu betrachten. Als ich eine, die mir besonders gefiel, zu zeichnen anfing, näherten sich mir einige Leute, die dann auf den Palast zeigten und mit einem ansehnlichen Herrn wiederkamen, der mich lange betrachtete und dann einen Sergeanten abschickte, vermutlich mich anzuhalten. Er kam aber leise geschlichen und sah über meine Schultern, wo er dann nichts als eine Figur von dem Kapitell sah. Deswegen ging er zurück und so entfernten sie sich. Ich merkte gleich anfangs, dass ich verdächtig schien, um aber mich unbefangen zu zeigen blieb ich ruhig stehen.

03.06.1810 Besichtigung von Venedig

Den anderen Tag besuchte uns der Sohn des Dänischen Konsuls, welcher Kupferstecher wird. Mit ihm gingen wir einiges anzusehen, im Palast die Gerichtssäle. In einem war mit grossen Figuren die Geschichte des Papstes mit Friedrich Barbarossa vorgestellt. Mit stolzem Triumph standen die Demütigung dieses edlen Monarchen da, in meinen Augen waren die Bilder für den Papst und die Venezianer sehr erniedrigend, da mir die Geschichte von Barbarossa mit dem Herzog von Braunschweig Heinrich dem Löwen in das Gedächtnis kam. Die Bilder waren meist von Paul Veronese und dem jüngeren Palma gemalt. Viele Farbenpracht, aber sonst leer. Im Palast Barberigo sahen wir Bilder von Tizian, von welchem mehrere im selben Zimmer hingen in welchem er sie gemalt hatte. Sie waren aber nicht vorzüglich. Wir sahen da noch ein schönes Bild von Vicencio Cadina. In die berühmte Brüderschaft St. Rochus gingen wir mit viel Erwartung, weil man uns die Bilder in ihr sehr gerühmt hatte. Sie sind alle von Tintoretto, sein Meisterstück eine Kreuzigung, welches für seine (???) ist in einer Seitenwand. Es war mir lieb, diese Sache zu sehen, allein es bestätigte meine Meinung von dem wenigen Verdienst der mittleren venezianischen Schule.

04.06.1810 Besichtigung von Venedig

Dass die ältere bei weitem vorzuziehen ist, obschon sie weniger bekannt ist, sahen wir den Tag darauf (4.) in dem Palast Mantini. Ein alter Bedienter führte uns in die Zimmer der Gemäldesammlung, wo uns beim Eintritt sogleich ein schönes, ich möchte sagen das schönste Bild von Bellini vor Augen stand, Maria mit dem Jesus Kind, rechts der Heilige Petrus, links eine junge Heilige. Man kann sich nicht leicht ein lieblicheres Gesicht denken. Unschuld und Sanftmut ist der Ausdruck der geistvollen Züge, ein Ideal eines blonden Mädchens. Was sind doch alle die künstlichen Tausenderlei Farbenschönheiten, die Praktik des Pinsels und all dergleichen gegen diese unschuldige Art darzustellen. Diese Männer malen nur, um das Bild ihres Herzens darzustellen, die späteren aber, um ihre Behendigkeit eingebunden in hundert Farben in Harmonie zu bringen und ihre Fertigkeit in der Führung des Pinsels zu zeigen.

Von dem grossen Bellino waren noch mehrere Bilder da, unter welchen ich nur noch folgende nennen will: Zwei Porträts, eines von Petrarca, das andere von seiner Laura, und ein Heiliger Hieronymus, ein einfaches, schönes Bild. Overbeck zog dieses allen vor so wie ich das erstere in dieser Galerie. Zwei Bilder sahen wir hier von Tizian, die uns sehr schön dünkten, ein arkadisches Schäferstück und eine Grablegung Christi, letztere war ganz vorzüglich koloriert. Nur muss man keine Heiligen, welche den Verlust des Heilands beweinen suchen, sondern eine gute Familie, die um den Tod eines geliebten Mitglieds trauert. Von Pietro Perugino, dem Lehrmeister von Raphael, Christi Fusswaschung, und die Jünger von Emmaus. Sonst war diese Galerie an vielen schönen Gemälden reich und wir gingen vergnügt weg.

Bei unserer Rückkehr ins Gasthaus fanden wir ein Billet, welches uns den Eintritt in das Zeughaus erlaubte, wovon wir den folgenden Morgen (5.) Gebrauch machten.

05.06.1810 Besichtigung von Venedig

Vor dem Eingang liegt ein kolossaler antiker Löwe und zwei Tiger, welche die Venezianer von Athen hierher brachten. Das Haus hat eine Stunde im Umfang und ist eingerichtet, dass Schiffe von 70 Kanonen darin gebaut werden können. Zuerst sahen wir einen Saal voll alter Waffen. Merkwürdig darunter war besonders ein Helm, welcher von Attila her sein sollte. Man setzte ihn wie einen Trichter über den Kopf, so dass der Halskragen[?] auf den Schultern ruht. Der Harnisch von Heinrich IV, König von Frankreich, prächtige Rüstungen von verschiedenen Dogen. Meistens sind die Brustharnische von Bronze und mit Goldstoff überzogen. Der Harnisch eines kleinen Knaben, den man nach einer Schlacht, wenn ich nicht irre mit den Mailändern, erschlagen unter den Toten gefunden hat. Dann eine Menge erbeuteter Waffen und Fahnen von den Türken.

In einem andern Saal zeigte uns ein alter drolliger Mann die Modelle zu allen Arten von Seeschiffen, dann gingen wir die ungefahrenen Schiffe zu sehen, an denen man soeben baut. Die Galeerensklaven, die mit starken Ketten zwei und zwei zusammen geschlossen sind machen uns die hohen finstern Mauren [Mauern?] noch schrecklicher. Der Saal, in welchem die Schiffsteile gemacht werden, ist wegen seiner außerordentlichen Länge merkwürdig.

Auf den Nachmittag war ein Wettfahren in Gondeln angesetzt. Weil das Wetter sehr heiter war, so versprach man sich vieles Vergnügen. Am Markusplatz nahm uns eine Gondel auf, der schöne blaue Himmel wölbte sich über dem Wasserspiegel, von dem auf zwei Schiffen errichteten Gebäude, wo die Preise verteilt werden sollten, tönte Musik. Eine Menge Gondeln schwärmten umher, mehrere Boote von den Kriegsschiffen schwammen durch sie hin von der Pfeife des Bootsmanns regiert. Wir fuhren nach dem Ziel, um welches die Gondeliere fahren müssen, um wieder an den Ort, wo sie ausgefahren sind, zurück zu fahren. Aus dem ebenen stillen Meer ragten die Gebirge von Friaul wie Inseln hervor. Langsam ruderte unser Gondoliere wieder zurück durch hunderte von Fahrzeugen, die alle mit bewunderungswürdiger Kunst ohne anzustossen fuhren. Andere sind mit Zweigen geschmückt und mit Tischen zum Essen und Trinken. Wir assen.

Der Potesta war in einem reich verzierten Fahrzeug mit Ruderern von gleicher Farbe. Plötzlich knallt von der Stadt aus eine Kanone und die Kämpfer stürzen vor. Sobald einer vor kommt, jubelt alles. Die kleinen leichten Kähne fliegen über das Wasser, das durch die vielen Ruderschläge aufgeregt ist, hin. Sobald man glaubt, dass sie am Ziel sind, drängt gleich alles an den Ort, wo die Preise verteilt werden. Der erste kommt an und ergreift aus der Hand eines Deputierten eine rote Fahne, die anderen folgen. Der erste Preis ist 100 Franken, der zweite 80, der dritte 60, und der vierte erhält ein kleines Saugeschwein.

Als dieses Schauspiel vorüber war, welches auf den Lagunen gegen den Markusplatz zuging, fuhren wir in den grossen Canale und besahen die prächtigen Paläste, welche hier rechts und links stehen. Die meisten sind in gotischem Geschmack reichlich mit prächtigem Marmor verziert. Das Haus der Familie Capello, dasjenige von Tizian und das, wo Petrarca gewohnt hat, sahen wir noch und kehrten dann durch die traurigen Gassen zurück.

06.06.1810 Besichtigung von Venedig

Den anderen Morgen (6) bestellte ich für uns vier Plätze auf einem Schiff, das nach Ponte di Lagoscuro geht von wo man nun noch eine Stunde bis nach Ferrara hat. Dann gingen wir nach der erst neuerdings errichteten Akademie der Bildenden Künste. Wir wurden zwei Professoren vorgestellt, Cipriani der Kupferstecherei und Matei der Malerei. Sie empfingen uns sehr artig. Die Einrichtung ist schön, allein Spuren des gewöhnlichen akademischen Tons sind nicht zu verkennen.

Den Nachmittag wendeten wir an nach einer von den Fregatten zu fahren, die in den Lagunen liegt. Es musste erst der kommandierende Leutnant um Erlaubnis gefragt werden, statt der Anwort kam er selbst und lud uns sehr höflich ein, herauf zu kommen. Ein Matrose warf uns einen Strick entgegen, mit dessen Hilfe kletterten wir in die Höhe. Nach einigen Komplimenten mit dem französischen Offizier rief er einen Kadetten und befahl ihm, uns alles zu zeigen. Du hast gewiss schon manche Beschreibung eines Kriegsschiffes gelesen, deswegen will ich Dich nicht damit aufhalten. Nur so viel: Diese mächtige Gebäude, welches mit der Menge Menschen auf dem falschen Element stand, machte einen sonderbaren Eindruck auf mich. Der Offizier erklärte, wie es sei bei einer Seeschlacht, wo die Kanonen, die Musketiere und die Offiziere standen, kurz: alles. Wir dankten ihm für seine Gefälligkeit und fuhren wieder zurück, recht froh, ein solches Schiff, von welchen wir soviel gehört hatten, in der Nähe Gelegenheit gehabt zu haben es zu sehen. Es war eine Fregatte von 74 Kanonen und in Venedig gebaut.

Wir wandten noch den Rest des Nachmittags an ein besonders schönes altes Haus, welches casa dore genannt wird, zu zeichnen, das am grossen Canal steht. Wir hatten kaum angefangen, als ein Haufen Gondeliers und Schiffer uns umringt. Neben mich setzte sich ein Knabe, dessen interessante Physiognomie mich schon in Mestre, wo ich ihn hetzend einsteigen gesehen hatte, interessierte. Öfters sah er mit dunklen Augen starr auf das Wasser, und ein unwillkürliches Seufzen schien eine Sehnsucht nach etwas zu verraten, das ausserhalb seines Wirkungskreises liegt. Lange und still sass er neben mir und sah meinem Zeichnen aufmerksam zu. Er interessierte mich sehr, und so oft ich in sein düsteres Auge sah, war er mir lieber. Als das Schiff, zu dem er gehörte, sich zur Abfahrt anschickte, stieg er ein, sah aber so lange es möglich war nach mir hin, als ob er meine Zuneigung ahnte. Gebe Gott dass ich mich in ihm nicht trüge und dann erhalte er ihn mit seiner mächtigen Hand ---. Wir gingen in unser Gasthaus, um zum letztenmal in Venedig zu schlafen.

07.06.1810 Abends Abfahrt aus Venedig

Den Morgen darauf (7) gingen wir auf dem Weg nach der Polizei in die Bibliothek, die klein aber prächtig, ein Saal mit antiken Statuen, Büsten und Bruchstücken ist. Dann wurde noch Abschied von der Markuskirche genommen, in der ich in den acht Tagen, die wir in Venedig waren, manche schöne Stunde verlebt habe. Ich war recht einheimisch da geworden, ich hatte mir ein Plätzlein ausgesucht, wo ich mich immer mit Dir und meinen abdern Freunden unterhielt. Des Mittags hielten wir noch ein Mittagessen, das nur eine Seestadt geben kann, mit allerlei Arten von frischen Meeresfischen, Seespinnen, Sparfischen[?] und dergleichen. Unsere Koffer liessen wir versiegeln, und so machten wir uns bereit. Hottinger und ich stiegen ein, die anderen gingen zu Fuss nach der Post.

Nun hatte ich noch Gelegenheit zu sehen, wie man alles nutzen kann. Ich schrieb einmal an einem Trauerspiel, nicht für die Bühne, sondern für den Kamin, wo es späterhin wirklich eine brilliante Rolle spielte. In diesem kam nun eine Szene vor, die in Venedig vorging. Um alles nun recht täuschend echt zu machen sollten die Gondeliers italienisch sprechen und ich quälte mich sehr, bis ich aus einer Grammatik so viel hatte, dass ich einen Mann, der in eine Gondel gestiegen war, konnte sagen lassen "via in qua...". Es fand mich jemand darüber und riet mir dringlicher, dies Zeug beiseite zu lassen und endigte, ich würde nie Nutzen davon haben, und jetzt fand es sich. Wir waren eingestiegen, meine anderen Freunde, die etwas italienisch konnten, waren fort gegangen. Der Gondelier muss geglaubt haben, man brächte noch etwas, kurz, er stand da und sah uns an, die wir in Verlegenheit waren, ihm nur begreiflich zu machen, dass er fortfahren sollte. Plötzlich fällt mir mein verbranntes Trauerspiel ein, ganz italienisch rufe ich ihm mein "via da qua" zu, der Alte winkte und die Gondel flog weg. An der Post, wo die Kuriere das Schiff, mit dem wir gehen sollten, stand, stiegen wir ein. Da Du uns jetzt wieder flott siehst, musst Du mit der Fortsetzung bis zum nächsten Brief warten.

In meinem letzten Brief war ich so weit gekommen, dass wir in das Schiff stiegen, das uns nach Ferrara bringen sollte. Nach neun Uhr fuhren wir ab, langsam von Booten geschleppt durch den grossen Kanal. Ich betrachtete noch die Paläste in der Dunkelheit der Nacht. Als wir aus dem Kanal waren, hatten wir noch das schöne Beispiel den erleuchteten Markusplatz zu sehen. Dem edlen Palast der Dogen winkte ich ein Lebewohl zu und suchte ihn noch immer mit den Augen, als sich unser Schiff schon weit von der wunderbaren Stadt entfernt hatte. Es war eine herrliche Nacht, der Mond stand nur manchmal von Wolken überzogen am Himmel, das Wasser war ruhig und die Luft mild. Wir sassen auf dem Verdeck und sangen, was wir wussten. Einige Schiffe begegneten uns, die Leute riefen sich einander zu.

Gegen Mitternacht kamen wir an ein grosses Ruderschiff, das uns ein "Wer da" entgegenschickte mit der Warnung, nicht zu nahe zu kommen. Wir schlossen daraus, dass wir an dem venetianischen Hafen Malomoco waren. Als wir in ihm waren mussten unsere Pässe erst gesehen werden, ehe wir weiter konnten. Aus dem Hafen liefen wir nun in das offene Adriatische Meer, denn bis jetzt fuhren wir auf den hier über zwei Stunden breiten Lagunen. Durch heftiges Schaukeln zeigte es sich sogleich an. Man musste sich anhalten, obgleich die Schiffer versicherten, das Meer sei sehr ruhig. Der Mond ging eben unter hinter der unübersehbaren dunklen Fläche. Einige Schiffe mit aufgespannten Segeln begegneten uns. Ihre monströse Form vergnügte uns sehr. Wir hatten ein deftiges Abendessen eingenommen, deswegen spürten wir nichts von Übelkeit. Endlich wurden wir müde und schläfrig, legten uns auf die ausgebreiteten Matrazen und schliefen ein.

Die Zeit des Schlafens will ich benutzen und Dich mit unserer Reisegesellschaft bekannt machen. Zuerst Curiere als Führer des Schiffes, gewissermassen der Kondukteur auf den Postwagen. Er ist ein ordentlicher Mann. Er war in Paris gewesen und erzählte uns viel von dort. Dann ein alter Salami-Händler aus Modena ein Mann von der italienischen Armee und ein vierter, desse Stand und Charakter ich auf der Reise nicht erfahren habe.

08.06.1810 Schifffahrt

Wir erwachten vor dem Hafen Chioggia (8). Hier fuhren wir über die Brenda in den Canal bianca, der uns in die Etsch führte. Das Ufer des Kanals war ganz hübsch, allein das des Flusses desto weniger. Die italienischen Flüsse überhaupt haben selten ein rechtes Ufer, alles ist Fläche, eben, und der getrübte Fluss fliesst langsam hin. Bald waren wir wieder im Canal bianca, der uns gegen Nachmittag in den Po führte. Hier erwartete uns ein anderes Schiff, es wurde umgeladen, welches höchst unangenehm war. Doch war das Schiff, das wir jetzt bekamen, bequemer und geräumiger als das venetianische.

Der Schiffsmann war von der Kajüte getrennt, sogleich wurde in dieser das Mittagessen bestellt und so speisten wir, der Curiere und der Salamihändler fröhlichen Mutes, indem unser Schiff lustig auf dem Po hinschwamm. Das Hauptsächlichste an unserer Mahlzeit waren Fische, Sardellen und jene eigenen Seefische, welche die Augen auf einer Seite im Kopf haben. Nun war es lustig anzuhören, wie an unserem kleinen Tischchen drei Sprachen gebraucht wurden. Wir sprachen untereinander deutsch, der Curiere mit uns französisch, der Salamihändler mit ihm und Vogel italienisch . Zum Nachtisch wurden nach italienischen Brauch Aniswurzeln aufgesetzt. Nachdem abgespeist war, wurde ein kleiner Spaziergang auf dem Verdeck gemacht. Auch hier war die Gegend ganz flach, der Fluss ist aber breit und tief, doch lief das Schiff, das von dem Hafen Cioggia an von Pferden gezogen wurde, manchmal auf.

Der herrliche Sonnenuntergang vergnügte uns sehr, doch der Curiere rief schon wieder zu Nachtessen. Es wurde schnell abgetan, damit wir die anbrechende Nacht noch recht geniessen könnten. Bis gegen Mitternacht sassen wir auf dem Verdeck und sahen die Sterne sich im Strom spiegeln. Unser Schiff landete an einer einsamen Gegend. Es fiel schwer, frische Pferde zu bekommen, und nur die bewunderungswürdige Betriebsamkeit des Curiere verschaffte sie. Wir suchten nun unsere Lagerstätte auf, welche aus einer Matraze bestand, die auf einem drei Schuh breiten Laden lag, den zwei eiserne Stangen hielten. Hierauf sollten nun Overbeck, Vogel und ich unser Nachtlager finden. Wir schoben uns zusammen, und so ging es. Indessen weiss ich gewiss: Wer mich beschuldigt, ichhätte mich zu viel hin und her geworfen, tut mir unrecht, denn ich stak wie ein Keil im Holz. Vor mir Vogel und im Rücken die eisernen Stangen. Ich schlief den ungeachtet doch recht gut und meine Gefährten waren schon lange auf, als ich erwachte.

09.06.1810 Ende der Schifffahrt, weiter bis Ferrara

(9) Ich fand sie auf dem Verdeck. Die Gegend war so unbedeutend als die gestrige, flach aber fruchtbar, hier und da ein Dorf. Gegen Mittag fuhren wir in Ponte di Laoscuro an, unsere Wasserreise war vollendet. Ich stieg aus und liess unser Gepäck ans Land schaffen, während meine Gefährten die Pässe und Mauthplaketten berichtigten. Nun hing sich sogleich ein Douanier an mich und verfolgte mich wie ein böser Geist auf Schritt und Tritt, wollte tausenderlei wissen und musterte mich von Kopf bis Fuß. Dies verstimmte mich herzlich, doch wie der Himmel auf der ganzen Reise bei solchen Gelegenheiten mich immer wieder entschädigte, so trat auch jetzt ein junger Soldat zu mir und grüßte mich mit einer seinem Stande angemessenen Artigkeit. Da er sah, dass ich fremd in diesem Lande sei, fragte er mich nach meinem Vaterland und nickte freundlich, als ich ihm Deutschland nannte. Während diesem hatte der Douanier sich weggemacht und lief nun Vogel nach, indem er ein Trinkgeld verlangte, das dieser ihm aber verweigerte.

Es kam ein Wagen. Wir liessen aufpacken. Ich nahm von meinem wackren Soldaten Abschied. Wir stiegen ein und fuhren die schöne Allee durch nach Ferrara. In einer Stunde waren wir da. Die weitläufigen Festungswerke, die jetzt halb zerstört liegen, zeigen die ehemalige Größe der Stadt. Durch lange breite öde Strassen fuhren wir nach den drei Mohren, unserem Wirtshaus, und sogleich gingen wir, die Stadt zu sehen. Uns kam sie erstaunlich öde und traurig vor. Grosse Paläste, die unbewohnt stehen, ganze Strassen allein, kurz, uns schien, als ob hier die Unannehmlichkeit einer Stadt sei ohne die Annehmlichkeiten.

Die Hauptkirche hat eine schöne altitalienische Fassade, von innen ist sie aber neu und geschmacklos. Das Schloss steht in einem Graben, ist von Backsteinen aufgemauert. Wir kamen an den Wall der Stadt und legten uns nachdenkend ins Gras. Ich dachte an die Pracht, an die Macht, die hier herrschte, von derjetzt keine Spur geblieben, an die vielen grossen Männer, wlche dieser Ort bewirtete: Ariost, Petrarca, Fasso.

In einer Kirche fanden wir eine Kopie nach Raffael, die Maria steht mit gefalteten Händen vor dem auf der Erde liegenden Christuskinde. Ein schönes Bild.

Wir gingen ins Wirtshaus zurück und handelten während dem Nachtessen mit einem Vetturin bis Bologna und wurden endlich einig. Dann mussten wir noch in das Schloss, um unsere Pässe unterschreiben zu lassen. Hier fand Vogel zu seiner grossen Freude einen ehemaligen päpstlichen Gardisten aus Glarus gebürtig. Man behandelte uns auf der Polizei sehr höflich. Wir gingen sehr froh zurück, da wir mit der frühesten Gelegenheit Ferrara verlassen konnten.

10.06.1810 Von Ferrara bis Bologna

Doch ohne Unglück konnte ich diesen Ort nicht verlassen: Meine Reiseflasche fiel aus dem Wagen und ich hob sie leider nicht mehr ganz auf, ein unersetzlicher Verlust, was war aber zu machen.

Der Weg führte uns an mehreren Landhäusern und Dörfern vorbei, die alle von dem Wohlstand ihrer Besitzer zeugten. Hanf, Wein, Maulbeer- und Nussbäume so reichlich, und je weiter wir kamen, desto angenehmer war die Gegend. Wir gingen ein wenig zu Fuss, die ziemlich starke Hitze hatte etwas äußerst angenehmes. Bilder standen mir vor mir in dem Geist, der Cervantes den scharfsinnigen Edlen vor die Seele stellte. Wirklich, in dieser Stunde lernte ich den Don Quijote erst verstehen. Eine Strecke fuhren wir durch Gebüsch, welches sich bald öffnete, und die alte ehrwürdige Stadt Bologna lag vor uns.

Wir setzten uns hin und fuhren rasch auf das Tor los. Wir sagtem den Vetturin, dass er sogleich in das Gasthaus St. Marcus fahren sollte, dies hatte der Wirt in Venedig uns empfohlen, weil er damit in Korrespondenz stand. Wir fuhren durch einen Teil der schön gebauten Stadt hin. Ein eleganter Kellner in weissem Kleid empfing uns, die Gäste in ihren ziemlich abgetragenen Reisekleidern schienen ihn ein wenig zu befremden. "Wir kommen von Venedig, die Regina lässt St. Marcus grüssen". Auf das artigste half er uns aus dem Wagen, befahl, unsere Sachen abzupacken, führte uns in ein Zimmer und versprach sogleich für einen Vetturin für die Weiterfahrt zu sorgen. Wir bestellten ein Abendessen und gingen, da es erst vier Uhr war, ein wenig spazieren.

Die Stadt gefiel uns mit ihren hohen Türmen und Häusern. In den meisten Strassen sind bedeckte Gänge für die Fußgänger. Bei einer Kirche sahen wir einen Geistlichen auf einer Bühne zu einer menge Volk predigen. So viel ich davon verstand sagte er einem Kruzifix die süssesten Sachen nach. Er überschüttete seine Zuhörer mit Schmeichelworten und Drohungen. Der Weg brachte uns auf eine Anhöhe vor der Stadt, wo ein grosses Gebäude liegt. Eine herrliche Aussicht geniesst man hier über das alte Bologna. Es liegt am Fuß des Apeninn. Hinter uns türmte sich das Gebirge auf, und vor uns, hinter der Stadt, breitete sich eine unabsehbare Ebene aus. Ich ging mit Overbeck Arm in Arm zurück, indem wir von unseren Freunden sprachen, von Dir und unserem teuren Martini.

Während dem Nachtessen machten wir unsere Sachen mit dem Vetturin aus Ferrara ab und der Kellner brachte uns einen anderen, um bis nach Rom zu handeln. Es war ein rüstiger Greis, stark in sechzig, und hatte ein ehrliches biederes Aussehen. Er versprach uns für 36[?] Dukaten nach Rom zu bringen mit Gepäck in einem guten Reisewagen mit 3 Maultieren, des Mittags Wein, Käse und Brot, des Abends ein ordentliches Mittagessen, Nachtlager und alles übrige zu bestreiten, so dass wir ganz frei hin kommen. Dabei ein und einen halben Tag unterwegs sich aufzuhalten. Wären wir mit ihm zufrieden, so erwartete er ein Trinkgeld. Wir sollten aber nicht dazu gebunden sein. Wir wurden einig, über den anderen Tag abzufahren. Ich war herzlich froh, die ewige Anheurerei nun überhoben zu sein.

11.06.1810 Besichtigung von Bologna

Den andern Tag (11) nahmen wir sogleich einen Lohnbedienten und liessen uns zu den merkwürdigsten Kunstsachen führen. Mit grosser Begierde erwartete ich, die bolognesische Schule kennen zu lernen, da ich die venetianische nun kannte. Zuerst gingen wir in die Kirche St. Pedro [San Petronio], wo wir eine Kapelle von dem alten Giotto [Giovanni da Modena] ausgemalt sahen: Links das Jüngste Gericht, ziemlich grotesk dargestellt, rechts die Geschichte der Heiligen Drei Könige. Der ganze Altar war mit kleinen Bildern von demselben Meister verziert. Nicht weit davon hing ein schönes Bild von Gindanela, ein heiliger Sebastian, ein wenig trocken gemalt, sonst aber vortefflich. Ein paar Kreuze aus den ersten Zeiten des Christentums interessierten mich sehr. Sie waren dick und klein, mit eingeschnittenen Blumen und Zierraten.

Dann besuchten wir die Gallerie im Palast Zambekai[?]. Ein schönes Bild von Lukas van Leyden war hier, die Geschichte der Esther. Was uns aber vor allem interessierte waren die bolognesischen Maler. Der edle Francesco Trancia zeigte sich uns lieblich und schön. Dieser Meister verbindet mit gefühlvoller Zeichnung ein schönes Kolorit und kräftige Behandlung - wahrlich ein seltener Fall, alles zusammen zu finden. Von ihm ist jene rührende Geschichte: Er stand mit Raffael in Verbindung, doch ohne je ihn oder etwas von seiner Arbeit gesehen zu haben, letzteres wünschte er sehr. Freundlich schrieb er Raffael, er hätte ein Bild, die heilige Cecilia (das nun in Paris ist) für eine Kirche in Bologna gewählt und er bäte ihn, es durchzuzeichnen und das mangelhafte zu verbessern, deswegen sender er es an ihn. Francia freute sich sehr darauf und nahm sich vor, das Begehren seines Freundes zu erfüllen. Das Gemälde kommt an und wird aufgestellt. Francia sieht es und als hätte er einen Menschen erwartet und einen Engel gefunden, so tief gerührt und ergriffen sank er vor dem Bilde nieder. Seine Schüler trugen ihn auf das Bett, wo er zusehends schwächer wurde und nach einigen Tagen starb. Von diesem vortrefflichen Maler sahen wir hier die herrlichsten Sachen.

Die Gemälde der neueren Stifter der bolognesischen Schule wollten uns wenig gefallen, die der Caraccio, Dominicino, Guido etc. Zwei Basreliefs waren noch hier in der Gallerie, eines von Ton: Die heiligen drei Könige von Albrecht Dürer, ein anderes aus Silber getrieben von dem berühmten Benvenuto Cellini, dessen Lebensgeschichte Goethe übersetzt hat. Es stellt eine Abnehmung Christi vom Kreuz vor, mich dünkte aber, als wenn er, nach diesem Werk zu schliessen, nicht ganz Ursache gehabt hätte, von sich zu schreiben, er hätte Werke gemacht, die vor ihm noch niemand hätte machen können.

Von hier gingen wir in die Galerie des Palastes Tanai, welche aber vollgepfropft von Bildern der neueren Schule ist, so dass es uns recht unangenehm wurde. Einen grossen Guido Reni hatten sie hinter einem seidenen Vorhang, eine Madonna, die aber gemein und unreinlich gemalt war. Die Madonna mit der Rose von Parmisan ist hier, das Bild ist berühmt, allein nicht vorzüglich.

Ein Kabinett mit Zeichnungen war dabei, wo eine Menge von Guergino da Cento, Guido Reni, Caracci und dergleichen, aber eine strahlte mächtig herfür, ein nackter Mann, vom Rücken zu sehen, von dem göttlichen Michelangelo.

Im Dom sahen wir eine berühmte Malerei von Ludwig Caracci, die Verkündigung Mariä, mich liess es kalt.

Jetzt sahen wir die Nationalgalerie. Sie ist schön eingerichtet, so dass man von den ältesten Meistern bis auf die neueren kommen kann. Das erste sind griechische Bilder von den ersten Künstlern, die nach Italien herüber kamen. Dann die ersten Maler der Schule Pietra de Javorio, Guido Fantilissimo, Vitale da Bologna, eine Heilige Sancta Catharina di Bologna. Von ihr ist ein Christuskopf würdig einer Heiligen. Dann Vivarini da Morano, Francesco Francia, dessen Sohn mach mit Cosa da Ferrara und anderen den Übergang auf die zweite spätere Schule von Dionisius Calvart und seinen Zeitgenossen, welche denn durch die Caraccis, Annibal, Augustin und Ludwig und deren Schüler Guido Reni, Dominicino und andere verdrängt wurden.

Ausser dieser merkwürdigen Folge waren noch mehrere Zimmer voller Gemälde, ein schönes Bild von Marolena da Ferrara, Christus im Tempel zwischen den Schriftgelehrten, sehr rein und edel gezeichnet, in einem sehr grossen Stil.

Hier sah ich zwei Freskogemälde, welche man von der Mauer abgenommen hatte und auf Leinwand gelegt. Sie sollen ganz gut ausgesehen haben, sind aber nach zwei Jahren ganz verdorben. In einem anderen Saal hatte der Galerieinspektor, der ein feiner Mann zu sein schien, seinen Zeichnungsapparat, wo er sich übte. Um ihn her hingen herrliche Bilder von Francesco Francia und anderen guten Meistern, er aber sass und kopierte einen Kupferstich von Bartolozzi nach Guertchino da Cinta. Ich wünschte ihm heimlich offene Augen, als wir gingen.

Ermüdet eilten wir ins Wirtshaus und nach dem Mittagessen in die Galerie Zampieri, wo wir die drei Meisterstücke der drei Caracci sahen. Sie machten so wenig Eindruck auf mich, dass ich gar nicht mehr weiss, was sie vorstellten. Mich vergnügte eine Heilige Familie von Francia, und einr Maria mit dem toten Christus von Belinus. Der bekannte Kupferstecher Rosaspina arbeitet hier. Er war soeben beschäftigt, ein Bild, eine Menge Stiche der von Albana[?] zu stechen. Wann werden die Kupferstecher anfangen, nur gute Sachen zu bearbeiten. In der Dominikanerkirche sahen wir das Grab des Heiligen, welches nach der Zeichnung des Michelangelo verfertiget worden.

Wir machten noch einen Spaziergang vor die Stadt bei Arkaden, die drei italienische Milien verlaufen. Wir verliessen sie bald und gingen seitwärts nach dem Karthäuserkloster. In den Seitenkapellen der düsteren Kirche hingen Ketten von befreiten Christensklaven von Tunis. Der Kirchhof ist sehr schön, einige Abteilungen sind herrlich. Weinreben schlingen sich um Säulen, zwischen welchen alte gotische Monumente stehen. Wir verliessen ihn sehr gerührt und gingen einen sehr schönen Weg zurück und kamen an einem Turm vorbei, der zwölf Schuhe überhängt und jeden Augenblick scheint zu fallen. Mir scheint es eine Tollhausidee, einen solchen zu bauen, trotz aller Kunst.

Wir forderten bei unserer Zurückkunft sogleich die Rechnung, die uns ein wenig teuer schien, deswegen brachten wir die von Venedig hervor, die wohlfeiler schien, und der Wirt änderte sogleich seine darnach. So legten wir uns nieder, um mit dem frühesten Bologna zu verlassen.

12.06.1810 Von Bologna bis Forli

Mit Tagesanbruch sanden wir auf (12.6.), um Bologna zu verlassen. Als ich in den Hof ging, um nach unserem Wagen zu sehen, war er schon bepackt und fix und fertig. Der alte Vetturin sass auf der Deichsel und fragte, ob er anspannen sollte. Darauf holte er seine drei Maultiere, wir sassen ein und es ging fort. Der Weg ist nicht überaus interessant, aber fruchtbar. Da man mit Maultieren den ganzen Vormittag fahren kann, ohne auszuruhen, so machten wir in Imola Mittag. Hier gab der Vetturin die erste Probe seiner Verköstigung und trug so reichlich guten Wein auf, dass wir vergassen, die Stadt zu besehen. Doch so viel ich im Durchfahren bemerkte, glich es den gewöhnlichen italienischen Landstädten. Durch Bolognese und Faenza kamen wir den Abend nach Forli.

13.06.1810 Von Forli bis Cattolica

Den andern Tag (13) kamen wir durch Forli populi, dann durch einen Hohlweg, wo auf der einen Seite ein Turm und an der anderen eine alte schwarze Kapelle stand - ich habe nicht leicht etwas melancholischeres gesehen.

In Censena wurden wir von Mann und Weib, gross und klein wie Meerwunder angegafft. Diese Stadt liegt sehr hübsch. Mittags kamen wir nach Srignario. Nach einem Trunk Wein ging ich mit Overbeck in der Stadt umher. Weil es zu regnen anfing stellten wir uns bei einer Kirchentür unter. Hier gesellte sich ein Italiener zu uns, der, als es stärker anfing, uns in die Kirche führte, die ganz leer war. Er sah gleich, dass wir Fremde seien und fragte "woher"? Aus unserer Antwort schloss er, dass wir Protestanten wären und wir leugneten es nicht. Nun fragte er mit Wissbegierde über unseren Glauben, ob wir die Kinder taufen liessen, und an was wir glaubten. Wir antworteten ihm nach der Wahrheit und er schien mehr zu finden als er erwartet hatte. Dabei war er nichts weniger als unbescheiden sondern sehr vernünftig, so dass wir uns mit den Worten "Wir glauben alle an einen Gott" die Hände boten, und Katholik, Lutheraner und Reformierter in einer schönen Gruppe da stand.

Als wir wieder zurück ins Wirtshaus kamen, fanden wir Vogel und Hottinger im Fenster, die uns unter lautem Lachen die Züge zeigten, die indessen die Strasse posierten, nämlich eine Menge Ochsen und Kühe, wovon letztere meistens Wagen zogen, auf denen ihre braunen Kinder standen. Die Bauern, welche sie trieben, waren alle mit Regenschirmen versehen, die sie gar zierlich über den Kopf hielten. Uns Ausländern war das lächerlich. Doch der Vetturin spannte an, wir sassen ein, und gegen vier Uhr hatte ich das Vergnügen, das Adriatische Meer wieder vor Augen zu sehen.

Bei Rimini, vor der Stadt, kamen wir über eine Brücke, welche Augustus erbaute, und auf der Seite der Stadt stand ein antiker Triumphbogen zu Ehren Cäsars errichtet. Wir fuhren nun, links das Meer, nach rechts, schöne Aussicht auf Gebirge, einen angenehmen Weg bis Catolika, welches daher den Namen hat, weil in einem Krieg sich die Kardinäle von Rom hierher flüchteten.

Wir hatten kaum unsere Sachen in die Zimmer gebracht, so eilten wir an den Strand. Er ist voll Sand und nicht so angenehm wie bei Triest und Venedig, aber das Meer ist immer ein herzerhebender Anblick, man mag es sehen wo man will. Wir setzten uns hin und sahen den Wellen zu, wie sie mächtig kamen und auf das Ufer rollten, indem sie Muscheln und kleine Steine herauswarfen, und der heitere Abendhimmel, wie er auf der unabsehbaren Fläche ruhte. Der Anblick war zu einladend, dass man hätte widerstehen können. Hottinger und ich warfen die Kleider ab und gingen in die salzige Flut. Ich habe nie so angenehm gebadet. Das Ufer ging unmerklich abwärts, die beständige Unruhe der Wellen, die kamen und gingen, auch wohl über einem weg rollten, erhöhten die angenehme Abkühlung an dem warmen Tag ungemein, und wenn man nicht bei dem Untertauchen das Salzwasser zu kosten hätte bekommen, so wäre nichts abgegangen. An der Horizontlinie stiegen einige Schiffe in die Höhe, die mit ihren blanken Segeln stolz vorbei zogen. Plötzlich geschah ein Schuss, der uns zeigte, dass es Engländer seien.

Indessen war es Abend geworden, der Mond schien freundlich herab, wir stiegen heraus, zogen uns an und gingen noch auf eine Landzunge, auf welcher Overbeck und Vogel indessen spazieren gegangen waren, und so kehrten wir in das Wirtshaus zurück, wo uns, weil es Fasttag war, ein ganzes Essen von Seefischen erwartete. Ich fand alles vortrefflich, denn das Bad hatte unseren Appetit sehr erregt, der Wein war vortrefflich, und so geschah es dann, dass ich ein Glas mehr trank. Overbeck ging noch aus und ich legte mich aufs Bett, indem ich die Engländer in Gedanken hatte, die so stolz bei uns vorbei gefahren waren. Darüber schlummerte ich ein.

Mir träumte von einer Landung, die sie gemacht, auf ein mal erweckte mich verworrenes Getöse, ich sprang auf und zog meinen Säbel blank, da hörte ich Lachen und Schreien und sah am Fenster, dass die Burschen spielten und scherzten. Ich schämte mich meiner unzeitigen Tapferkeit, legte mich wieder nieder und nahm mich wohl in Acht, bicht wieder von Engländern zu träumen.

14.06.1810 Von Cattolica bis Fossombrone

Am andern Tag (14) ging es weiter längs der Küste hin, und versank das Meer im Gesicht, bis Pesaro, wo wir gegen acht Uhr ankamen. Wie gewöhnlich sprachen wir unsere Itinerario nach den Merkwürdigkeiten dieser Stadt, und er nannte uns mehrere Kirchen, ausgemalt von Baroccio, dem Stifter der römischen Schule. Das war uns nun allen etwas neu, denn diesen Maler kannte keiner. Was war zu tun, der Vetturin machte erst in Fano, das 9 bis 8 Milien weiter liegt, Mittag. Wir fanden am besten, ihn fahren zu lassen und die Gelegenheit, etwas neues zu lernen, nicht aus den Händen zu lassen. Hiermit stiegen wir aus, und dachdem er uns das Wirtshaus in Fano gesagt hatte, trieb er seine Maultiere an und wir blieben zurück.

Voll Begierde eilten wir in die benannten Kirchen und sahen - nichts als eine Menge Bilder in dem verdorbenen italienischen Geschmack des siebzehnten Jahrhunderts. Mich verdross diese getäuschte Erwartung so, dass ich gar nicht hinsehen wollte. Dazu kam, dass ein verdächtiger Kerl sich an uns hängte, uns mit Zudringlichkeit recht peinigte, und, da er gleich sah, dass wir Fremde seien, uns eine Begleitung anbot, weil er auch nach Paris wollte. Unter einem Vorwand verliessen wir ihn aber, ärgerlich strichen wir auf dem Marktplatz umher, der mit Ständen angefüllt war, die Kirschen und Kokons von Seidenwürmern in grossen Quantitäten feil hatten. Jeder nahm sich einen Hut voll Kirschen, und so wanderten wir dem Tor zu.

Noch eine Kirche stand da - sollen wir hineingehen oder nicht? Wir waren unschlüssig doch taten wir es und fanden reichlich Loh für unser Zurückbleiben, denn ein schönes Bild von dem alten Belinus stand auf einem Seitenaltar. Wir weideten uns recht daran, dieser Meister hat so tiefen Eindruck auf uns gemacht wie wenige es taten, seine liebliche Einfalt und bescheidene Darstellung musste rühren.

So gestärkt verliessen wir Pesaro und zogen auf Angabe eines Soldaten einen näheren Fussweg weiter. Von hier läuft eine Reihe Klippen fast bis Fano, hinter welcher die Landstrasse verläuft. Unser Weg führte uns aber auf der anderen Seite längst dem Meeresufer hin. Mich freute dies sehr, eine Strecke am Ufer zu Fuß zu gehen, und endlich bewegte mich die unabsehbare grüne See, auf der die sílbernen Segel leicht hinflogen, dann die wunderbaren Steine, Muscheln und Schalentiere, die das Meer in jedem Augenblick auswirft. Dabei rechts die schroffen kahlen Klippen zum Gegensatz des ausgedehnten Anblicks links. Doch war das Gehen äusserst ermüdend in dem tiefen Sand, bis ich ein Mittel fand, wie es leichter ging. Man muss nämlich auf dem vom Meer bespülten nassen Band gehen, das ganz fest ist. Doch jagte uns manche grosse Welle, die ungestüm ans Ufer brauste, von unserer Bahn. Doch ich habe Dir schon genug vom Meer geschrieben, so dass es Dir wohl zum Überdruss sein wird. Allein von so einem herrlichen Element lässt sich so leicht nicht wegkommen, indessen muss es jetzt geschehen, denn in Fano verliessen wir die Küste, um von hier über die Appeninnen zu gehen.

Hier fanden wir richtig unseren ehrlichen Alten. Vogel zog eine Beschreibung aller Merkwürdigkeiten der Orte dieses Weges hervor, und las "in Fano werden Sie ein altes Theater sehen, das Ihnen immer eine angenehme Täuschung machen wird." Hurtig nahmen wir einen Burschen und hin nach dem wie wir glaubten antiken Theater. Der führte uns Strass auf Strass ab endlich in ein Haus, und in diesem wieder Trepp auf Trepp ab, bis wir im Parterre einer stehengelassenen Schaubühne standen, die aus der Mitte des verflossenen Jahrhunderts war. Das war uns wirklich eine Täuschung, aber keine angenehme. Auf alle Fälle glaube ich war es ein Irrtum, dass es angeschrieben war. Lachend über diesen Vorfall kehrten wir ins Wirtshaus zurück, der Vetturin spannte ein, und wir fuhren fort. Die Gegend wurde gebirgiger und schöner, je weiter wir kamen, und so langten wir in Fossombrone an.

Von hier aus sind es noch vier Stunden nach Urbino, dem Geburtsort des grossen Raffael, wäre es nicht eine Sünde gewesen, wenn wir nicht hinüber gegangen wären? Da es so gebirgig ist, dass man nicht wohl mit einem Reisewagen hin kann, so bestellten wir uns auf morgen punkt vier Uhr vier Gebirgspferde. Das war nun ein Einfall von mir, denn unter uns allen bin ich der beste Reiter, aber fast in den vier Jahren, die ich in Wien war, auf kein Pferd gekommen. Deswegen konnte man leicht abnehmen, dass es wunderbar genug hergehen würde. Auf einiger Höhe über der Stadt liegen Ruinen, teils alte römische, teils aus dem Mittelalter. Wir stiegen noch hinauf und sahen hier die Sonne an den waldigen Bergen untergehen.

15.06.1810 Wallfahrt nach Urbino

Zur bestimmten Zeit kam am anderen Morgen (15) der Bauer, der uns begleiten sollte, mit den vier Pferden. Das schönste, ein Schimmel, biss und schlug, weswegen ihn der Anführer der Kawalkade besteigen musste, welches ich denn auch, nachdem ich meine Freunde beritten gemacht hatte, tat und lustig durch die noch öden Strassen der Stadt hin trabte. Das Wetter war schön und vergrößerte unser Vergnügen sehr. Ich war innig gerührt, dass ich nun bald das kleine Städtchen sehen sollte, welches der Erde einen Mann schenkte, dessen Andenken leben wird, so lange man Kunst kennt und so lange Herzen warm schlagen. Die Gegend ist schön, sehr waldige Berge, hier und da auf ihren Spitzen ein Kloster oder eine Burg nach italienischer Art gebaut, teils durch Schluchten und seichte Bäche ging es - kurz: so romantisch wie möglich. Ein schön belaubter Hügel lag vor uns, ich ritt um ihn herum und das liebliche Urbino lag vor mir.

Durch ein kleines Tal führte der Weg hin. Es liegt an einem Hügel gelehnt, so dass man in die Strassen sieht. Seinen Charakter und den der ganzen Gegend kann ich Dir nicht besser beschreiben als so: Betrachte die Hintergründe auf den Madonnenbildern des göttlichen Urbiners und rühren sie Dich, ergreifen sie Dein Herz, so danke. Dasselbe würde mir geschehen, stände ich auf jenem Hügel, wo mein Pferd hielt und sähe in das Tal, auf die Stadt und in die Gebirge.

Mit der Andacht eines frommen Pilgers, der die heilige Erde endlich nach manchem Schritt betritt, ritt ich an Overbecks Seite durch das alte Tor. Einen Fremden hier zu sehen ist etwas unerhörtes, deswegen ist das alles hier nicht, was sonst die Orte so unangenehm macht, die an der Strasse liegen. Der Wirt zum Stern wunderte sich mächtig über die vier Reiter, die vor seinem Hause abstiegen. Die erste Frage: "Wo steht das Haus, in welchem der Heilige geboren ward, was ist noch hier von ihm oder was sich auf ihn bezieht?" Der Wirt versprach jemand zu schicken, der uns alles zeigen könnte. Der Kellner kam mit verdrieslichem Gesicht, doch kaum hatte er recht begriffen, was wir eigentlich wollten, so kam eine unsagbare Freundlichkeit und Gefälligkeit in ihn. Das erste war, dass wir die Strasse etwas hinauf gingen und vor einem Haus standen, über dessen Türe folgende Inschrift auf einer Marmorplatte stand:

Nunquam moriturus
exignis hisce aedibus
eximus ille pictor
Raphael
natus est
Oct. Id. anne an
MCDXXLIII
venerare et genium loci
ne mirare
ludit in humanis divina potentica rebus
et saepe si parvio claudere magna solet

Ich weiß nicht, ob Du ein Lateiner bist, ist es nicht der Fall, so lass es Dir übersetzen. In einem grossen Zimmer sahen wir das berühmte Madonnenbild, welches der berühmte Raffael malte und bei welchem sein Vater den Entschluss fasste, ihn in die Schule des trefflichen Pietro Perugino zu schicken. Eigentlich ist es im Hof gewesen, der eng und klein ist. Weil es aber das Wetter zu verderben dachte, nahm man es ab.

Die Empfindung Dir beschreiben zu wollen, als ich durch die Zimmer und Gänge ging, in denen Raffael seine Kinderspiele trieb, in denen sich die zarte Blume seines Geistes entfaltete, wäre vergeblich, deswegen will ich bloss trocken hernennen, was wir sahen.

In der Kirche des heiligen Franziskus ein Bild vom alten Sancio, Raffaels Vater, höchst merkwürdig in seiner Art. Es stellt eine Madonna mit dem Christuskinde dar, neben ihr der Heilige Johannes und der Heilige Sebastian. Im Vordergrund knieend der Maler, sein zartes Weib und sein liber Sohn, noch Kind. Wenn ich mir denke, wie der alte das runde Köpfchen, die kleinen Händchen malte - wer hätte das was folgte voraus gesagt, wer sah da wohl schon im Geiste die heilige Disputa mit der Schule von Athen. Dabei ist der Vater nicht der unbedeutendste Maler, zu den ihm einige Kunstschriftsteller machen, das Bild zeugt von seiner grossen Fertigkeit.

In der Kirche St. Agathe sahen wir ein schönes Altarbild, dessen Maler wir aber nicht erfragen konnten. Es stellte das Abendmahl vor. Eigen war es aber, dass die Jünger auf den Knien lagen und Christus umher ging und das Brot und den Wein verteilte.

Im Dom sahen wir ein gutes Bild, das aber, als es vergrössert werden sollte, damit es zu dem Altar passte, zu geistreichen Menschen in die Hände gefallen sein muß, denn es wusste zu der Madonnan nichts hinzuzusetzen, als auf die eine Seite einen Ochsen, auf die andere einen Esel.

Die Kapelle St. Johannes ist aber herrlich, ganz alt und gut erhalten, alle Wände trefflich ausgemalt. Die Geschichte des Täufers in der Mitte, über dem Altar eine Kreuzigung, eine reiche Komposition, fast Lebensgröße. Unter den Kriegskünsten ist Lärm und Streit, die Feinde schlagen sich - mich dünkt eine Idee, welche den rohen Pöbel trefflich charakterisiert und die so viel mir bekannt noch niemand benutzte. Die Bilder waren aus der Zeit vor Raffael, voll Gefühl dargestellt, allein der Natur treu gefolgt. So ist das weinende Gesicht einiger der Frauen gerade so wie man es in der Natur findet, aber wohl nichts weniger als schön. Dass wenig Fremde hierher kommen zeigte die Frau, die die Kirche aufschloß, indem sie sich sehr zu wundern schien, als wir ihr ihre Mühe vergelten wollten.

Weil der gefällige Kellner nicht wußte, was gut und schlecht war, so führte er uns überall hin, wo er nur Gemälde wusste, so dass wir denn manch mittelmäßiges sahen. Der Palast der Herzöge ist viereckig mit einem Hof inwendig, die Gänge in ihm mit römischen Bruchstücken verziert. Indessen hatte es zu regnen angefangen, welches uns nicht wenig hinderte, alles recht zu genießen.

Nach dem Essen, wobei wir feierlich auf das Andenken des unsterblichen Raffaels und die Gesamtheit unserer Kunst ausübenden und Kunst liebenden Freunde tranken, wünschten wir etwas aus dem Bilde von Raffaels Vater zu zeichnen, aber die Kirche war geschlossen, und so wollten wir, da es schon vier Uhr war, wegreiten. Die Pferde waren schon vorgeführt und ich hatte den Fuß schon in den Steigbügel gesetzt, als der Kellner gelaufen kam mit der Nachricht, der Sakristan sei da und öffne eben die Kirche. Geschwind eilten wir hin, und ich zeichnete noch Vater und Mutter, indem Overbeck den kleinen Raffael kopierte.

Nun aber war es Zeit, hurtig aufgesessen und die Straße hinunter, von einer Menge neugieriger Augen verfolgt. Mit gerührtem Herzen hielt ich noch vor der Stadt und sah sie noch einmal recht an. Unser Führer musste mir eine der Blumen bringen, die in der Stadtmauer wachsen. Die Blätter von ihr hebe ich noch als ein Heiligtum auf.

Etwas vom Weg ab liegt ein Kloster, das eine sehr schöne Lage hat, man geniesst hier eine sehr schöne Aussicht über die Gegend. Wir sassen ab und gingen in den Klostergarten, der voll dichtem Lorbeergebüsch ist, düster und melancholisch. Die Sonne schien jetzt wieder auf die noch nassen Bäume, welches den zarten Eindruck der Landschaft vermehrte. Der Rückweg durch die waldigen Berge war herrlich, der Regen hatte alles erfrischt.

Mein braver Schimmel trug mich sicher ohne zu straucheln über die schlüpfrigsten Pfade, allein Vogel, der das zweitemal erst auf ein Pferd gekommen war, hatte tausend Not. Aber als die Nacht angebrochen war, kamen wir glücklich in Fossombrone an. Unser alter Vetturin empfing uns an der Tür und sagte, er freue sich recht sehr, uns zu sehen, denn wenn er noch einen Tag hier bleiben müsste, so müsse er sterben.

Es war sehr interessant, diese abgelegene Stadt Urbino zu sehen als eine, die dem alten eigentümlichen Charakter noch am meisten treu geblieben ist, da Kultur und Verfeinerung sie noch sehr verschont haben. Es gehört wirklich nicht viel dazu, sich in das vierzehnte, fünfzehnte Jahrhundert zu versetzen. Was mir aber viele sagen von den Idealen Raffaels, die hier auf allen Gassen herum laufen sollen: Davon habe ich nichts gesehen. Die Menschen sind von den übrigen Bewohnern des Apennin nicht verschieden, ausser dass die Schüchternheit, wegen der Abgelegenheit des Ortes, ein hübsches Mädchen noch verschönert.

16.06.1810 Von Fossombrone bis Sigillo

(16. Juni) Früh fuhren wir von Fossombrone, es war ein nebliger Morgen und früh im Gebirge wirklich kalt. Bis an eine Brücke, die sich leicht über den Fluß, an dem das Städtchen liegt, schwingt, fuhren wir den Weg von Urbino. Hier trennte er sich aber und wir fuhren über die Brücke, mächtigen Felsen entgegen. Immer mächtiger türmten sie sich vor uns auf, und endlich schienen sie uns den Weg zu sperren, als eine finstere Höhle sich zeigte, auf die unser Vetturin hinlenkte, und nun bemerkten wir, dass hier unser Weg durchlief. Noch grauenvoller die Gegend auf der anderen Seite, hohe Felsen an denen der Weg hinlief, unter uns ein Bach, der brausend durch die Felsschlucht hinlief, vor uns von einer Felswand sich stürzend ein Wasserfall. Ich glaube wohl, dass diese Beschreibung jemanden, der diese Gegend des Mittags bei heiterem Sonnenschein durchwandert, übertrieben vorkommen wird. Aber bedenke den frühen Morgen und den dichten Nebel, der sich bald hier und bald dorthin zog.

Bald wurde die Gegend freundlicher, grüne Wiesen und Felder zeigten sich uns und verwischten das Furchtbare des ersten Anblicks. Der Weg führte uns durch Cagli, eine kleine Stadt in hübcher Lage, und dann nach Cantiano, wo wir Mittag hielten und froh waren, als wieder eingespannt wurde. An ein paar Häusern wurden noch zwei Ochsen vorgespannt, denn wir hatten jetzt die höchste Stelle der Apeninnen zu übersteigen, die in unserem Weg lag. Allein es war nicht so hoch, dass nicht das meiste bebaut sei. Oben steht ein Turm und einige Häuser, abwärts gings munter und abends waren wir in Sigillo.

17.06.1810 Von Sigillo nach Foligno

(17) Den andern Morgen fuhren wir früh weiter, deswegen lag ich eben noch in einem Morgenschläfchen, als ein Halt uns erweckte und den Wagen von zehn oder zwölf Männern umringt sah. Und nun brauchte ich keine Erklärung, wo wir seien, als ihre Gesichter. Wir waren an der römischen Grenze und dies war der Duano. Unter allem Unangenehmen ist mir das Visitieren lassen fast das Unangenehmste, doch es war nichts zu machen. Wir mussten lange warten und sahen einer Komödie zu zwischen einigen Douaniers und einem Geistlichen, der mit Geld durchgehen wollte.

Endlich kam der Direktor und wir fanden doch einen Mann, mit dem sich reden liess. Er brachte alles so schnell es ging in Ordnung, und so ging es weiter, bis wir mittags in Nocera ankamen. Von hier ab ist die Gegend sehr fruchtbar, Wein-, Öl-, Feigen- und Mandelbäume wechseln miteinander ab. Gegen sieben Uhr waren wir in Foligno, wo der Kellner uns schon vor dem Städtchen in Empfang nahm - ich habe nicht leicht einen drolligeren Kerl gesehen.

Wir gingen ein wenig umher, die Stadt zu besehen, fanden aber nichts als eine Kirche. Merkwürdig. Nach dem Nachtessen bat der Kellner, es möchte ihm einer sein Porträt zeichnen, welches dann auch Overbeck tat.Dabei stellte sich der Bursche so närrisch, dass wir alle lachen mussten.

18.06.1810 Von Foligno nach Terni

Den andern Tag waren wir gegen Mittag (18) in Spoleto. Diese Stadt ist in mehrerer Hinsicht merkwürdig und wir nahmen uns sogleich einen Burschen, uns überall hin zu führen. Zuerst in eine Kapelle, die zu dem Palast Andoliani gehört, wo das Altarbild von Raffael ist. Es stellt die Heiligen drei Könige vor, ein schönes Bild, aber in einem ganz eigenen Stil, der viel Ähnliches mit seinem Mitschüler Pintericchino hat. Es hat aber sehr gelitten, so dass mehrere Farben bis auf die Leinwand verschwunden sind.

Von hier führte uns der Bursche aus der Stadt an einer noch in einigem Stande erhaltenen Burg vorbei, wo wir eine schöne Aussicht in ein enges Tal hatten, das mit Ölbäumen bepflanzt war und über welches eine Wasserleitung läuft. Ein solches Gebäude gibt einer Gegend einen ganz eigenen Charakter. Wir gingen auf ihr hinüber, wo eine Mühle und andere feste Gebäude standen. Dann eilten wir wieder in die Stadt in den Dom, der ein schönes Äusseres hat. An einem Haus gingen wir vorbei, woran ein langes grau in grau gemaltes Fries war von Nymphen, Tritonen und Wassergöttern, sehr schön.

Wir gingen wieder aus der Stadt nach dem Tempel der Concordia, aus welchem man jetzt eine Kirche gemacht hat. Eine Fassade ist fast noch ganz erhalten. Im Innern der Kirche stehen noch mehrere antike Säulen. Noch sahen wir in der Stadt einen alten Bogen mit der Aufschrift, dass durch ihn Hannibal, als er von Rom kam, seinen Rückzug gehalten habe.

Wir fuhren ab, meist zwischen waldigen Bergen. Ich habe nie so vielen Buchsbaum und in solcher Größe gesehen. Eine Menge Herden, Schafe mit ihren Hirten, die ihr Gerät auf Saumrossen nachtragen liessen, begegneten uns. Gegen Abend waren wir in Terni, das in einer herrlichen Gegend liegt. Hier ward beschlossen, einene halben Tag liegen zu bleiben, um den berühmten Wasserfall von Terni zu sehen.

19.06.1810 Von Terni bis Otricoli

Den Morgen darauf (19) kam unser Wegweiser, und so ging es auf einem angenehmen Weg zwischen Gärten fort. Er wurde bald steiler, und endlich mussten wir mit Mühe hinauf klettern. Unter uns lag eine kleine zerstörte Festung, welche die Franzosen eingenommen und die Besatzung, die aus Neapolitanern bestand, niedergemacht hatten.

Nach anderthalb Stunden brachte uns unser Führer durch eine Schlucht, wo wir das Wasser mit Lärm und Gebraus hörten. Es stürzt sich hier in eine gräuliche Tiefe, und erhebt sich dort wieder als Gischt. Wir warfen einige Steine hinab, sahen aber nie ihren gänzlichen Fall. An einer anderen Stelle, wo ein kleines Wasserhaus liegt, sahen wir ihn zum dritten mal.

Es war mir ein ganz eigener Anblick, da ich noch nie einen Wasserfall zu sehen bekommen hatte, allein es machte doch eine schwache Wirkung auf mich, weil ich mich anderthalb Tagreisen von Rom wusste, nach dem sich von Kindheit an meine Gedanken gerichtet hatten.

Nachdem wir etwas gezeichnet hatten, zeigte der Mann uns eine Höhle von Tropfsteinen, worin eine freistehende Stele wie gefrorener Bach herab hing. Er schlug mit einem Stein dawider, und es gab einen hellen Klang von sich. Weil wir keine Fackel bei uns hatten, mussten wir es anstehen lassen, weiter hinein zu gehen.

Jetzt mussten wir einen grossen Umweg machen, um den Fall von unten zu sehen. Es ging über den Bach des Falls an einer Villa vorbei, die herrlich liegt, und durch eine Allee von Orangenbäumen, zu einen Ort, wo Eichen und Lorbeergesträuch dicht wuchs. Hier sahen wir ihn zwischen dem grünen Gebüsch herabtoben.

Allein der halbe Tag war schon verstrichen, wir mussten zurück und fuhren gleich nach dem Mittagessen. Der Weg wurde immer schöner und bei Otricoli wirklich reizend. Hier sahen wir erst italienische Gegenden mit dem Himmlischen Farbenspiel.

20.06.1810 Von Otricoli bis Storta

(20) Von hier ging es nach Civita Castellana. Eine grosse Felsenschlucht, die davor liegt, gibt dem Ort ein schönes Ansehen. Zwischen hier und Nepi passierten wir zum erstenmal die berühmte gelbe Tevere. Nepi hat viel ähnliches mit Civita Castellana, eine Wasserleitung gibt ihm etwas ansehnliches. Wir sahen im Durchfahren viele Überbleibsel römischer Pracht, Opfertische, Kapitelle, Säulen und seklbst ein Haus mit einer ganzen Fassade.

Mittag machten wir in Monterosi. Nach einem kleinen Mittagsschlaf fuhren wir ab durch eine ziemlich flache und öde Gegend, nur ferne lagen schöne blaue Berge. Ich war nachdenkend geworden, als unser Vetturin mich auf einmal erweckte, indem er seine Maultiere anhielt und sich zu uns wendete und sagte: Dort jener glänzende Strich am Horizont ist das Mitteländische Meer, und das dort ist - Rom. Welches Entzücken mich durchflog kann ich Dir nicht beschreiben. Ich bemühte mich so lange als möglich es zu sehen, doch bald verschwand die alte Königin der Städte und die Nacht brach ein und wir langten in Storta an. Mir schmeckte weder Essen noch Trinken noch Schlaf, ich lief hinaus und dem Weg nach in der Meinung, noch die Lichter von Rom sehen zu können, aber vergebens.

21.06.1810 Von Storta nach Rom

Den anderen Morgen (21.Juni) fuhren wir in feierlicher Stimmung ab. Als wir auf einen Hügel kamen, lag die herrliche Stadt der sieben Hügel im Glanz der steigenden Sonne vor uns. Hier verstummt alle Beschreibung. Die Ponte Mollo, wo einst der Heilige Konstandin den Maxentius schlug, führte uns über den Tiber und eine Reihe von Landhäusern an das Tor Porta del Populo.

Ende

Editionsbericht

Auch wenn man vorgeblich nur einige alte Reisebriefe verfügbar machen möchte, ist man doch sofort mit Editionsproblemen konfrontiert.

Franz Pforr hat - anders als Friedrich Overbeck und Ludwig Vogel - keine formale Ausbildung genossen. So lebendig er sich auch ausdrücken kann, so viele eigene Gedanken er sich auch macht: Seine Rechtschreibung und Interpunktion ist äußerst mangelhaft, der Satzbau sprunghaft und manchmal nahe an der wörtlichen Rede. Der Inhalt muss oft regelrecht interpretiert werden.

Besonders bei Ortsnamen auf der Reise und speziell in Italien gibt es keine Einheitlichkeit und starke Abweichungen zur heutigen Schreibweise.

Noch schlimmer ist das bei italienischen Künstlernamen, die oft nur dem Klang nach geschrieben sind und erraten werden müssen. Zusätzlich besteht hier das Problem, dass die Zuschreibungen an einzelne Künstler heute anders aussehen können als Anfang des 18. Jahrhunderts (ein schönes Beispiel ist Pforrs Lieblingsbild Justitia, die damals einem Maler "Pordenone" zugeschrieben war - daher auch die besondere Beziehung Pforrs zu diesem Ort auf der Durchreise -, heute aber Moretto zugeschrieben wird.

Meine "Editionsentscheidungen" sind also folgende:


Home, Astronomie, Kunst, Pforr-Index, Literatur, Musik

Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 24.07.2005
Weiter am 12.02.2010
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/art/pforr/pforr-04.html